| Der Mann, der die Herzen im Sturm erobert Am Freitagabend kamen im Hamburger Rathaus Prominente aus Politik, Wirtschaft und Kultur wieder einmal zum traditionsreichen Matthiae-Mahl zusammen. Unter den 400 geladenen Gäste war ein Ehrengast, der seit Kurzem für Begeisterungsstürme sorgt, wo immer er auftaucht: Justin – nein, nicht Bieber, sondern der kanadische Premierminister Justin Trudeau. Der Mann soll es bei einem Treffen im Weißen Haus sogar geschafft haben, Ivanka Trump, die Tochter des derzeit amtierenden US-Präsidenten, zu beeindrucken (allerdings wurde das bisher von keinem Sprecher dementiert). Hier in Hamburg rief Trudeau die politische Klasse dazu auf, den Anliegen der Bevölkerung mehr Aufmerksamkeit zu schenken. »Zu viele Menschen auf der ganzen Welt machen sich Sorgen um ihre Zukunft«, sagte Trudeau, »und wer könnte es ihnen verdenken?« Er ergänzte: »Mir ist die Ironie ganz klar bewusst, vor einem Meer von Fräcken und Abendkleidern über die Kämpfe der Mittelklasse zu predigen, zumal ich selbst eine Fliege trage.« Bürgermeister Olaf Scholz lobte Kanada als Vorbild für die liberalen und sozialen Kräfte auf der ganzen Welt und schickte einen Seitenhieb in Richtung Donald Trump: »Einmal im Jahr erinnert uns die Tradition des Gastmahls daran, dass vernünftige internationale Politik nicht darin besteht, die eigene Nation ›first‹ zu setzen, sondern auch Freundschaftspflege ist.« Außenminister Sigmar Gabriel ergänzte, es sei nicht die Zeit, Mauern zu bauen, sondern Mauern abzubauen. Und Trudeau ließ im Anschluss an seinen Appell, sich um die arbeitende Bevölkerung zu kümmern, alle Kellner zum Gruppenbild mit ihm und Bürgermeister Olaf Scholz antreten.
»Ich sehe keinen Grund, warum Wasser nicht umsonst sein sollte« Stephanie Wiermann ist Hamburgerin und lebt seit Kurzem auf dem Land im schleswig-holsteinischen Horst. Von dort aus plant sie eine kleine Revolution in Hamburg – und hat auch schon Interessenten in anderen Städten gefunden. Ihr Ziel: gratis Wasser für alle – und weniger Plastikmüll. Offiziell startet das Projekt Refill Hamburg Anfang April. Wir haben mit der Gründerin über dessen Sinn und Nutzen gesprochen. Elbvertiefung: Frau Wiermann, Sie wollen Läden und Cafés überzeugen, umsonst Leitungswasser für alle anzubieten. Wie kamen Sie auf die Idee?
Stephanie Wiermann: Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit Zero Waste und plastikfreiem Leben, da bin ich auch auf das Thema Plastikflaschen und Wasser gestoßen. Bei Twitter habe ich dann das Projekt Refill Bristol entdeckt. In Bristol gibt es mittlerweile 250 Abfüllstationen, an denen sich jeder, der beim Shoppen, Sightseeing oder auf dem Weg zur Arbeit Durst hat, Leitungswasser in seine wiederauffüllbare Flasche füllen kann. Nach diesem Vorbild soll es auch in Hamburg funktionieren.
Elbvertiefung: So wollen Sie vermeiden, dass sich die Leute im nächsten Supermarkt eine Plastikflasche mit Wasser kaufen …
Wiermann: … und diese wegwerfen, wenn sie leer ist. Richtig. Das Projekt soll zum Umweltschutz animieren. Jeder von uns sollte dazu beitragen, dass wir unsere Lebensgrundlage nicht durch den ganzen Plastikmüll zerstören. Es gibt Studien, die sagen, dass es im Jahr 2050 mehr Plastik im Meer geben wird als Fische. Das muss sich ändern.
Elbvertiefung: Welche Resonanz haben Sie bisher auf Refill Hamburg erhalten?
Wiermann: Die, mit denen ich bisher gesprochen habe, haben sehr positiv reagiert. Bars, Restaurants und Läden, die sich beteiligen, können sich ab April Aufkleber in den Unverpackt-Läden abholen und ans Fenster kleben. Auf der Website gibt es eine Karte, auf der alle Refill-Stationen eingetragen sind. Ich bin mit Hamburg Wasser im Gespräch, und auch andere Städte wie Leipzig, Chemnitz und Berlin haben Interesse. Daran merkt man: Die Zeit ist reif für dieses Projekt.
Elbvertiefung: Wieso soll es das Wasser eigentlich ganz umsonst geben? Preise von einem oder gar mehreren Euro wären natürlich haltlos überzogen. Aber die Restaurants und Läden haben ja auch Kosten, und seien es nur die fürs Personal, das die Flasche auffüllt.
Wiermann: Das Leitungswasser in Deutschland ist trinkbar, und ich sehe keinen Grund, wieso es nicht umsonst sein sollte, das geht in anderen Ländern auch. Leitungswasser ist ein sehr günstiges Lebensmittel. 1000 Liter Leitungswasser kosten in Hamburg nicht mal vier Euro. |
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