Rivalen der Informatik | Open Access in der Schweiz | 3 ½ Fragen an Andre Wilkens | Dr. acad. Sommer antwortet

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
Premiere! Dr. acad. Sommer gibt sich in diesem Chancen Brief erstmals die Ehre. In der neuen Ratgeber-Rubrik für große und kleine Probleme im Wissenschaftsbetrieb beantwortet unser Experte Uli Rockenbauch die erste Frage aus dem Chancen-Brief-Leserkreis, die wieder einmal deutlich macht: Die Berufungsverhandlung ist immer noch eine Blackbox. Handfeste Tipps zum Leben und Arbeiten in der Wissenschaft gibt auch Andre Wilkens, der in den 3 1/2 Fragen für Langmut und Hartnäckigkeit plädiert. "Dranbleiben" lautet Wilkens' Devise, der wir uns gern anschließen.
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Rivalen der Informatik
Klotzen, nicht kleckern: Nach Berlin möchte nun auch Hamburg zur ersten Adresse für Informatik in Deutschland werden (ZEIT Online, NDR, Welt, News4teachers). 35 Professuren und bis zu 1500 zusätzliche Studienplätze will Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank schaffen, die ersten Berufungen sollen im Sommer 2018 erfolgen. Hamburg veranschlagt für seine Informatik-Offensive rund 33 Millionen Euro. Das hört sich stattlich an, allein: Berlin trumpfte im vergangenen September bereits mit 50 Professuren und einem Zusatz-Budget von 38,5 Millionen Euro für die Informatik auf (Tagesspiegel). Vorteil für Berlin, doch das Rennen der Rivalen ist offen: Qualität geht schließlich vor Quantität, und München ist ja auch noch da.
 
 
  
 
 
Schweiz schaltet 2024 auf Open Access
Das nennt man konsequent: Die Schweiz bekennt sich nicht einfach nur allgemein zu Open Access in der Wissenschaft. Sie setzt sich auch eine klare Frist für die Umsetzung. Bis 2024 sollen alle Publikationen öffentlich und kostenfrei zugänglich sein, die aus staatlich finanzierten Projekten stammen (barfi.ch, netzpolitik.org). So sieht es die jetzt verabschiedete Open-Access-Strategie vor. Hinter hier stehen die Universitäten, der SNF und die Schweizer Regierung. Bis Sommer soll ein Aktionsplan zur Umsetzung der Strategie erarbeitet sein. Damit legt die Schweiz ein beeindruckendes Tempo vor. Anders als Deutschland. Seit rund zehn Jahren wirbt die Wissenschaft in der Bundesrepublik für das Prinzip, Publikationen kostenfrei öffentlich zugänglich zu machen. Unterstützt wird sie vom BMBF, das seine Open-Access-Strategie vergangenen Herbst mit einer Klausel versah. Wissenschaftliche Artikel aus BMBF-Projekten sollen entweder gleich unter einem Open Access-Modell publiziert oder nach Ablauf einer Embargofrist in einen Dokumentenserver eingestellt werden. Solche politischen Open-Access-Richtlinien sind bei Wissenschaftlern an der Basis höchst umstritten, wie sich im Themen-Archiv der ZEIT nachlesen lässt. Der Widerstand beschäftigt auch Gerichte. Kurz vor Jahresschluss reichten 17 Professoren in Konstanz Klage gegen ihre Universität ein, weil sie in deren Open-Access-Direktive einen Verstoß gegen die grundgesetzlich garantierte Wissenschaftsfreiheit sehen (Deutschlandfunk, Buchreport).
  
 
 
Respekt, liebe Hochschulen!
Das Engagement deutscher Hochschulen bei der Integration Geflüchteter bleibt international nicht unbemerkt. Das US-Onlinemedium Inside Higher Ed veröffentlichte kürzlich einen lesenswerten Beitrag zu Programmen, die Geflüchteten den Zugang zu akademischer Bildung erleichtern sollen. Der kenntnisreiche Artikel zeigt aber auch, worunter viele Initiativen im deutschen Hochschulsystem leiden: „Ambitious institutional plans often require the support of state and federal authorities that may or may not be developing goals and funding schemes aligned with those initiatives.”
  
 
 
Brain drain aus Finnland
Wohin drastische Einsparungen im Wissenschaftssystem führen können, lässt sich aktuell ganz gut in Finnland beobachten. Nach jüngsten Erhebungen der finnischen Statistikbehörde wanderten bis 2015 allein 37 Prozent mehr Postdocs aus als noch im Jahr 2011. Auch etablierte Wissenschaftler verlassen Finnland.  “It felt pretty hopeless to continue doing high-level basic research in Finland,” zitiert THE den Mathematiker Jukka Corander. Der Finne forscht seit kurzem an der Universität Oslo und beschreibt die Situation in seinem Heimatland so wie viele Wissenschaftler: als Katastrophe. Im Zuge der Wirtschaftskrise hatte die Regierung von 2012 an die Budgets von Hochschulen und Forschungseinrichtungen stark gekürzt. Knapp 5200 Stellen sollen seitdem in der Wissenschaft eingespart worden sein (Kooperation international, University World News).
  
 
 
Neues vom Trumpelpfad
Und mag man es sich noch so sehr anders wünschen wollen, es nützt ja nichts: Donald Trump waltet unbeirrt seines Amtes. So berief er den evangelikalen Chef der Liberty University (Lynchburg/Virginia) Jerry Falwell an die Spitze einer Kommission, die das US-Hochschulsystem reformieren soll (USA Today, World Religion News). Zu wissen ist über Falwell unter anderem, dass er Waffen auch auf dem Campus gut findet (Chronicle). Um die Vermeidung weiterer Gewalt ging es vergangene Woche dagegen der Universität Berkeley, als sie einen zunächst geplanten Auftritt des umstrittenen rechtspopulistischen Bloggers und Trump-Anhängers Milo Yiannopoulos aus Sicherheitsgründen kurzfristig absagte. Ganz zum Ärger von Donald Trump: Er drohte der Universität Berkeley unverzüglich via Twitter mit dem Entzug staatlicher Fördermittel, weil sie die Meinungsfreiheit missachte (Voice of America, Spiegel Online).
  
 
 
 
   
   
   
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Die Zahl
 
 
   
1260 Euro

können die monatlichen Unterschiede bei den Bruttogehältern von Professoren in den Ländern betragen. 8510 Euro verdienen Hochschullehrer durchschnittlich in Bayern, ihre Kollegen in Mecklenburg-Vorpommern dagegen 7250 Euro
 
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Andre Wilkens

Der Vorstand der Initiative Offene Gesellschaft ist Autor des Bestsellers "Analog ist das neue Bio" und war in leitender Funktion unter anderem bei der Stiftung Mercator tätig.
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Dranbleiben lohnt sich, auch wenn es einem manchmal aussichtslos vorkommt. Wenn man an etwas glaubt und die Zeit investiert, wenn man dranbleibt, wird es auch zu etwas führen. Echt. Nicht unbedingt genau zu dem Ergebnis, dass man im Auge hatte, aber etwas, vielleicht sogar etwas viel besseres als geplant. Vielleicht kommt ein Kontakt heraus zu jemand, der einen auf eine neue Spur setzt. Dranbleiben.

Die aktuell größte Fehlinvestition der Wissenschaftslandschaft?
Gibt es so etwas überhaupt? Beispiel Humboldt Forum in Berlin. Hunderte Millionen Euro wurden investiert, um ein preußisches Schloss wieder aufzubauen und ihm dann einen Sinn zu geben, durch Kunst, Kultur und Wissenschaft. War es eine Fehlinvestition? Definetly Maybe. Aber nun ist es bald da. Tausende Menschen wird es anziehen. Tolle Ausstellungen werden gemacht werden. Es wird sich etwas ergeben. Irgendwann wird es nicht mehr wegzudenken sein aus Berlin. Und nach ein paar Jahren wird jemand mit einem echten Konzept kommen und das Forum wird aufblühen. Oder es bleibt einfach ein Touristenmagnet. Wer kann dann schon sagen, ob es eine Fehlinvestition war.

Lektüre muss sein. Welche?
Wieder mal einen Klassiker lesen, z.B. 1984 von George Orwell. Der ist wieder ziemlich aktuell.

Und sonst so?
Wir leben in interessanten Zeiten. Später wird man Dich fragen: wo Du warst und was Du gemacht hast damals. Wenn man dann nicht ins Stammeln geraten will, sollte man jetzt etwas tun.
   
   
 
 
   
 
 
   
 
   
   
 
Dr. acad. Sommer
 
 
   
   
Lieber Dr. acad. Sommer – Vorsingen beendet, meine erste Professur wartet. Hurra! Aber: Jetzt steht die Berufungsverhandlung an, und ehrlichgesagt weiß ich gar nicht genau, wie so etwas abläuft. Was muss ich beachten?
Betrachten Sie’s am besten als eine wilde Mischung aus Gehaltsverhandlung, Zielvereinbarung und Projektplanung. Die Uni möchte dabei drei Dinge: Dass Sie Ihre Aufgaben in der Lehre gut abdecken, dass Sie schnellstens zum Superstar der Forschung avancieren – und das alles natürlich, drittens, zum Sparpreis.
Vorab können Sie bereits Ihre Erwartungen formulieren in Bezug auf:
– Grundausstattung mit Sachmitteln und Personal (inkl. Sekretariat und Hilfskräften) 
– Art und Umfang der Räumlichkeiten
– Spezielle Infrastruktur, z.B. Rechencluster
– … und jetzt kommt was Seltenes: Sie dürfen hier auch an sich und Ihre Familie denken! Das kann z.B. eine Erstattung von Umzugskosten sein, oder auch ein Kita-Platz vor Ort. 
Meist weniger verhandelbar, aber trotzdem wichtig:
– Umfang der Lehrverpflichtung  
– Zustand der Räumlichkeiten: Alles schick? Oder fällt der Putz von der Decke?
– Möglichkeiten eines Forschungsfreisemesters
– Hochschulinterne Fördertöpfe für dieses und jenes
Am Ende sollten Sie alle Vereinbarungen sauber dokumentieren – als Protokoll, oder sogar in Form eines Vertrags.
Wenn Sie über eine W2-Professur verhandeln (oder etwa gleich W3? Respekt...), müssen Sie auch Ihre eigenen Leistungsbezüge aushandeln, mit denen das Grundgehalt aufgestockt wird. Wie so oft, kocht jedes Bundesland hier sein eigenes Süppchen, informieren Sie sich also vorher gut über die genaue Regelung an Ihrer Hochschule. Die meisten Unis nutzen diese Leistungsbezüge außerdem als Instrument für Zielvereinbarungen: Das kann z.B. die Einwerbung von Drittmitteln sein, die Konzipierung eines Master-Studiengangs oder die Teilnahme an einem neuen SFB, den der Fachbereich gerade plant. Um dabei Ihren eigenen Star-Bonus richtig zu verhandeln, sollten Sie Ihren Marktwert gut kennen – je unentbehrlicher Sie sind, desto besser!
Können Sie hier zu hoch pokern, so dass die Verhandlungen scheitern? Ja, können Sie. Im Prinzip. Aber dazu müssten Sie schon eine echte Diva sein. Und das sind Sie ja hoffentlich nicht.

Dr. Uli Rockenbauch ist Persönlicher Referent der Geschäftsführerin der Helmholtz-Gemeinschaft und berät die Scientific Community im ZEIT CHANCEN Brief als "Dr. acad. Sommer".
   
   
Auch eine Frage an Dr. acad. Sommer? Schreiben Sie an chancen-brief@zeit.de, twittern Sie unter #ChancenBrief – oder hinterlassen Sie uns in diesem Kontaktformular anonym Ihre Frage!
   
 
 
   
 
   
   
 
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Alles in Ordnung, Jesper Juul? Er ist der berühmteste Familientherapeut Europas. Millionen Eltern suchen seinen Rat. Von 
seinem schweren Schicksalsschlag wissen sie nichts. Eine Begengung in Dänemark

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c.t.
 
 
   
 
Fehlbesetzung! So umwerfend Desmond Wilkinson Llewelyn als genialer Tüftler und 007-Ausstatter Q in vielen James-Bond-Filmen auch war, in echt erledigt den Job natürlich eine Wissenschaftlerin. "Ich freue mich, Ihnen zu sagen, dass Q in Realität eine Frau ist“, sagte MI6-Chef Alex Younger britischen Medienberichten zufolge kürzlich bei der Verleihung eine Technologie-Preises für Frauen, und „sie wäre begeistert, Sie kennenzulernen" (Guardian, Independent). Q, wir kommen!

Quelle: wikimedia
 
 
 
 
 
 
 
 
 
   
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