Tauziehen ums UrhWissG | Nachwuchssorgen | 3½ Fragen an Stephan Dorgerloh | Standpunkt Jan-Martin Wiarda: Handlungsdruck

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
vornehm den Mund halten, hilft nicht viel – findet Stephan Dorgerloh, ehemaliger Kultusminister von Sachsen-Anhalt, in den Dreieinhalb Fragen. Das dachten sich wohl auch die Grünen, und kamen mit einem neuen Bafög-Wunsch um die Ecke (taz). Jan-Martin Wiarda kommentiert den grünen Move im Standpunkt.
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Tauziehen ums UrhWissG
Anfang Februar veröffentlichte das Bundesjustizministerium den Referentenentwurf eines neuen Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetzes (UrhWissG – hier als pdf), das eine Wissenschaftsschranke vorsieht. Darüber streiten sich jetzt die Geister. HRK und Bibliotheksverband etwa begrüßen den Entwurf in einer gemeinsamen Stellungnahme und wenden sich nachdrücklich gegen „Interessenvertreter des Verlagswesens“, die die geplante Reform „blockieren“ und „zu falschen und irreführenden Behauptungen greifen“. Angesprochen fühlen darf sich die Gegenseite – der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der den „Appell für Publikationsfreiheit“ unterstützt und der für sich in Anspruch nimmt, die Rechte der Autorinnen und Autoren zu schützen: „Der Gesetzgeber, Bibliotheksverbände und Wissenschaftsorganisationen rütteln an zentralen Rahmenbedingungen publizistischer Arbeit“, heißt es in dem Appell. Auch die German U15 haben sich daher mit einem Schreiben an die CDU/CSU-Fraktion gewandt und betonen: „Diese Polemik tut der Debatte nicht gut.“ Die Umsetzung des Gesetzesvorhabens, insbesondere die Schranke und Pauschalvergütung, wäre „ein Meilenstein in den umfassenden Reformbemühungen unserer Universitäten“ wie auch für die „Umsetzung der Digitalen Agenda der Bundesregierung“, schreibt U15-Vorsitzender Hans-Jochen Schiewer in dem Brief, der der ZEIT vorliegt. – Wer beim Tauziehen mitmachen möchte: Bis zum 24. Februar sind Stellungnahmen zum Entwurf möglich.
  
 
 
Nachwuchssorgen
In der letzten Ausgabe des CHANCEN Briefs haben wir uns noch darüber ausgelassen, dass „Nachwuchs“ doch eher eine problematische Umschreibung für profilierte Jungforscherinnen und -forscher ist. Heute müssen wir den Begriff trotzdem nochmal verwenden: Vergangene Woche wurde nämlich der „Bundesbericht wissenschaftlicher Nachwuchs 2017“ (BuWiN) vorgestellt. Demnach ist die Scientific Community recht reproduktionsfreudig: die Zahl der „Nachwuchswissenschaftler“ ist von 82.400 im Jahr 2000 auf 145.000 (in 2014) gestiegen. Feste Jobs gibt es für diese Riesenkohorte nicht; 93 Prozent sind befristet angestellt; die Hälfte der Verträge läuft unter einem Jahr. Entsprechend wenig Nachwuchs kriegt der Nachwuchs: Planungsunsicherheit und geringe finanzielle Sicherheit werden als Gründe für Kinderlosigkeit genannt. Johanna Wanka setzt große Hoffnungen auf das Tenure-Track-Programm und sagte, man setze damit „an der richtigen Stellschraube" an. Für die GEW und das Netzwerk für Gute Arbeit in der Wissenschaft waren die BuWiN-Befunde Wasser auf die Mühlen. (Tagesspiegel; SZ; SpOn; heute.de)
  
 
 
Türkisches Entsetzen
Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Türkei ist die Lage weiterhin bedrohlich. Lesenswert dazu: Ein ausführliches Portrait der türkischen Forschungspolitik bei Nature. Der Tagesspiegel berichtet über die entsetzte türkische Scientific Community in Berlin.
  
 
 
Uni-Journalismus?
Kaum eine Uni in Deutschland, auf deren Fluren man nicht über sie stolpert: Aufsteller mit kostenlosen Uni-Magazinen wie „Audimax“ und „Unicum“. Ist das cleverer Hochschul-Journalismus, oder kapitalistisches Übel in den heiligen Bildungshallen? Die SZ hat nachgeforscht.
  
 
 
Yale positioniert sich
Donald Trump ist eine Wasserscheide – auch für die Universitäten. Beispiel Yale: Monatelang zogen sich die Diskussionen um die Umbenennung des Calhoun College (benannt nach dem Sklavereibefürworters John Calhoun) und hielten einige die Umbenennung für einen übertriebenen Akt der Political Correctness. Jetzt aber ist Trump Präsident und macht im großen Stil Rassismus hoffähig. Prompt verkündete nun Yale-Präsident Peter Salovey, dass das College künftig nach der Informatikerin Grace Murray Hopper heiße (NYT). Der Atlantic analysiert den Klimawandel unter Trump am Beispiel Yales: „In today’s political climate, with the widening gap between what Kendi calls racist and anti-racist forces, there is less and less room for nuance. Institutions like Yale have to move toward one side or the other.“
  
   
 
 
   
 
   
   
 
Die Zahl
 
 
   
7.866

Professoren und Professorinnen werden bis 2024 aus Altersgründen aus den Hochschulen ausscheiden. Das entspricht einem Anteil von 30 Prozent. 
 
Quelle: Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017, S. 35f.
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Stephan Dorgerloh

Kultusminister a.D., berät derzeit Bildungsstiftungen und Start Ups zum Transfer von Bildungsinnovationen
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Um Innovationen für Schulen, sowohl aus gefestigter wissenschaftlicher Erkenntnis wie auch von erprobter guter Praxis, flächendeckend wirksam werden zu lassen, braucht es neue neue Transferwege und -verfahren. Hilfreich ist dabei auch eine bessere Verzahnung von qualitativer und quantitativer Bildungsforschung.

Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Eine gesellschaftliche Debatte zur Ethik von Daten. Das betrifft ja nicht nur die rechtliche Regulierung von Kommerzriesen wie Facebook und Co, sondern auch die Forschungslandschaften mit ihren Datenbergen und -bedarfen.

Lektüre muss sein. Welche?
Für alle, die in diesen Tagen mal was Schönes aus den USA lesen wollen: Chad Harbach: Die Kunst des Feldspiels. Für die Klassikerfreunde und unverzichtbar zum Verstehen des menschlich allzu zwischenmenschlichen: Die Anleitung zum Unglücklichsein, von Paul Watzlawick.

Und sonst so?
Ein Kurz-Plädoyer für die eigene Nase zu politischer Bildung: Der Demokratie hilft es nicht, wenn man beim Auftreten von Populismus jeglicher Art gelehrt und vornehm den Mund hält. Es hilft ihr mehr, wenn man aufsteht und den eigenen Argumenten Stimme gibt. Gelegentlich merkt man dann, dass es dazu auch Informationen und standhafter Positionen bedarf. Nur Gefühl und Empörung – und seien sie noch so aristokratisch – hilft der Demokratie eben auch nicht weiter.
   
   
 
 
   
 
   
   
 
Standpunkt
 
 
   
   
von Jan-Martin Wiarda
Handlungsdruck
Meinen die Grünen das ernst? Sieben Monate vor der Bundestagswahl fordert ihr hochschulpolitischer Sprecher Kai Gehring einen sechsprozentigen Nachschlag beim Bafög. Und er fordert nicht nur, seine Fraktion hat den Antrag am Freitag sogar in den Bundestag eingebracht.
Wahlkampf-Politik? Vielleicht. Der Zeitpunkt ist jedenfalls clever. Denn vor wenigen Tagen erst hat der „Alternative Bafög-Bericht“ des Deutschen Gewerkschaftsbundes vermeldet, dass die Quote der Förderberechtigten zwischen 2012 und 2015 gesunken sei, der DGB-Rechnung zufolge von 19 auf 15 Prozent. Regelrecht „eingebrochen“ sei die Zahl der Unterstützten, wie die Gewerkschafter es formulieren. Auch die starren Altersgrenzen bei der Förderung widersprechen zunehmend der Lebenswirklichkeit vieler Studenten. Die Bundesregierung hingegen will ihren eigenen Bafög-Bericht erst vorlegen, nachdem das Statistische Bundesamt voraussichtlich Anfang August die aktuelle Bafög-Statistik veröffentlicht hat.
Ärgerlich war schon, wie die Große Koalition das letzte, seit Jahren überfällige Plus in der Bafög-Kasse verschleppt hatte. So lange, dass ein Teil der Erhöhung zwischen Ankündigung und Inkrafttreten schon von der Inflation verfrühstückt worden war. Nicht nachvollziehbar auch, wie das Ministerium von Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) 2014 das Allzeithoch bei den Bafög-Empfängern feierte, wohl wissend, dass es allein auf den im Rekordtempo gestiegenen Studentenzahlen beruhte.
Der Handlungsdruck beim Bafög ist jetzt da. Nicht erst, wenn sich Ende des Jahres die neue Bundesregierung konstituiert hat und sich dann – mit viel Glück – irgendwann im Laufe von 2018 dem Thema widmet. Steigen dadurch die Chancen für den Grünen-Vorschlag? Wohl kaum. Schade eigentlich.
   
   
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Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
   
Wofür brauchen Kinder Grenzen? Die Welt wird wieder autoritär – das belastet Eltern. Was tun? Heinrich Wefing über die Erziehungsformel des Jahres 2017

»Eltern schießen übers Ziel hinaus« – »Lehrer fühlen sich sofort angegriffen« Die Stimmung ist gereizt zwischen Elternhaus und Schule – beide Seiten fühlen sich zu Unrecht kritisiert. Gibt es noch einen Konsens über gute Erziehung? Eine Mutter, ein Vater und zwei Pädagogen sagen einander die Meinung Wo seid ihr, Kollegen? Frankfurter Grundschullehrer klagen über zu hohe Arbeitsbelastung und zu schlechte Schüler. Was ist da los? Sie wollen nicht nur spielen Studie: Kinder nutzen begeistert Computer. Nur nicht in der Schule Kolumne Scheinselbstständig Wenn ein Gespräch zum Drogentrip wird, von Daniel Erk

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