10 nach 8: Annabelle Hirsch über Frankreich

 
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15.02.2017
 
 
 
 
10 nach 8


Die Wahl entscheiden die Frauen
 
Frankreich wählt nicht nur einen neuen Präsidenten, sondern auch eine First Lady. Vor allem Brigitte Trogneux könnte im Kampf gegen Marine Le Pen Wunder bewirken.
VON ANNABELLE HIRSCH

Brigitte Trogneux mit ihrem Ehemann, dem französischen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron © ROMAIN PERROCHEAU/AFP/Getty Images
 
Brigitte Trogneux mit ihrem Ehemann, dem französischen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron © ROMAIN PERROCHEAU/AFP/Getty Images
 
 

Wenn man dieser Tage über Frankreich spricht, dann spricht man meist über zwei Dinge: Francois Fillon und seine Penelope, Emmanuel Macron und seine Brigitte. Zwei Präsidentschaftskandidaten und ihre Frauen. Zwei Paare, zwei Frauen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Die eine, Penelope Fillon, eine diskrete Mutter von fünf Kindern, wird ihrem Ehemann mehr und mehr zum Verhängnis, scheinbar ohne selbst genau zu wissen, warum. Die andere, Brigitte Trogneux, eine ehemalige Lehrerin mit großer Ähnlichkeit zur Yves-Saint-Laurent-Ikone Betty Catroux, vierundzwanzig Jahre älter als ihr Gatte, befeuert sein Image, seine Karriere, seinen Ruf. Und das so sehr, dass er im Mai mit gerade einmal achtunddreißig Jahren zum jüngsten Präsidenten der "Cinquième République" gewählt werden könnte.

Diese zentrale Rolle der Kandidatengattinen im Wahlkampf ist in Frankreich eher neu, ganz anders als in den USA, wo man Michelle ja fast noch mehr nachtrauert als Barack selbst, und Melania sich peinlichen Wahlkampfprüfungen unterziehen musste. Sicher, Cecilia Sarkozy spielte damals eine wichtige Rolle, als sie kurz vor der Wahl zu ihrem Ehemann Nicolas Sarkozy zurückkehrte und ihn schon wenige Monate nach seinem Sieg verließ. Und Bernadette Chirac wird bis heute gefürchtet, wenn sie einen Friseursalon oder das Café des Le Meurice mit dunkler Sonnenbrille und grimmigem Blick betritt. Oder Valérie Trierweiler, die als die große Verlassene in die Geschichte eingehen wird, die erst das Mobiliar des Élysée-Palasts zertrümmerte und dann in einem Buch öffentlich mit François Hollande abrechnete. Man erinnert sich an die meisten Präsidentengattinnen irgendwie, doch grundsätzlich gilt: Die Première Dame de France, wie die First Lady in Frankreich heißt, hat ein Büro, mehrere Sekretäre, aber keine Funktion.

Umso überraschender ist, dass die Ehefrauen in diesem Wahljahr, im Kampf gegen die derzeit gefürchtetste Frau der französischen Politik, Marine Le Pen, eine so strategische Rolle spielen. Wenn man sich einmal durch französische Zeitungen und Zeitschriften blättert, geht es fast genau so viel um sie, um Penelope und Brigitte, wie um ihre Männer, Francois und Emmanuel. Und die Art und Weise, wie man über sie spricht, sagt viel über die Gesellschaftsentwürfe der jeweiligen Gatten aus.

Penelope Fillon hatte keine Ahnung

In Fall 1, dem der zarten Penelope Fillon, ist die Aufmerksamkeit, die ihr zuteil wird, offensichtlich ein Versehen. Ende Januar enthüllte die französische Satirezeitung Le Canard Enchainé, die zurückhaltende Madame Fillon habe von ihren Mann 500.000 Euro für ihre Tätigkeit als parlamentarische Assistentin kassiert, die sie dummerweise nur leider nie ausgeführt zu haben scheint, wie sie 2007 in einem in dieser Woche wiederausgestrahlten Interview mit der Sunday Times selbst erklärte. Für François Fillon ist diese Affäre ein harter Schlag. Dass er, der sich als Verkörperung einer vielleicht etwas rigiden, aber zumindest moralisch intakten Rechten dargestellt hatte, die Staatskassen im Namen seiner Frau leert, kommt bei den Wählern nicht gut an. Ein Skandal, und Penelope, von der man bisher wenig bis gar nichts wusste, steckt mitten drin.

Wenn man sieht, wie gequält, ja wirklich betroffen und beschämt sie Ende Januar auf dem Parteitreffen der Republikaner in Paris auftrat, wie gerührt sie war von der Unterstützung der Parteimitglieder und wie hilflos sie mit dieser ganzen Angelegenheit, dem sogenannten Penelopegate, umgeht, scheint sicher: Die Frau hatte keine Ahnung. Und ihr Mann dachte wohl, sich absolut im Recht fühlend, seine Machenschaften kämen sowieso nie raus. Von weitem sieht es ein bisschen so aus, als hätte François Fillon tatsächlich gedacht, er könne diese Machenschaften Madame Fillon zuschieben, so wie ein Päckchen Drogen, weil, ist doch klar, mit diesem Engelsgesicht kontrolliert man sie sowieso nicht. Denn ihre Beziehung folgt dem alten, konservativen Modell: Mann führt, Frau folgt, wohin, erfährt sie später. Oder gar nicht. Penelope tut einem in diesem ganzen Skandal nur leid. Und ihre Chancen auf die Rolle der Première Dame stehen gerade nicht gut.

Brigitte- und Emmanuel-Cover

Ganz anders ist Fall 2, der der Brigitte Macron. Sie bringt die Frauen und die Jugend zum Jubeln. Nicht nur, weil Emmanuel Macrons Beziehung zu der vierundzwanzig Jahre älteren Frau ihm eine gewisse Glaubwürdigkeit verleiht, weil er damit in seinem Leben umsetzt, was er in seiner Politik verspricht, nämlich, dass es auch anders geht. Sondern vor allem auch, weil Brigitte von Anfang an als Partnerin und nicht als Anhängsel des Überraschungskandidaten aufgetreten ist. Im Gegensatz zu Penelope stand Brigitte schon im Zentrum des Wahlkampfes, als es noch gar keine Wahlkampfkampagne gab.

Bereits im Frühjahr letzten Jahres sah man sie, zusammen mit ihrem Ehemann, auf dem Cover von VSD posieren. "Alles über das Paar für den Élysée-Palast und die tragende Rolle seiner Frau", versprach der Titel. Im Sommer dann, als Emmanuel Macron zwar schon En marche gegründet, sein Amt des Wirtschaftsministers aber noch nicht abgelegt hatte, zierten er und Brigitte das Cover von Paris Match: Sie im blauen Badeanzug mit weißen Orchideen, er in Shorts und Polo-Shirt. Ein paar Wochen später zeigte VSD beide Arm in Arm in den Sonnenuntergang schauend, eine symbolische Geste, die sowas aussagen sollte wie: Wir zwei für die Zukunft. Seitdem hören die "Auf dem Weg in den Élysée-Palast"-, "Sie sagen 'ja' zum Élysée-Palast"- und die "Brigitte- und Emmanuelle"-Cover gar nicht mehr auf, wobei Brigitte mit ihrem ungewöhnlichen, nicht wirklich schönen, nicht wirklich fraulichen Catroux-Charme meist heraussticht.

An Mut mangelt es ihr nicht

Und Macron gewinnt an ihr. Sehr. Wo er ohne sie an seiner Seite wie ein voreiliger Streber aussehen würde, macht sie ihn zum Mann, der weiß, was er will und dafür einsteht. Man nimmt ihm ab, dass er kein Windei ist, wie manche seiner Gegner es behaupten, weil er eine starke Frau an seiner Seite hat, die an ihn glaubt. Karl Lagerfeld sagte vor Kurzem, Brigitte Macron sei für ihren Mann, was Michelle für Barack war, und er hat wahrscheinlich Recht. Mit ihr kann er glänzen. Sie wirkt integer, frei, klar. Und sie hat bewiesen, dass es ihr an Mut nicht mangelt.

Es gibt auf Youtube eine Dokumentation über Macron, dort sieht man ihn, noch als sehr jungen Mann, auf der Bühne seiner Schule stehen, wie er als Vogelscheuche verkleidet seinen Text deklamiert, damals noch vor seiner Lehrerin Brigitte. Und dann sieht man sie, heute, in einem ihrer schicken Outfits auf ihrer Terrasse sitzen, wie sie sich erinnert, dass er ihr irgendwann nach seinem Vogelscheuchenauftritt vorschlug, gemeinsam ein Theaterstück zu schreiben. Der Rest der Geschichte ist bekannt: Aus dem Stückschreiben wurde Liebe. Brigitte versuchte, dem Skandal zu entgehen, schickte ihren Schüler auf das Pariser Elitegymnasium Henri IV.   

Immer noch die Lehrerin

Emmanuel ging, versprach aber, zurückzukommen, um sie zu heiraten – und in etwa so kam es dann auch. Eine bessere Geschichte kann man sich kaum ausdenken. Und auch wenn daran natürlich sicher ein paar gute Image-Strategen gefeilt haben, sie wirkt. Zumal man solche Geschichten über die Liebe, am besten die komplexe, verbotene, gegen allen Widerstand gelebte Liebe in Frankreich liebt – nicht umsonst waren die Briefe von Francois Mitterand an seine Anne im vergangenen Herbst so ein Erfolg.

Ähnlich wie die Mätresse des Ex-Präsidenten, wird Brigitte von der Kulturwelt als gebildete Frau verehrt und als femme exceptionelle bezeichnet, wobei damit, anders als bei Penelope, nicht ihre Güte und Hingabe, sondern ihre Stärke gemeint ist. Über die wird natürlich auch gerne gelacht. Brigitte sei noch immer die Lehrerin und Emmanuel Macron noch immer der Schüler, suggerierte der Komiker Laurent Gerra vor ein paar Tagen im Radio, als er sie als mahnende Professorin imitierte: "Emmanuel, hast du endlich dein Programm aufgeschrieben? Na zeig mal her!" Wer weiß, wenn sie ihn noch rechtzeitig dazu bringt, sitzt sie vielleicht bald schon im Élysée-Palast. "Wenn ich in den Élysée-Palast ziehen soll", sagte sie einmal, "dann jetzt. Später wird mein Gesicht zum Problem". Alors: Bonne chance!

Annabelle Hirsch, geboren 1986, ist Deutsch-Französin und lebt als freie Autorin in Paris. Sie ist Gastautorin von "10 nach 8".

 

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