10 nach 8: Anja Maier über Wechseljahre

 
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07.08.2017
 
 
 
 
10 nach 8


Klimak... bitte was?!
 
Gelebt, geliebt, geboren, alles erledigt: Eine Frau in den Wechseljahren kann ja auch gleich abtreten, oder? Über Stimmungsdellen und andere Körperumformungen.
VON ANJA MAIER

Schweißausbrüche, Schlafstörungen, Gelenkschmerzen, Falten, Bärte und Gerüche: Das Klimakterium ist lästig, aber es geht vorbei. © Sean De Burca/Getty Images
 
Schweißausbrüche, Schlafstörungen, Gelenkschmerzen, Falten, Bärte und Gerüche: Das Klimakterium ist lästig, aber es geht vorbei. © Sean De Burca/Getty Images
 
 

Oswalt Kolle hatte kein Problem mit seinen Wechseljahren. Der Sexaufklärer der Westdeutschen hat noch mit 81 Jahren über seine "Andropause" öffentlich zu Protokoll gegeben, er habe diese Altersphase "fröhlich und sehr potent" erlebt.

Schön für Herrn Kolle. Auch meine Mutter hatte mir vor 30 Jahren erzählt, sie habe die Wechseljahre "gar nicht mitgekriegt". Ich war also guten Mutes. Aber es war geschwindelt, sie hat damals ein Hormonpräparat genommen. Das hat sie mir aber erst kürzlich erzählt, weil ich nämlich meine Wechseljahre durchaus "mitkriege" und noch mal bei ihr nachgefragt habe. Aber so ist meine lebenskluge Mutter. Noch heute, mit 80 Jahren, sagt sie über alles, das nervt und stört: "Was kommt, geht auch wieder." Heißt: prominent ignorieren, einen Versuch ist es wert.

Fürs Protokoll: In die Wechseljahre zu kommen, kann durchaus erfreulich sein. 50 Lebensjahre sind vergangen, Kinder wurden geboren, alle vier Wochen wurde menstruiert – da schließt sich ein größerer Zyklus. Warum, wofür, wozu denn noch Blut vergießen?

Mein Körper hat das dreieinhalb Jahrzehnte lang weltmeisterinnenmäßig geregelt. Danke, das war toll von mir. Aber auch wieder nicht so toll, dass ich nicht gut auf die blöden Bauchkrämpfe und Rückenschmerzen, die Toilettensuche und die wenn guten, dann bescheuert teuren Binden und Tampons hätte verzichten können. Von dem Geld hätte ich mir weiß Gott etwas Schöneres kaufen können. Zum Beispiel Torte. Oder Schnaps.

Ach ja, wo wir gerade davon reden: Wann endlich werden sogenannte Hygieneartikel mit sieben statt 19 Prozent besteuert? Ist doch nicht so kompliziert zu verstehen, dass die Hälfte der Menschheit die braucht, ähnlich wie Milch oder Brot. Egal, wer nach dem 24. September regiert – regelt das endlich mal! Versteht nämlich kein Mensch.

Ich sage also Hallo und Herzlich Willkommen zu meinen Wechseljahren. Nett, dass sie da sind, ich hatte sie bereits erwartet. Sie mögen bitte trotzdem nicht lange bleiben, es fühlt sich nämlich schnell ziemlich unangenehm an in ihrer Gegenwart. Sie rücken mir auf den Pelz, drücken meine Stimmung und nehmen ein paar körperliche Umbauten vor, von denen ich hoffe, dass sie alsbald zum Abschluss kommen mögen. Wechseljahre sind ein bisschen wie lästige Verwandtschaft: Man muss sie blöderweise trotzdem reinlassen.

Zu "wechseln", wie meine Frauenärztin das in ihrer ermutigenden Sprache zu nennen pflegt, heißt ja übersetzt nichts anderes, als alt zu werden. Oder, wie es das Ärzteblatt freundlicher formuliert: "eine Lebensphase der psychosozialen Adaptation mit Abschieden, neuen Herausforderungen und notwendiger Aktivierung von Ressourcen".

Nett gesagt. Gemeint sind körperliche Grenzerfahrungen wie Schweißausbrüche in den unmöglichsten Situationen, Schlafstörungen und Gelenkschmerzen. Außerdem miese Stimmungen inklusive Wutausbrüchen und Erschöpfung. Und worüber keine gern spricht: Bärte, Falten, Gerüche. Aber gegen so etwas gibt es den Rezeptblock.

Wir sind viele und werden richtig alt

Ich meine, wir reden ja bei dieser Art von Altwerden nicht über Silberhaar, Knotenhände und Bingoabende. Sondern über absehbares Abdanken, langsames Outfaden aus der, zum Beispiel, Konkurrenzgruppe. In meiner Branche, dem Journalismus, schieben von hinten die Jungen nach. Tolle KollegInnen, wirklich. Aber wissen die, wer Hannes Wader ist und wie ein Kassettenrekorder funktioniert?

Hinzukommt die soziale Wahrnehmung als Frau. Es muss gar nicht so krass diskriminierend laufen wie im Fall jener Portugiesin, die vor dem Europäischen Menschengerichtshof geklagt hat. Ihr war nach einer misslungenen gynäkologischen Operation von einem Gericht der bereits erkämpfte Schadenersatz gekürzt worden. Begründung: Sie sei bereits 50 Jahre alt und habe zwei Kinder – Sex sei in ihrem Alter nicht mehr so wichtig. Ha!

Die Frau hat natürlich recht bekommen, wäre ja noch schöner. Aber irgendwie unsichtbar, das sind wir Klimakteriumsfrauen durchaus. Die jüngeren Männer und Frauen, die im Berufsverkehr dauernd in uns reinrennen, können unmöglich alle was an den Augen haben. Oder?

Selbst mein Mann sagte neulich zu mir: "Evolutionsbiologisch könntest du jetzt auch abtreten. Du hast deine Kinder groß gekriegt, deine Enkeltochter wird sechs, im sozialen Stammeskontext bist du nur noch eine Last." Wir saßen bei dieser Gelegenheit in einem guten Restaurant und waren dabei, das Erbe eben dieser Kinder und Kindeskinder einfach aufzuessen. "Und du", antwortete ich ihm, "könntest eigentlich auch sterben gehen. Als Mann in der Andropause bist du stammeskontextuell auch nichts weiter als ein unnützer Esser". Wir haben sehr gelacht und gleich Wein nachbestellt.

Denn machen wir uns nichts vor: Besser als für uns wird’s nicht. Und für uns läuft es schon nicht besonders gut, schauen wir auf unsere jährlich eintrudelnden niederschmetternden Rentenbescheide. Wer aktuell in der Meno- oder Andropause steckt, sich hineinbegibt oder gerade wieder herausfindet, gehört zur Babyboomer-Generation.

Und wir – liebe Kinder, passt jetzt mal gut auf! –, wir sind richtig viele. Und wir werden richtig, richtig alt. Uns zu ignorieren oder zu verachten, wäre schon vom Konsumstandpunkt aus gesehen eine grobe Dummheit. Und damit meine ich nicht nur die hochpotente Pharma- und Wellnessbranche, der wir unser Geld übereignen sollen. Wenn wir welches haben.

Ja, mit derlei beruhigenden Gedanken hieve ich mich über die eine oder andere Stimmungsdelle, während ich darauf warte, dass sie vorbeigehen, diese Wechseljahre. Oder die Klimax. Oder die kritischen Jahre, das kritische Alter. Es gibt so viele hässliche Wörter für eine Angelegenheit, die jede und jeden betrifft. Vielleicht könnte man damit mal anfangen – mit dem Reden darüber.

Anja Maier, Jahrgang 1965, ist "taz"-Journalistin und Autorin.


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