Die Befehl und Gehorsam gewöhnten Uniformierten sollen den irrlichternden Oberbefehlshaber der Vereinigten Staaten von Amerika mäßigen und einhegen. Der demokratische Senator Richard Blumenthal aus Connecticut begründet diese Hoffnung so: Die Generäle seien die einzige "ruhige Hand am Steuer".
Hinter Präsident Trump und seinem Vize Mike Pence haben derzeit hochrangige Militärs die drei wichtigsten Ämter inne: James Mattis ist Verteidigungsminister und korrigiert, wie kürzlich bei seinem Besuch in der Ukraine, mal eben Trumps Russland- und Außenpolitik.
H. R. McMaster ist Nationaler Sicherheitsberater und hat maßgeblich dazu beigetragen, dass einige rechtsextreme Ideologen in Trumps Beraterteam
erst isoliert und dann rausgeschmissen wurden.
Auch John Kelly, Stabschef im Weißen Haus, hat daran entscheidend mitgewirkt. Auf seinen Schultern lasten besonders hohe Erwartungen, soll er doch den kaum zähmbaren Donald Trump zur Räson bringen, das Chaos in der Regierung stoppen und Ordnung und Vernunft zurück ins Oval Office bringen.
Demokratie auf den Kopf gestellt Den drei Ex-Generälen wird damit nicht nur großes Vertrauen geschenkt und geradezu Übermenschliches zugetraut, sondern sie erhalten als Vertreter des Militärs im zivilen Regierungssystem auch gewaltigen Einfluss und große Macht. Ein wichtiges Prinzip der Demokratie wird so auf den Kopf gestellt.
Es ist in den Vereinigten Staaten nicht ungewöhnlich, dass ehemalige Angehörige der Streitkräfte ein hohes Regierungsamt bekleiden. Die Präsidenten George Washington und Dwight D. Eisenhower waren Generäle. Doch auch in den USA, dieser ältesten aller Demokratien, ist es seit Anbeginn eine eiserne Grundregel, dass sich Militärs nicht in die inneren Angelegenheiten des Landes einmischen, dass sie unter strenger ziviler Kontrolle stehen und ihr Einfluss auf die Politik begrenzt bleibt. Kurzum: Die gewählten Volksvertreter bewachen die Generäle – und nicht umgekehrt.
Deshalb müsste es eigentlich zutiefst beunruhigen, wenn jetzt Generäle inständig darum gebeten werden, auf den vom Volk gewählten Präsidenten aufzupassen. Ebenso erschrecken sollte die Tatsache, dass die militärischen Institutionen der USA weit größeren Rückhalt in der Bevölkerung finden als die zivilen, der Kongress beispielsweise.
Wenn in der Vergangenheit Zivilisten nach Generälen riefen, um die Demokratie zu retten, hatte das meist schlimme Konsequenzen. Oft folgten Putsch und Militärdiktatur. Gegen diese Gefahr sind die Vereinigten Staaten selbstverständlich gefeit, weit besser sogar als die meisten Demokratien, denn die Verfassung und Institutionen der USA sind seit mehr als 200 Jahren krisenerprobt, stark und wehrhaft. Doch dass sich derzeit viele demokratisch gesinnte Amerikaner sehnlich wünschen, dass ausgerechnet Generäle den Präsidenten bändigen, ist nicht nur Ausdruck großer Verzweiflung, sondern demonstriert, wie tief die politische Krise greift.
Und auch das zeigt eine verkehrte Welt:
Während Präsident Donald Trump sich ziert, rechtsextreme, rassistische Demonstranten aufs Schärfste zu attackieren, ermahnt ihn sein Generalstab, nicht die Einheit der Nation aufs Spiel zu setzen. Und anders als der Präsident sehen einige seiner ranghohen Militärs im
Denkmalsturz von Südstaatengenerälen, die im US-Bürgerkrieg für Sezession und Sklaverei kämpften, keinen Angriff auf die amerikanische Geschichte und Kultur. Für sie ist es Ausdruck der Auseinandersetzung mit einer schmerzlichen Vergangenheit.
Die Südstaaten verklären ihre Kriegshelden bis heute Es gehört zu den äußerst schwierigen Aufgaben jeder Gesellschaft, sich ein umfassendes und einigermaßen gerechtes Bild von der eigenen Geschichte zu machen, nicht nur von den Ereignissen, sondern auch von den handelnden Personen. Aus heutiger Sicht mögen manche Einstellungen und Verhaltensweisen grundfalsch, ja, sogar menschenverachtend gewesen sein.
Zu gegebener Zeit jedoch waren sie womöglich Ausdruck allgemeiner Überzeugung. Politiker, Generäle, Revolutionäre, Gewerkschaftsführer und so weiter können mutige Menschen und geniale Denker und zugleich persönlich enorm fehlbar gewesen sein. Die Präsidenten George Washington und Thomas Jefferson waren weitsichtig und in vielem ihrer Zeit voraus, aber, wie so viele damals, hielten auch sie Sklaven.
Gerade wir Deutschen erfahren es jedes Mal aufs Neue: In der notwendigen Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit – der individuellen wie der gesellschaftlichen – stoßen Verdrängung, Verblendung und Geschichtsklitterung, Verbitterung und Übereifer oft hart aufeinander.
So geht es auch jetzt den Amerikanern im Streit um den Abriss von Standbildern der Südstaatengeneräle Robert E. Lee und Stonewall Jackson sowie des ehemaligen obersten Verfassungsrichters Roger B. Taney. Letzterer war Mitte des 19. Jahrhundert maßgeblich für ein Urteil verantwortlich, das Schwarzen, gleich ob sie Sklaven oder frei waren, die US-Staatsbürgerschaft verweigerte.
Für einige Amerikaner waren sie Kinder ihrer Zeit, aber trotzdem Helden, geniale Feldherrn und große Denker. Für andere, vor allem die Schwarzen, aber auch viele Weiße und Hispanics, repräsentieren diese historischen Figuren bis heute, was an Amerika falsch, verheerend und von Anfang an ein Geburtsfehler war.
In der Tat fällt es schwer, gerade diese drei Männer öffentlich zu ehren, standen sie doch, anders als George Washington und Thomas Jefferson, mit ihrem gesamten Streben, ihren Worten und Taten und – im Falle der Generäle – sogar mit ihrem Leben für den Erhalt und Fortbestand der grausamen Sklaverei ein.
Üblicherweise dominieren die Sieger, zumal die moralischen, die spätere Geschichtsschreibung. Doch der amerikanische Bürgerkrieg verkehrte diese Regel ins Gegenteil. Aus Angst, die Einheit der Nation erneut zu gefährden, ließ man es zu, dass die Unterlegenen, die Südstaaten, der Geschichtsschreibung ihren Stempel aufdrückten. Generäle wie Lee und Stonewall Jackson wurden zu mutigen, unbeugsamen Kriegshelden verklärt und bis weit ins 20. Jahrhundert mit immer neuen Denkmälern geehrt. Vor allem in den südlichen Bundesstaaten. Die Statue des furchtbaren Richters Taney durfte sogar bis vor wenigen Tagen noch mitten in Annapolis, unweit der Hauptstadt Washington, stehen.
Die meisten US-Präsidenten sahen sich in der Rolle des Schlichters. Nicht Donald Trump, er ergreift im Streit über die Denkmalstürmer Partei, schürt das Feuer und spaltet die Gesellschaft immer weiter. Nun mäßigen selbst in diesem Fall ausgerechnet einige Militärs.