Die Generäle, schrieb
mein Kollege Martin Klingst vorgestern, mit denen Donald Trump sich umgibt, sollen den Präsidenten von den größten Dummheiten abhalten: John Kelly, der Stabschef des Weißen Hauses; James Mattis, der Verteidigungsminister; H. R. McMaster, der Nationale Sicherheitsberater. Da hat er recht. Aber wollen und können sie das auch?
Die größten denkbaren Dummheiten sind die nuklearen. Sie sind angesichts der
koreanischen Krise ja auch nicht auszuschließen. Um sie allein soll es hier gehen.
Erster Befund: Die Generäle wissen, was Krieg ist und was zu ihm führen kann, sie haben strategisches Denken gelernt, die Geschichte studiert, sie lesen und schreiben sogar Bücher.
Im Nahen Osten lagen die Generäle oft daneben Zweiter Befund: In den vergangenen Jahrzehnten ist die amerikanische Generalität nicht gerade durch strategische Klugheit aufgefallen, weder in Afghanistan noch im Irak oder in Libyen. Ungewiss, drittens, ob sich Trump überhaupt nachhaltig beeinflussen lässt. Erst recht ungewiss, viertens, ob die Generäle sich ihm in den Weg werfen würden, wollte er eine katastrophale Entscheidung treffen. Zur Gänze auszuschließen ist zwar nicht, dass sich die drei Generäle ein Vorbild an ihren Vorgängern unter dem Präsidenten Richard Nixon nehmen, die den unbeherrschten Trunkenbold überwachten wie ein Koch den Milchtopf. Aber weiß man's?
Das ganze Entscheidungssystem, das zum berüchtigten (und metaphorischen) Druck auf den roten Knopf führt, ist mitnichten auf Widerspruch oder auf Diskussion mit dem Präsidenten ausgerichtet. Es liefert ihm Informationen, und er allein entscheidet.
An dieser Stelle ist vielleicht ein wenig amerikanische Militärgeschichte nützlich. Denn es hilft alles nichts, sie hat, wenngleich Amerika uns Deutsche befreit und Hitlers Vernichtungskrieg beendet hat, durchaus auch eine exterministische Traditionslinie.
Schlächter, Spieltheoretiker, Vernichtungsstrategen Amerikanische Militärhistoriker ziehen sie von dem Indianerschlächter Philip Henry Sheridan über den Nordstaatengeneral und Kriegsverbrecher William Tecumseh Sherman bis zu den nuklearen Vernichtungsplänen, die noch bis in die siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts von einigen US-Generälen favorisiert wurden – explizit formulierte diese Kritik der Spieltheoretiker und Nobelpreisträger Thomas C. Schelling, sicherlich der bedeutendste Theoretiker der nuklearen Abschreckung.
So, wie für Sherman galt, dass "der gesamte Süden, Männer, Frauen und Kinder, gegen uns ist" und daher vernichtet werden müsse, formulierten US-Militärs im Zweiten Weltkrieg, dass es in Japan keine Zivilisten gebe. Ausdrücklich eine Vernichtungsstrategie verfocht der Luftwaffengeneral Curtis LeMay im und nach dem Zweiten Weltkrieg – und zwar nicht bloß zur Abschreckung, sondern um den Feinden zuvorzukommen, erst den Nazideutschen und dann den Sowjetrussen. LeMay hatte Nachfolger, die wie er dachten, auch wenn sie sich letztlich nicht durchgesetzt haben. Nur deswegen können Sie diese Zeilen überhaupt lesen.
Nukleare Ungewissheit Ein in jüngster Zeit viel gepriesenes Buch nimmt übrigens im Falle des Vietnamkriegs für LeMay und dessen Strategie der Ausrottung Partei: Es heißt
Dereliction of Duty und wurde von einem
gewissen H. R. McMaster verfasst. Ja genau. Vom heutigen Sicherheitsberater Trumps.
Daraus können wir natürlich nicht schließen, dass die Nummer eins der amerikanischen
strategic community im Ernstfall ein Hasardeur wäre. Vermuten dürfen wir: eher nicht. Aber so was darf man auch nukleare Ungewissheit nennen. Und die ist schlimm genug.
Sagen wir es so: Anlässlich der jüngsten totalen Sonnenfinsternis ging ein Foto um die Welt, auf dem man sah, wie Trump bloßen Auges in die Sonne blickte. Der Mann dürfte La Rochefoucauld nicht gelesen haben, der vor rund 350 Jahren schrieb: "Weder die Sonne noch der Tod lassen sich unverwandt ins Gesicht schauen."