Chinas langer Arm | Gastkommentar Jule Specht zur GAIN | 3½ Fragen an Imke Kahrmann | Total Eclipse of the Brain

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
Hallo nach San Francisco! Dort tummelt sich gerade das Who is Who der Scientific Community (plus einige Hundert Docs und Postdocs) bei der 17. GAIN-Tagung, dem „German Academic International Network“. Auch Jule Specht ist vor Ort, die Sprecherin der Jungen Akademie – sie hat zum Thema GAIN und Vereinbarkeit eine kritische Anmerkung im Gastkommentar. 3½ Fragen haben wir auch gestellt, und zwar an Imke Kahrmann. Sie studiert noch und saß neulich beim Wettbewerb „Eine Uni – ein Buch“ in der Jury.
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Türkei: Studierende gehen, der DAAD bleibt
Die Zahl der Erasmus-Studierenden in der Türkei geht deutlich zurück. 2014 gingen noch 6600 Studierende für einen Auslandsaufenthalt in die Türkei; 2016 waren es nur noch 2260. Kürzungen für den Austausch mit der Türkei seien aber nicht geplant – das Ziel sei es, „die Offenheit nicht noch dadurch zu erschweren, dass wir uns zurückziehen“, sagte Christian Müller, Direktor der DAAD-Strategieabteilung. Nachzulesen bei SpOn
  
 
 
China: Zensur von Fachpublikationen
Nur in der Theorie kennt Wissenschaft keine Grenzen, siehe oben. In Wahrheit beeinflussen Staatssysteme knallhart, wie weit die Vernetzung reichen darf. Aktuelles Beispiel: Die chinesische Verlags- und Pressebehörde hat sich an die Cambridge University Press (CUP) gewandt, wo die Fachzeitschrift The China Quarterly erscheint – und verlangt, einige Beiträge zu sperren. CUP gehorchte und sperrte 315 Aufsätze, machte die Entscheidung aber nach Protest der Scientific Community wieder rückgängig. „It is not the role of respected global publishing houses such as CUP to hinder such access. The China Quarterly will continue to publish articles that make it through our rigorous, double-blind peer review regardless of topic or sensitivity. Our publication criteria will not change: scientific rigour and the contribution to knowledge about China“, schreibt China Quarterly-Editor Tim Pringle in einem Statement. (NZZ; University World News
  
 
 
Private Hochschulen beklagen Autonomieverlust
Unglückliche Gesichter machen derzeit Rektoren und Rektorinnen an privaten Hochschulen in Deutschland. Das geht aus dem Hochschul-Barometer des Stifterverbands hervor. Demnach beklagen die privaten Hochschulen einen Autonomieverlust durch zunehmende staatliche Regulierung ihrer Einrichtungen. Als Ursachen nennt der Stifterverband steigenden Wettbewerbsdruck auf dem Sektor privater Hochschulen, derweil die Möglichkeit, staatliche Gelder einzuwerben (etwa aus dem Hochschulpakt), zugleich begrenzt bleibe.
  
 
 
Erinnern Sie sich?
Selbst Studierende und Wissenschaftler, deren Job es ist, zu lernen, nutzen das Internet als eine Art ausgelagerte Festplatte. Warum mühsam erinnern, was ich jederzeit ergoogeln kann? Die Neurobiologin Eve Marder hat dazu bei eLife Sciences ein lesenswertes Plädoyer für das Auswendiglernen geschrieben, das keineswegs technikfeindlich ist. These: Nur wer etwas weiß, kann auch kreativ werden: „We commonly say that we are looking for interdisciplinary and synthetic thinkers, who can make connections between disparate fields, and see new paths for discovery. I cannot imagine finding those creative leaders for the future among the legions of students who forget everything they have learned because they can 'just look it up'. How does one know what to look up if one has forgotten so much?“
  
 
 
Relax, Geisteswissenschaften!
Lustige Illustration (von Mrzyk & Moriceau) auf S. 63 der neuen ZEIT: zwei Gehirne, die lässig in einem Entspannungsbad hängen. Gemeint sind die Geisteswissenschaftler und Geisteswissenschaftlerinnen, die – so schreibt bei uns der Kunstwissenschaftler Daniel Hornuff – sich derzeit aufgrund übersteigerter Ansprüche hektisch in „leicht konsumierbare Produkte zerlegen“. Dabei bieten sie genau das Gegenteil: Distanz, Varianz, Relevanz, Brisanz. – Wenn Sie dieser Selbstbewusstseinsschub noch nicht überzeugt, blättern Sie bitte zum Beitrag des Kollegen Martin Spiewak aus dem WISSEN-Ressort (S. 33), der dort flammend schreibt: "Der deutschen Wissenschaft geht es so gut wie nie zuvor!" Finales Argument dann in der SZ: Dort steht, warum kritisches Denken und analytische Fähigkeiten, erlernt mit Goethe & Co, dringend auf dem Arbeitsmarkt gebraucht werden. 
  
   
 
 
   
 
   
   
 
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Landesverband NRW des DHV
Der Landesverband NRW des Deutschen Hochschulverbandes hat einen neuen Vorsitzenden: Christian von Coelln, Wirtschaftsrechtler an der Universität Köln. Sein Stellvertreter ist Christian Hillgruber, der an der Universität Bonn Öffentliches Recht lehrt.

Job: MPG in Brüssel
Französisch geht Ihnen leicht von der Hand, Englisch sowieso – und die belgische Hauptstadt ist für Sie ein Sehnsuchtsort? Et voilá, folgende Ausschreibung aus dem ZEIT Stellenmarkt dürfen Sie nicht verpassen: Die Max-Planck-Gesellschaft sucht für ihr Büro „mitten im Herzen Brüssels“ eine Fremdsprachensekretärin (m/w). Bewerbungsfrist: 15. September. Oh là là!
   
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Imke Kahrmann 

Master-Studentin Deutsch/Musik an der Folkwang Universität der Künste und Universität Duisburg-Essen; Hilfskraft und Jurymitglied beim Stifterverband der deutschen Wissenschaft (Ars Legendi; Eine Uni Ein Buch)
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Struktur macht glücklich. Egal, ob im eigenen Alltag oder in der Kunst. Selbst eine eigene Struktur für sich und sein Leben zu schaffen, macht mich glücklich und frei. Aber auch Strukturen in Situationen zu erkennen, sie zu verstehen zu lernen, ist eine spannende Sache. Als Musikerin und Pädagogin interessiert mich Struktur im Unterricht und in der Kunst. Kleine Feinheiten machen da den entscheidenden Unterschied.

Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Willkommenskultur: Menschen treffen, zusammenkommen lassen und sich austauschen lassen. Schicksale verstehen und teilhaben. Das braucht keine Kampagnen oder Gelder, sondern Zeit, Hingabe und Möglichkeit zur Begegnung.

Lektüre muss sein. Welche?
Wladimir Kaminer, egal welches Buch. Interkulturelle und postsowjetische spannende Themen, aber auch der humorvolle Blick auf uns selbst. Erzählungen aus einer Zeit und einem Land, das es so nicht mehr gibt und trotzdem so lebendig ist. Hält zum Lachen und Traumen und Nachdenken an. Super!

Und sonst so?
Sollte in Deutschland die Vollzeitstelle (40-Std.-Woche) nicht mehr die Regel, sondern die Ausnahme sein. Wir alle sollten es uns leisten können, für die Familie, Kinder, Eltern, aber auch einfach für uns selbst mehr vom Leben haben zu können. Unabhängig von Geschlecht oder Alter und sozialer Herkunft. Warum nicht von einer Teilzeit-30-Std.-Woche leben können und dabei gesund, ausgeglichen und glücklich sein? Wer viel Leistung bringt, sollte auch viel ruhen, für sich die Zeit gestalten können. Wie sonst soll man die Work-Life Balance schaffen, wenn nicht mit reduzierten Arbeitsstunden? Und das sollte für ALLE Branchen gelten. 
   
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
   
   
 
Gastkommentar
 
 
   
   
von Jule Specht
   
   
Kinder auf die Konferenzen!
Zahlreiche Mitglieder der wissenschaftspolitischen Szene Deutschlands reisen zur heute beginnenden GAIN-Tagung nach San Francisco. Das Ziel: Vielversprechende WissenschaftlerInnen aus Deutschland für den hiesigen Wissenschaftsstandort zurückgewinnen. WissenschaftlerInnen mit Kindern scheinen dabei nicht zur Zielgruppe zu gehören. Zumindest fehlt es an entsprechender Unterstützung – beispielsweise in Form von Kinderbetreuung während der Tagung. Haftungsrechtlich schwierig, heißt es auf Nachfrage, man fühlt sich nicht zuständig. Die Folge: Wer Kinder hat, kommt nicht zur GAIN – oder organisiert sie still und heimlich weg.
Ist das ein realistisches Bild der mangelnden Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie in Deutschland, das die GAIN so vermittelt? Leider ja: Der BuWiN 2017 zeigt, dass WissenschaftlerInnen in Deutschland seltener Kinder haben als andere Hochqualifizierte (obwohl sie sich welche wünschen!), was u.a. an den Beschäftigungsbedingungen liegt.
Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen forderte im letzten Monat familiengerechte Chancen in der Wissenschaft, beispielsweise mithilfe finanzieller Unterstützung bei der Kinderbetreuung. Die DFG gestaltete zeitgleich ihre Antragsvoraussetzungen familienfreundlicher und vergibt nun zusätzliche Familienzuschläge. Auch Berlin wird familienfreundlicher: Dort können JuniorprofessorInnen mit Kindern ihre Stelle um bis zu 4 Jahre verlängern, was bisher von den Präsidien einzelner Hochschulen torpediert wurde, aber mit dem geänderten Berliner Hochschulgesetz nicht mehr abzuwenden ist.
Ein frühes Vorbild ist in diesem Zusammenhang für mich die Studienstiftung, die mich (und meine beiden Kinder) während meines Studiums unterstützte und es u.a. ermöglichte, Kinder zu Sommerakademien mitzunehmen. Deshalb gehörten Kinder dort zum Konferenzalltag und zeigten unmittelbar: Familie und Wissenschaft sind zusammen möglich.
Das sind ermutigende Beispiele dafür, dass die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie nicht nur auf Konferenzpodien gehört, sondern auch im Alltag ankommt. Wenn Deutschland für die besten WissenschaftlerInnen attraktiv sein soll, dann müssen wir auch auf Menschen mit Kindern vorbereitet sein.

Prof. Dr. Jule Specht lehrt Persönlichkeitspsychologie an der Humboldt-Universität zu Berlin und ist Sprecherin der Jungen Akademie
   
   
 
 
   
 
   
   
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Die Lehrerin und ihr Rebell Ohne sie gäbe es den Politiker Cem Özdemir wohl nicht. Die pensionierte Pädagogin Ursula Mogg diskutiert mit ihrem einstigen Schüler über Flegeljahre, Integration und die Bedeutung von Vorbildern

Ganz junges Gemüse Gurke und Co. kennt der Nachwuchs nur noch aus dem Supermarkt. Einige Schulen wollen das jetzt ändern und führen den Schulgarten wieder ein. Über eine Idee, die oft belächelt wird – aber Kinder begeistert Entspannt euch! Der Druck auf die Geisteswissenschaften steigt – sie sollen deuten, erklären, effizient sein. Vor lauter Ansprüchen geht unter, was sie bereits leisten. Vier Strategien für mehr Selbstbewusstsein

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