Simsalabim im Fall Holm | Erdogan schasst 330 Forscher | Standpunkt Jan-Martin Wiarda: Wellen um Wankas FH-Pläne | 3 ½ Fragen an Klaus Zierer

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
Nerven und klare Kante zu zeigen, das scheint langsam auch in der Scientific Community en vogue zu werden. Stoppt den Digitalisierungswahn, fordert Klaus Zierer in den 3 1/2 Fragen. Der Augsburger Ordinarius für Schulpädagogik hat offensichtlich die Nase voll von Studierenden, die ständig auf ihre Handys starren und Vorlesungen zum Taubenschlag machen. Digitalisierungsfreundin Johanna Wanka plagen dagegen aktuell ganz andere Sorgen. Ihre Pläne zum FH-Professorenprogramm schlagen Wellen. Erfahren Sie mehr dazu im Standpunkt unseres Autors Jan-Martin Wiarda.
   
 
 
   
 
   
   
 
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Simsalabim im Fall Holm
Ach, wie reizend! Der wegen seiner Stasi-Vergangenheit kürzlich zurückgetretene Berliner Baustaatssekretär Andrej Holm darf seinen Arbeitsplatz an der Humboldt-Universität nun doch behalten. HU-Präsidentin Sabine Kunst zog am Freitag Holms Kündigung zurück und verwandelte selbige in eine Abmahnung (RBB, Focus, Welt, Spiegel). Wie sowas kommt? Ganz einfach: Der Stadtsoziologe hatte das gewünschte Büßerhemdchen angelegt und in einer von der HU dann auch in Auszügen veröffentlichten Erklärung eingeräumt, dass er a) der Universität gegenüber falsche Angaben hinsichtlich seiner Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR gemacht hatte und b) genau dieses bedaure. Simsalabim! Jetzt ist das Vertrauensverhältnis für Kunst „zwar gestört, aber nicht mehr vollständig zerstört“, heißt es in der HU-Pressemitteilung. Ob es allein der Kotau war, der die überraschende Wende im Fall Holm möglich machte, darüber lässt sich nun trefflich spekulieren. Feststeht, dass Holm und Kunst der HU auf diese Weise ein langwieriges Arbeitsgerichtsverfahren ersparten. Juristen hatten dem gekündigten Wissenschaftler gute Erfolgschancen bei Gericht eingeräumt (taz, Tagesspiegel).
  
 
 
Erdogan schasst 330 Forscher
Wer aufmuckt, kriegt Ärger. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan geht weiter mit unverminderter Härte gegen kritische Wissenschaftler vor. Vor wenigen Tagen ordnete Erdogan die Entlassung von weiteren rund 4.500 Staatsdienern an, darunter 330 Wissenschaftler (Eurotopics, Standard). An der Universität Ankara wurden Proteste gegen die Massenentlassung noch am Freitag von Sicherheitskräften gewaltsam aufgelöst (Spiegel). Seit dem vereitelten Militärputsch am 15. Juli verloren insgesamt rund 124.000 Staatsdiener ihre Posten. Nach Informationen des türkischen Hochschulrats YÖK war die jüngste Liste unliebsamer Wissenschaftler von den Universitäten selbst zusammengestellt worden (Hürriyet Daily News). Das Gros der geschassten Forscher gehört dem Netzwerk „Akademiker für den Frieden“ an, das sich vergangenes Jahr für ein Ende der Militäreinsätze in den kurdischen Gebieten der Türkei eingesetzt hatte (ZEIT). Gefeuert wurden aber auch Hochschullehrer, die wie der renommierte Verfassungsrechtler Ibrahim Kaboglu öffentlich Kritik an der geplanten Verfassungsänderung üben (SZ). Die Reform garantiert Erdogan Machtzuwächse und  ermöglicht ihm eine Amtszeit bis 2034. Das Parlament stimmte der Verfassungsänderung Ende Januar zu, eine Volksabstimmung folgt am 16. April. Unterdessen weitet die Humboldt-Stiftung ihr Engagement für verfolgte Wissenschaftler mit Hilfe des Auswärtigen Amtes aus und nimmt im Frühjahr weitere Stipendiaten im Philipp Schwartz-Programm auf. Aktuell werden insgesamt 69 Forscher aus der Türkei, Syrien, dem Irak, Burundi, Jemen, Libyen, Pakistan, Sudan, Tadschikistan und Usbekistan über die Initiative gefördert, die nach dem jüdischen Pathologen Philipp Schwartz benannt ist. Er floh 1933 vor den Nationalsozialisten aus Deutschland in die Schweiz, gründete die „Notgemeinschaft deutscher Wissenschaftler im Ausland“ und trug maßgeblich zum Aufbau des türkischen Hochschulsystems nach westlichem Vorbild bei. Europaweit gibt es heute zahlreiche Hilfsangebote für Wissenschaftler und Studierende auf der Flucht. Die EUA listet auf ihrer Webseite mittlerweile rund 250 Initiativen in 31 Ländern.
  
 
 
Liebes Führungstagebuch
Miese Chefs lassen sich ja nun nicht einfach so pauschal verteufeln. Coaches, Sachbuchautoren und ganze Weiterbildungsunternehmen haben ihnen schließlich ihr Geschäftsmodell zu verdanken. Nicht ganz schlecht fährt mit der Führungsschwäche aber auch die Wissenschaft, wenn sie es denn versteht, aus den Niederungen des bundesdeutschen Führungsalltags neue Forschungsansätze zu entwickeln. An der Universität Bamberg starten Arbeits- und Organisationspsychologen jetzt zum Beispiel die StudieGesunde Führung: Führungskräfte im Fokus“ und suchen dafür Vorgesetzte, die über ihren Arbeitsalltag und die tägliche Interaktionen mit ihren Mitarbeitern in einem Online-Tagebuch Auskunft geben. Aufregend, lesen wollen!
  
 
 
Norwegens Forschungsrat gedisst  
Spitzengehälter und ein üppiges Personalpolster: Norwegens Forschungsrat hat fette Jahre hinter sich. Jetzt muss die staatlich finanzierte Förderorganisation abspecken und ihre administrativen Kosten senken. Wissenschaftsminister Torbjørn Røe Isaksen kündigte für 2018 Kürzungen an und folgt damit dem Rat einer Expertengruppe. Die Wissenschaftler mit Siri Hatlen an der Spitze hatten den Forschungsrat evaluiert und festgestellt: In der Verwaltung sitzen zu viele und zu gut bezahlte Beschäftigte (University World News). Um jährlich rund eine Milliarde Euro Forschungsgelder in Norwegen zu verteilen, bringt die Organisation 88 Millionen Euro administrative Kosten in Anschlag. Diese Verwaltungsausgaben sollen um jährlich 9 Millionen Euro gesenkt, und etwa 40 der aktuell 400 Stellen gestrichen weden. Negativ aufgefallen ist auch das Gehaltsniveau im Topmanagement. So verdient Forschungsratschef Arvid Hallén mit jährlich rund 250.000 Euro mehr als Norwegens Premierministerin Erna Solberg. Rund ein Drittel der staatlichen Fördergelder für die Wissenschaft werden in Norwegen über den Forschungsrat vergeben. Dass und wie sich Forschungsgelder mit einem deutlich niedrigerem Verwaltungsaufwand verteilen lassen, macht die DFG mit ihren aktuell rund 780 Beschäftigten vor. 2015 verfügte sie über ein Gesamtbudget von rund 3 Milliarden Euro, 2,2 Prozent davon (64,8 Millionen Euro) gingen für administrative Ausgaben drauf. Bei Norwegens Forschungsrat sind es knapp 10 Prozent.
  
 
 
Hey, Teacher, leave us Kids alone!
Wann haben Sie eigentlich zuletzt Pink Floyd gehört? Es gäbe nämlich einen aktuellen Anlass, das 1979 erschienene Album „The Wall“ aus dem Schrank zu ziehen und sich beim Titel „Another Brick in the Wall“ zu vergegenwärtigen, wie Schüler im England der 50er Jahre unter Lehrern litten. Heute scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Englische Lehrer haben Angst im Klassenzimmer und finden Body Cams gut. Britischen Medien zufolge werden die Kameras jetzt an zwei Schulen getestet (BBC, Guardian, Independent). Das ist in der Öffentlichkeit zwar heftig umstritten. Einer am Freitag im Times Education Supplement veröffentlichten Befragung zufolge fühlen sich jedoch zwei Drittel der Befragten Lehrer mit einer Body Cam sicherer. Und die Schüler?
  
   
 
 
   
 
   
   
 
Die Zahl
 
 
   
38,5 Prozent

beträgt der aktuelle Frauenanteil im EU-Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020
 
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Prof. Dr. Klaus Zierer

Ordninarius für Schulpädagogik an der Universität Augsburg
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Dass ich an der Universität einen Erziehungsauftrag habe. Konkret: Vor Kurzem war eine sehr renommierte Kollegin zu Besuch in meiner Vorlesung. Die anwesenden Studierenden hebten kaum den Blick, spielten die meiste Zeit mit ihren Smartphones, verließen die Veranstaltung zeitweise auch wie sie wollten. Eine Brandrede meinerseits war die Folge, in der es „nur“ um Wertschätzung, Humanität und Anstand ging.

Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Akkreditierungen, indem man diesen Unsinn einfach lässt – und man sogar Geld spart. Modulbeschreibungen zu lesen, fiktive Kreditpunkte zu berechnen und an Formulierungen herumzudoktern, all das kann man machen, wenn man Zeit und Geld hat. Eine nachhaltige Qualitätsverbesserung hat es nicht zur Folge, weil nicht die Struktur der Ort der Bildung ist, sondern die Interaktion zwischen Menschen. Zum Glück scheren sich viele nicht, was in den tausenden von Berichtsseiten steht.

Lektüre muss sein. Welche?
Die Werke von Ken Wilber – sie können helfen, nicht nur Lagerk(r)ämpfe in den Wissenschaften zu verstehen und zu lösen, sondern sogar ganz alltägliche Phänomene. Ob Postrukturalismus, Konstruktivismus, Existenzphilosophie oder Metaphysik, ob Trump, AfD, aber auch Terrorismus und Fanatismus, die Philosophie von Ken Wilber deckt die innewohnenden Verkürzungen auf und ebnet damit den Weg für Humanität und Kooperation.

Und sonst so?
Stoppt den Digitalisierungswahn! Wir sind gerade dabei, unser Menschsein zu verlieren. Wie ferngesteuert sitzen viele Menschen vor ihrer Technik und jedes Piepsen bringt sie dazu, den Blick vom Menschen weg zu den Geräten zu lenken. So wichtig Digitalisierung auch sein mag und so sehr sie Teil unserer Gesellschaft ist: „Mensch vor Technik!“ scheint mir eine der dringlichsten Maximen für die Zukunft zu sein.
   
   
 
 
   
 
   
   
 
Standpunkt
 
 
   
   
von Jan-Martin Wiarda
Wellen um Wankas FH-Pläne
Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) hat endlich gesagt, wie sie sich das lange versprochene FH-Professorenprogramm vorstellt, und die Fachhochschulen fühlen sich bestätigt. Zunächst einmal in ihrer Skepsis. Denn während das Uni-Pendant (Stichwort „Tenure Track“) längst läuft, bleibt Wankas Ansage Richtung Fachhochschulen im Ungefähren. Einen bundesfinanzierten Instrumentenkasten zur Personalentwicklung könne sie sich vorstellen, sagt sie und nennt ein paar Schlagworte: Schwerpunkt- und Teilzeit-Professuren, Tandemprogramme. Wenn die Fachhochschulen ganz andere Ideen hätten, sei das aber auch in Ordnung – solange sie couragierte, in sich stimmige Personalstrategien zur Begutachtung einreichten. Fragen zum Volumen oder zur Laufzeit des Wettbewerbs möchte die Ministerin gleich gar nicht beantworten. Dafür stehe fest, dass es vor der Bundestagswahl keine Bund-Länder-Vereinbarung mehr geben wird.
Was deutlich wird in dem Interview, sind die Zwänge einer Ministerin vor dem Ende der Legislaturperiode: Das Geld ist verplant, die Autorität des Amts reicht nur bis zur Abrisskante der nächsten Bundestagswahl. Dass die Große Koaliton es versäumt hat, nach Exzellenzstrategie, Innovativer Hochschule und Tenure-Track-Programm noch rechtzeitig die Weichen für die Fachhochschulen zu stellen, kann man Wanka anlasten. Allerdings haben auch andere Bildungspolitiker aus Union und SPD lange Zeit auffällig viel über Exzellenzunis und nur gelegentlich mal über die angewandte Wissenschaft gesprochen.
Und doch steckt in dem Vorstoß Wankas eine Gelegenheit für die Fachhochschulen. Die Idee, ihnen kein One-Fits-All-Programm vorschreiben zu wollen, sondern ihnen die Freiheit für kreative Eigenschöpfungen zu lassen, kann man als beliebig abkanzeln. Oder als mutig loben, als angemessene Form der politischen Selbstbeschränkung. Die Ministerin hat angekündigt, die Eckpunkte mit den Ländern bis zum Sommer festzuzurren. Wenn ihr das gelänge und sie dabei versprochenen Freiräume im Programm erhielte, könnten die Fachhochschulen ihr am Ende doch noch dankbar sein. Indes: Ziemlich viele Konjunktive in einem Satz.
   
   
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Wenn Schüler provozieren ...« Rechte Populisten deuten die Geschichte um. Was lässt sich dagegen tun? Fragen an das Historiker-Ehepaar Dirk und Jeannette van Laak

Auf dem Rückzug Die Politikwissenschaft ist inhaltsleer und irrelevant, sagt der Politikwissenschaftler Carlo Masala Kommt vorbei, stellt Fragen! Eine Studie zeigt, was die Leistung von Studenten steigert Reicht’s? Angst vor Altersarmut ist bei jungen Menschen verbreitet. Trotzdem sorgen sie nicht vor. Wir rechnen nach, was das für sie bedeutet »Brauchen wir Reli noch?« Über diese Frage stritten hier vor einigen Wochen drei ZEIT-Redakteure. Selten erreichten uns zu einem Thema anschließend so viele Briefe und Kommentare. Wir dokumentieren weitere Ansichten

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c.t.
 
 
   
 
Satisfaktion im Hörsaal: Jörg Kachelmann ist wieder da und hört neuerdings Alice Schwarzer. Der ehemalige TV-Starmeteorologe war 2011 nach einem spektakulären Prozess vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen worden und hatte sich seitdem in der Öffentlichkeit rar gemacht. Jetzt besuchte Kachelmann im studentischen Schlabberlook die Universität Köln, um dort einen Vortrag von Frauenrechtlerin Alice Schwarzer über „(Sexual)Gewallt gegen Frauen und Recht“ zu hören und schließlich das Wort zu ergreifen: „Es gibt hier drin nur eine einzige verurteilte Täterin, und die sitzt da vorne“, erklärte Kachelmann in Anspielung auf Schwarzers Steuerhinterziehung (You Tube, SZ, Kölner Stadtanzeiger, Spiegel). Alice Schwarzer hatte für die Bild über den Kachelmann-Prozess berichtet und dem damaligen Angeklagten mit ihren Kolumnen heftig Contra gegeben.
Quelle: Wikimedia, 2016
 
 
 
 
 
 
 
 
 
   
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