30.000 Euro Schaden | Aufruf: Es geht um Europa! | 3½ Fragen an Katja Simons | Dr. acad. Sommer: Lapidare Ausschreibung

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
unser Ressort liegt dank Grippewelle ächzend am Boden. Sie hingegen genießen hoffentlich die Semesterferien und haben Muße, sich entspannt durch unsere heutige Ausgabe zu lesen. Nicht verpassen: 1. Das treffende Sprichwort von Katja Simons aus New York (im Fragebogen), und 2. den besänftigenden Rat von Dr. acad. Sommer – für alle erhitzten Gemüter, die unfaire Berufungsverfahren erlebt haben. 
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Die Zukunft der Wissenschaft
Wir starten mit einer virtuellen Kiste Champagner in die Woche – die wir den zehn jungen Wissenschafterinnen und Wissenschaftlern überreichen, die 2017 von der DFG mit dem Heinz Maier-Leibnitz-Preis ausgezeichnet werden: Andreas Geiger (MPI Intelligente Systeme, Tübingen), Christian Groß (MPI Quantenoptik, Garching), Mandy Hütter (Uni Tübingen), Philipp Kanske (MPI Kognitions- und Neurowissenschaften, Leipzig), Christoph Kirchlechner (MPI Eisenforschung, Düsseldorf), Olivier Namur (Uni Hannover), Ute Scholl (Uniklinikum Düsseldorf), Michael Seewald (Uni München), Marion Silies (Uni Göttingen), Evi Zemanek (Uni Freiburg). Wir gratulieren und vermuten: In der Max-Planck-Zentrale in München liegt besonders viel Konfetti auf den Fluren.
  
 
 
30.000 Euro Schaden durch HU-Besetzung
Die Besetzung von Uni-Gebäuden ist eine Protestform mit langer Tradition, für die viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Sympathie haben dürften. Entsprechend nachgiebig zeigte sich in den letzten Wochen das Präsidium der Humboldt-Universität. Jetzt reicht's Sabine Kunst aber: Die Unileitung erklärte, die Besetzung des Sozialwissenschaftlichen Instituts nicht weiter zu dulden – nicht nur, weil inzwischen auch Nicht-Studierende in den Räumlichkeiten sind, sondern weil die Besetzenden alles andere als sorgsam mit der Universität umgehen, für die sie zu kämpfen vorgeben: die Schäden am Gebäude belaufen sich auf mehr als 30.000 Euro, schreibt die HU. Auf dem Blog erklärten die Besetzerinnen und Besetzer: „Um den Raum als Ort für Vernetzungs-, Gruppen-, und Bündnisplena nutzen zu können muss er dauerhaft sein, über seine Nutzung darf nicht die Uni entscheiden und seine Gestaltung darf keinen Bedingungen von außen unterliegen.“ Ah ja. Und wer zahlt eigentlich am Ende die Rechnung? – Siehe dazu auch unsere Rubrik c.t.
  
 
 
Schließung der Osnabrücker Kunstgeschichte?
Aufruhr in Osnabrück! Das Kunsthistorische Institut der Universität Osnabrück soll geschlossen werden – 2023 nämlich werden dort alle Professorenstellen auslaufen; sie sollen, so die Pläne des Unipräsidenten Wolfgang Lücke, nicht nachbesetzt werden. (NOZ; NDR) Protest kam insbesondere aus dem Institut selbst, das in einer Stellungnahme schrieb: „Außerhalb Osnabrücks hat man mittlerweile erkannt, dass Kompetenz im Umgang mit Bildern, die Kultur und menschliches Verhalten prägen, von zentraler Bedeutung ist und sein wird. Deshalb baut man an anderen Orten gerade Kunstgeschichte und Bildwissenschaft als unverzichtbare Disziplinen im Spektrum des geisteswissenschaftlichen Fächerkanons weiter aus; im Zukunftskonzept der Universität Osnabrück aber findet diese Entwicklung keine Beachtung.“ Laut dpa habe der Senat inzwischen einen Vorschlag unterbreitet, wie das Institut weitergeführt werden könne; Lücke kündigte an, den Vorschlag im Laufe des Sommersemesters zu prüfen. Die DFG erklärte gegenüber der dpa, die Geisteswissenschaften stünden im internationalen Vergleich gut da; das Wissenschaftsministerium in Hannover sagte, die „strukturellen Veränderungen“ an der Uni Osnabrück könnten „einen Beitrag zur Profilschärfung leisten.“ 
  
 
 
Weitere Stellungnahmen zur Wissenschaftsschranke
Bis Freitag konnte man, wie berichtet (CHANCEN Brief vom 20.02.), beim Bundesjustizministerium seine Stellungnahme zur geplanten Reformierung des Urheberrechts einreichen (BMJV). Davon machten weitere Parteien Gebrauch, die wir hier verlinken: der Deutsche Kulturrat („Die Umsetzung der neuen Regelungen erfordert deshalb, dass eine Finanzierung sichergestellt ist.“) und die Verlegerin Barbara Budrich („Wird der Referentenentwurf ohne entscheidende Änderungen Gesetz, werden unsere Investitionen der letzten Jahre massiv beschädigt – und unsere Dienstleistungen auf Dauer kaum zu erhalten sein.“). 
  
 
 
Es geht um Europa!
Vergangene Woche erreichte uns folgender Aufruf, den wir hiermit an Sie weitergeben – vielleicht ja zum Anpinnen an Ihre Bürotür? Verfasst haben die „Erklärung von Mitgliedern deutscher Hochschulen“ der Theologe und ehemalige Präsident der Uni Hamburg, Peter Fischer-Appelt, und der Philosoph Frithjof Rodi:

„Im Blick auf die politischen Entscheidungen im Europa des Jahres 2017 und im Blick auf die Gefahren einer Zersplitterung der Europäischen Union, auf die Herabwürdigung ihrer Errungenschaften und Werte und die drohende Schwächung ihres internationalen Gewichtes wenden wir uns an die Studierenden und Auszubildenden in Deutschland und in seinen Nachbarländern:
Lasst Euch nicht einschüchtern durch das Ausmaß an Zynismus und Lüge, mit denen ein offenes, friedliches und demokratisches Europa verhöhnt und bekämpft wird. Nutzt den Spielraum, den unsere Verfassungen uns bieten: sich einzubringen für das Projekt eines in seiner Vielfalt geeinten Kontinents. Unterstützt durch Eure Stimme die europafreundlichen Parteien. Den Brexit gibt es nur, weil junge Leute nicht zur Abstimmung gegangen sind. Engagiert Euch in Versammlungen und Demonstrationen. Seid besonnen und kritisch im Umgang mit den sozialen Medien. Schärft den Blick für falsche Propheten völkischer Provenienz und bleibt unerbittlich im Aufdecken ihrer haltlosen Versprechungen.
Und habt den Mut, Euch zu dem zu bekennen, was Ihr noch immer Eure Ideale nennen dürft. Denn es geht um Euer Europa!“
  
 
 
 
   
 
 
   
 
   
   
 
Die Zahl
 
 
   
100 Millionen Euro

Summe, die das BMBF von 2016 bis 2019 bereitstellt, um geflüchteten Studierenden den Eintritt ins Hochschulsystem zu ermöglichen. 
 
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Dr. Katja Simons

Leiterin des New Yorker Verbindungsbüros der Freien Universität Berlin und der LMU München
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Früher blickten viele deutsche Hochschulen nach Vorbildern jenseits des Atlantiks. Heute scheint sich das Blatt zu wenden. Insbesondere das Engagement deutscher Hochschulen bei der Integration von Flüchtlingen beeindruckt viele US-Kollegen. Aber auch Erasmus+ unterstreicht die Vorreiterrolle Europas bei der Förderung transnationaler Mobilität.

Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Kommunikation in einem Wissenschaftsbetrieb nach innen und außen. Wir brauchen eine Organisations- und Kommunikationskultur, das Silodenken verhindert und eine effektive Kommunikation wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Gesellschaft hinein. Das ist primär eine Frage emotionaler Intelligenz in Form von Empathie und Zusammenarbeit.

Lektüre muss sein. Welche?
Täglich Zeitung, 2x wöchentlich ChancenBrief, World University News, The Chronicle, zwischendurch Tweets, aber am schönsten sind echte Bücher, die man nicht mehr weglegen möchte: Neulich erst Das Trugbild (Hägring 38) von Kjell Westö.

Und sonst so?
Das afrikanische Sprichwort passt fast immer: If you want to go fast, go alone. If you want to go far, go together.
   
   
 
 
   
 
 
   
 
   
   
 
Dr. acad. Sommer
 
 
   
   
Liebes Dr. acad. Sommer-Team,
neulich bei einem Vorsingen gewesen. Berufen wurde eine Person, die trotz fünfjähriger Postdoc-Zeit genau null Publikationen vorwies – dabei war die „Publikation einer Monographie sowie weiterer Schriften“ laut Ausschreibung „zwingend“. Dieser lapidare Umgang mit Ausschreibungskriterien empört mich zutiefst. Was tun? – Ratlos, X.

Liebe(r) X,
wie ärgerlich! Formal gesehen könnte das Berufungsverfahren nicht einmal zu beanstanden sein: Denn die Auswahlkriterien haben innerhalb einer gewissen Bandbreite den Charakter einer Theorie. Und als gute Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler setzen die Beteiligten alles daran, diese Theorie in der Praxis zu überprüfen und wenn möglich zu widerlegen. Ob dies die richtige Entscheidung der Kommission war – zeigt nur die Zeit. Einerseits.
Andererseits: Ihre Erwartung ist berechtigt, dass auf die offiziellen Spielregeln Verlass ist. Ihr Ärger, Ihre Ratlosigkeit und Empörung sind nachvollziehbar. Wohin mit all dieser Energie?
– Was immer Sie tun – tun Sie nur etwas, was Sie auch in zehn oder 15 Jahren eine gute Entscheidung finden würden. Keine Schnellschüsse, und nichts, womit Sie vor allem sich selbst schaden könnten. Und tun Sie es nicht alleine – „einsam gegen das System“ ist generell vertane Energie. Aussichtslos.
– Trennen Sie die Enttäuschung, dass Sie – trotz Erfüllung der Kriterien – nicht berufen wurden, von der Verärgerung, dass (und wie) jemand anderes – trotz Nicht-Erfüllung der Kriterien – berufen wurde. Das sind zwei verschiedene Bühnen. Ersteres ist frustrierend, aber Ihre individuelle Angelegenheit; letzteres ein politisches Thema, welches mit offiziellen und inoffiziellen Spielregeln zu tun hat.
– Überlegen Sie, welche Botschaft Sie mit Wort und Tat verbreiten wollen. Schwierig sind Botschaften „gegen“ etwas (z.B. „An der Universität X herrscht das Böse!“). Es bewähren sich statt dessen Botschaften „für“ etwas (z.B. „Gute Personalauswahl fängt bei der Stellenausschreibung an!“).
– Sollten Sie gelegentlich selber in die Situation gelangen, bei einer Berufungskommission (oder einem anderen Auswahlverfahren) mitzuwirken, nehmen Sie sich vor, aus dieser leidvollen Erfahrung zu lernen – beispielsweise, indem Sie die Kriterien realistischer formulieren oder von vornherein den Fall mitdenken, dass jemand einzelne davon nicht erfüllt, den Sie aber trotzdem gerne hätten. Werden Sie das gute Beispiel, nicht das schlechte.
Nutzen Sie Ihren Zorn über das Erlebte als Schwung für Ihr eigenes Vorankommen, für Ihren Weg in Forschung und Lehre – und sparen Sie einen kleinen Teil auf für systemverändernde Maßnahmen. Nicht „um jeden Preis“ und solange die Wunde noch offen ist, sondern dann, wenn der Moment gekommen ist. Er wird kommen.

Dr. Boris Schmidt ist Coach, Berater und Mediator in Berlin. Er schreibt für das Coachingnetz Wissenschaft als "Dr. acad. Sommer".

PS: Disclaimer! Dr. acad. Sommer hat zu Ihrem Anliegen die Rechtsabteilung konsultiert – und drei verschiedene Einschätzungen erhalten. Das heißt: vor Gericht wäre alles möglich, auch „formal alles einwandfrei“.
   
   
Auch eine Frage an Dr. acad. Sommer? Schreiben Sie an chancen-brief@zeit.de, twittern Sie unter #ChancenBrief – oder hinterlassen Sie uns in diesem Kontaktformular anonym Ihre Frage!
   
 
 
   
 
   
   
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
   
Die Bundesbrüder Burschenschaften wie die Berliner Gothia bilden das akademische Rückgrat der Neuen Rechten. Warum sie Zulauf haben

Bist du Mitglied? Der Journalist Takis Würger hat zwei Jahre in Cambridge studiert – und ließ sich dort zu seinem ersten Roman inspirieren. Ein Vorabdruck aus „Der Club“ „Als seien sie die Könige der Welt“ Die geheimen Studentenclubs aus dem Roman gibt es wirklich. Wie geht es da zu? Ein Gespräch mit dem Autor Takis Würger Studie: Gigantischer Wissenshunger Die Hochschulen wachsen weltweit – und unkontrolliert Guten Morgen, Frau Lehrerin! An einigen Berliner Grundschulen lernen Migrantenkinder jetzt Arabisch. Dient das der Integration?

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
 
   
 
   
   
 
c.t.
 
 
   
 
Schäden am besetzten Sozialwissenschaftlichen Institut der Berliner HU.

Quelle: Humboldt-Universität zu Berlin
 
 
 
 
 
 
 
 
 
   
Hatschi! (Und schöne Woche Ihnen.)

Ihr CHANCEN-Team

PS: Gefällt Ihnen der CHANCEN Brief, dann leiten Sie ihn gern weiter. Haben Sie ihn weitergeleitet bekommen, melden Sie sich ganz einfach und unverbindlich an –  unter www.zeit.de/chancen-brief. Dann schicken wir Ihnen den Newsletter, solange Sie wollen, immer montags und donnerstags zu.
 
 
 
 
 
 
   
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