| Guten Morgen, | | |
wie überfüllt Hamburgs Notaufnahmen sind, durften meine Familie und ich vor ein paar Wochen wieder mal erfahren. Meine zehnjährige Tochter war beim Spielen mit dem Kopf rückwärts gegen eine Wand gefallen und begann nach ein paar Tagen über Schwindel, Kopfschmerzen und Übelkeit zu klagen. Ihre Kinderärztin machte sich Sorgen und wollte per Magnetresonanztomografie (MRT) eine gefährliche Blutung im Kopf ausschließen lassen – und das schnell. Einen Termin in einer ambulanten Radiologie zu kriegen, wusste sie, würde Wochen dauern. Zu lange, wenn wirklich etwas wäre. Für sie gab es also nur einen Weg: eine Einweisung ins Krankenhaus. Meine Frau fuhr mit unserer Tochter ins UKE und war angesichts des Trubels in der Notaufnahme erleichtert, schon nach anderthalb Stunden mit einem Arzt sprechen zu können. Der untersuchte unsere Tochter kurz und bat darum, in der Nähe des Sprechzimmers zu warten. Weitere dreieinhalb Stunden vergingen, bis der Doktor bedauernd eröffnete, dass es an dem Tag keine Möglichkeit mehr für ein MRT geben werde – er aber nett anbot, bei der radiologischen Abteilung im Kinderkrankenhaus Altona per Fax zu fragen, ob unsere Tochter dort am nächsten Tag durchleuchtet werden könne. In Altona sagte man am Telefon erst, es sei kein Fax angekommen. Am nächsten Tag und einige Anrufe später hatte man zwar das Fax gefunden, aber das half nichts: Was dem UKE einfiele, jemanden in die Radiologie nach Altona schicken zu wollen, schimpfte jemand barsch am Telefon, »wir sind hier selber überfüllt und haben keine Termine«. Auch hier war die ärztliche Einweisung der besorgten Kinderärztin völlig egal – und hier stand das Verwalten des eigenen Mangels offenbar über dem Patienten- und in dem Fall sogar: Kindeswohl. Nach ratloser Rücksprache mit der Kinderärztin telefonierte meine Frau sämtliche ambulanten Radiologien durch. Die früheste Möglichkeit war dann ein MRT drei Wochen später. Allein den bewundernswerten kommunikativen Fähigkeiten meiner Frau ist es zu verdanken, dass es in doch »nur« drei Tagen klappte. Und Gott sei Dank war alles in Ordnung – aber das zu erfahren hatte volle zwei Arbeitstage und viel Energie verschlungen (!) Eine Studie von Professor Martin Scherer vom UKE zeigt nun, warum Notaufnahmen so an ihre Grenzen stoßen. Scherer befragte dazu Patienten in Klinik-Notaufnahmen. Das Ergebnis – das »Hamburger Abendblatt« berichtete zuerst: Die Hälfte der Leute räumte selber ein, sie seien gar nicht so krank, dass sie dringend behandelt werden müssten. Viele saßen aus Bequemlichkeit in der Notaufnahme, erklärte Scherer uns, weil eine Untersuchung fällig, aber keine Arztpraxis verfügbar war, nach dem Motto: »Ich gehe in die Notaufnahme, wenn ich Zeit habe, und dann warte ich halt ein paar Stunden.« Natürlich kommen auch Menschen in die Notaufnahme, bei denen das anders ist, denen keine Wahl bleibt, sei es aus gesundheitlichen Gründen, sei es wegen absurder Terminplanung von Arztpraxen oder anderen Zwängen unseres überforderten Gesundheitssystems. Und natürlich sind die Grenzen zwischen den einen und den anderen fließend. Deshalb ist es gut, dass nächste Woche Hamburger Mediziner und Kliniken nicht nur über die Ergebnisse von Scherers Studie sprechen, sondern auch über die Einrichtung von »Portalpraxen« an den Notaufnahmen – wo niedergelassene Mediziner diejenigen behandeln können, die nicht unbedingt in die Notaufnahme gehören und überhaupt vielleicht nur deshalb ins Krankenhaus fahren, weil sie gar keinen Hausarzt mehr haben. Am Marienkrankenhaus etwa gibt es eine solche Kooperation seit Jahren, mit großem Erfolg.
G20-Sonderausschuss hat sich konstituiert Das Popcorn kann vorerst im Schrank bleiben: Der G20-Sonderausschuss hat sich zwar gestern zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengefunden, dabei aber – laut Plan – vor allem Formalitäten erledigt, wie zum Beispiel, den AfD-Antrag auf eine Ortsbesichtigung der Roten Flora abzulehnen. 19 Mitglieder unter dem Vorsitz von Milan Pein (SPD) haben laut Bürgerschaftskanzlei nun den Auftrag, »die gewalttätigen Ausschreitungen, die im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel in Hamburg stattgefunden haben, aufzuarbeiten und eine Analyse und ganzheitliche Betrachtung von Tat-, Täter- und Unterstützungsstrukturen, des bundesweit abgestimmten Sicherheitskonzeptes sowie weiterer relevanter Umstände vorzunehmen. Ziel ist es, die richtigen Lehren zu ziehen, damit sich so etwas in Hamburg nicht wiederholt.« Der Sonderausschuss wird den G20-Gipfel in drei Phasen untersuchen: »Aufarbeitung Vorbereitung G20«, »Aufarbeitung Durchführung G20« sowie »Aufarbeitung Nachbereitung G20/Konsequenzen« – auf gut Deutsch: vorher, während, nachher. Ob es einen Livestream und damit doch noch Grund für Popcorn geben wird, entscheidet sich in der nächsten Sitzung am 11. September. Danach wird der Sonderausschuss alle zwei bis drei Wochen zusammenkommen und dabei unter anderem Bürgermeister Olaf Scholz, Innensenator Andy Grote sowie Polizeieinsatzleiter Hartmut Dudde hören. Die Linke fordert nach wie vor die Einrichtung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der mehr Rechte hätte. |
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