| Der Hauptbahnhof chillt In unserer geheimen Serie »Unbekannte Verschwörungstheorien« wollen wir heute eine besonders perfide Form der Manipulation behandeln: die Musikbeschallung am Hauptbahnhof. Seit die Musik 2002 erstmals aus den Lautsprechern dudelte, glauben vor allem ältere Stadtbewohner immer noch fest daran, dass sie zur Vertreibung der Obdachlosen und Drogenkonsumenten dienen soll. Die Bahn selbst dagegen beteuert auf Nachfrage, die Musikeinspielung sei »im Zuge der Verbesserung der Aufenthaltsqualität« eingeführt worden, um »eine angenehme Atmosphäre und eine positive Grundstimmung für die Kunden« zu schaffen. Doch nach unserem gestrigen Interview mit Pro-Bahn-Sprecher Karl-Peter Naumann (»Der Hauptbahnhof ist chronisch überlastet«) wissen wir jetzt natürlich, was wirklich dahintersteht: die Kalmierung von aufgebrachten Bahn-Reisenden, wenn wieder einmal ein Signal gestört ist oder eine gerissene Oberleitung den Zugverkehr lahmgelegt hat. Die Indizien sind erdrückend: Bis 2014 erschallte am Hauptbahnhof nämlich anregende, bei manchen als elitär geltende klassische Musik. Dann wurde – vorausdenkend? – auf den jetzigen Lounge-Ambient-Mix umgestellt, der die Reisenden »von der Hektik wegholen« soll. Passt doch. Denn wir fragen Sie: Wer fordert eher seine Rechte als verspätet abgelieferter Bahn-Kunde ein – ein klassisch angeregter Elitist – oder ein auf Entspannung runtergechillter Fahrgast, der nichts weiter will, als nur noch in seine Jogginghose zu schlüpfen? Eben! Dass man aber, als am Sonntagabend ein paar Hundert Fahrgäste erst nach Stunden aus dem stehen gebliebenen ICE evakuiert wurden, die Chillmusik flugs lauter stellte, das können wir nicht bestätigen.
»Hören wir diese Vorurteile nicht auch über die heutige Jugend?« Am Donnerstag findet zum zweiten Mal die Bildungsmesse »Markt der Möglichkeiten« statt. Sie bietet Informationen für alle, die sich für eine Berufsaus- oder Weiterbildung interessieren. Wir haben die Organisatorin Susanne Horn vom Jobcenter team.arbeit.hamburg nach speziellen Angeboten für Flüchtlinge gefragt. Elbvertiefung: Die Messe versucht unter anderem, Flüchtlinge, die erste Sprach- oder Integrationskurse absolviert haben, in Ausbildungsberufe zu vermitteln. Wie genau soll das gelingen? Susanne Horn: So individuell wie die Menschen müssen auch die Wege sein. Nicht jeder ist für schulisches Lernen zu begeistern. Die Berufsschulinhalte einer Ausbildung werden viele Menschen mit Deutsch als Zweitsprache als sehr herausfordernd erleben. Wichtig ist, für jeden ein Berufsfeld zu finden, das zu den eigenen Fähigkeiten und Neigungen passt, das erleichtert auch das Lernen. Was wir als Jobcenter nicht wollen, ist, dass Flüchtlinge im erstbesten Arbeitsangebot »verschwinden«, aus dem sie schnell wieder arbeitslos werden. Wir möchten den Berufseinstieg so gestalten, dass sich eine langfristige berufliche Perspektive entwickelt. Elbvertiefung: Dennoch haben manche Arbeitgeber Probleme mit Flüchtlingen bezüglich Disziplin, Pünktlichkeit oder aufgrund von Mentalitätsunterschieden. Was entgegnen Sie den Kritikern? Susanne Horn: Ist das ein Flüchtlingsproblem, oder hören wir diese Vorurteile nicht auch über die heutige Jugend? Ich glaube, in einem guten Betriebsklima kann man viele Themen freundlich und deutlich ansprechen, und zu erleben, wie es etwa die Kollegen machen, vermittelt mehr als Vorträge im Integrationskurs. Aber ja, es wird auch Probleme geben, das bleibt nicht aus, wenn Menschen erst lernen müssen, aufeinander zuzugehen. Elbvertiefung: Auf der Messe wird es »interaktive Ausprobiermöglichkeiten« geben. Sind diese auch ohne fließendes Deutsch nutzbar? Susanne Horn: Ja, unbedingt! Es gibt ein Memory-Spiel für die Arbeiten im Gartenbau, an einem kleinen Kran können Sie die Arbeit im Hafen simulieren, am Pflegebett werden Tätigkeiten erläutert, die zur Pflege gehören, und einen PC können Sie auch aufschrauben. Das geht in der Verständigung auch mit wenig Vokabeln. Elbvertiefung: Auf Facebook haben Sie gezielt in mehreren Sprachen auf die Veranstaltung aufmerksam gemacht. Wie ist die Resonanz? Susanne Horn: Wir sind selbst überrascht von der Menge der Likes. Über 10.000 Weiterleitungen an Freunde signalisieren uns, dass wir mit der Messe einen echten Informationsbedarf decken. |
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