Hamburg verkauft 62 Gebäude - an sich selbst

+ Hype um Hyperloop + Piraten auf Hamburger Schiff? + Weihnachten mit internationalen Gästen + Michel Abdollahi über Heimat +
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Auch heute wird’s wieder nass – aber wohl erst gegen Abend. Ansonsten wolkige Aussichten bei maximal sieben Grad.
   
 
Guten Morgen,
 
Sigrid Neudecker
 
gestern fand ich Sie, liebe Hamburger, toll, weil großzügig. Heute müssen wir wieder einmal ernsthafter miteinander reden. Denn als ich gestern nach getaner Arbeit über den Weihnachtsmarkt auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz ging, kam ich an einem Rollstuhlfahrer vorbei, der versuchte, sich bergauf (!) über das Kopfsteinpflaster (!!) Richtung Mönckebergstraße zu kämpfen. Umringt von glühweintrinkenden Weihnachtsmarktbesuchern und Passanten, die einen großen Bogen um ihn machten, vermutlich, damit er freie Bahn hatte, weil er ja so schnell unterwegs war.
 
Kleiner Scherz. Er war steckengeblieben. Und niemanden kümmerte das, weil: Der Glühwein könnte ja kalt werden.
 
Es ist toll, wenn vor Weihnachten tonnenweise Spielzeug gespendet wird, wirklich! Aber wer danach gleich wieder an jemandem vorbeimarschiert, der ziemlich eindeutig Hilfe brauchen kann, der bekommt ein Problem mit mir. Und man komme mir nicht mit »Man weiß ja nie, ob jemand überhaupt Hilfe will«! Wollte er nämlich. Und auch wenn nicht, dann hat man eben umsonst gefragt. Na und?
 
Aber wissen Sie was? Selbst schuld! Auf diese Weise haben sich die gestrigen Weihnachtsmarktbesucher um einen höchst amüsanten kleinen Spaziergang mit einem witzigen jungen Mann gebracht.
Nicht, dass es irgendwelche Anreize brauchen sollte, um kurz einmal mit anzupacken. Auch außerhalb der Weihnachtszeit.
 
   
   
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Stadt verkauft 62 Häuser

Kürzlich klopften die Politiker der Stadt einander noch auf die Schultern, weil sie einem Immobiliengiganten erstmals mittels Vorkaufsrecht ein Haus abspenstig gemacht hatten. Jetzt sorgt eine Senatsmitteilung für Ärger. Demnach möchte die Stadt ihr »Immobilienmanagement optimieren«, wie es heißt. 62 Häuser aus dem gesamten Stadtgebiet – darunter Kitas, Begegnungsstätten, aber auch das Schmidt Theater – sollen vom Landesbetrieb für Immobilienmanagement und Grundvermögen an die Sprinkenhof GmbH übertragen werden. Verkaufspreis: 73,5 Millionen Euro. Ist das die Rolle rückwärts? Nicht wirklich. Denn die Stadt verkauft an ihr eigenes Unternehmen. Trotzdem erzeugte das Vorhaben gestern einen, wie Finanzsenator Andreas Dressel es in einem Twitter-Post beschrieb, »Sturm im Wasserglas«. Kritiker befürchten, dass die Stadt durch den Verkauf an Einfluss verlieren könnte und dadurch Immobilienverkäufe an Dritte einfacher möglich werden. Norbert Hackbusch von der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft befürchtet Schlimmes: »Die Sprinkenhof hat in der Vergangenheit häufig genug bewiesen, dass sie gegenüber kulturellen Ansprüchen immun ist – wie zum Beispiel bei den Zinnwerken in Wilhelmsburg.« Die Finanzbehörde wehrt ab. »Alle Gebäude bleiben in städtischer Obhut, einen Weiterverkauf wird es nicht geben«, sagt deren Sprecher Claas Ricker. Immerhin sieht auch Schmidt-Theater-Chef Corny Littmann der Änderung entspannt entgegen. »Die Sprinkenhof AG ist seit vielen Jahren unser Vermieter, zu dem wir in einem sehr guten Verhältnis stehen«, sagt er. »Wir haben keinerlei Befürchtungen, dass diese Beziehung in Zukunft beeinträchtigt werden wird.«
 
   
   
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Hyperloop: Mit Schallgeschwindigkeit durch den Hafen? 
 

»HHLA will Hyperloop: Container in Schallgeschwindigkeit«, titelte das »Hamburger Abendblatt« bereits Mitte November. Künftig könnten Güter per »Hyperloop« durch den Hafen rauschen. Das von Tesla-Motors-Chef Elon Musk erdachte Transportmittel will eigentlich Menschen auf einer Art Transrapid durch Röhren schießen, in denen Luftwiderstand und Reibung dank eines Vakuums so stark reduziert sind, dass Geschwindigkeiten von bis zu 1.200 Stundenkilometern erreicht werden können. Gespräche zwischen Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) und dem US-Unternehmen gebe es zwar tatsächlich, sagt Annette Krüger, Pressesprecherin der HHLA. Die konkreten Angaben in Bezug auf den Hafen könne sie jedoch nicht bestätigen. »Ich frage mich, wo diese Informationen herkommen.« Schließlich habe es noch keinen einzigen Test eines Hyperloops gegeben. Womöglich scheitere das Projekt schon bei der geplanten Jungfernfahrt 2019 in Toulouse. Auch müssten HHLA und die Firma Hyperloop TT erst einmal feststellen, ob Güter überhaupt durch die Röhren sausen könnten. Auch den genannten Startpunkt am Containerterminal Altenwerder sowie den Bau innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre dementiert Krüger. Nur eine Grundidee stehe fest: Nach dem Entladen an den Terminals könnten Güter in kurzer Zeit in Lager im Umland transportiert werden. Die Vorhersage, auf diesem Weg bis zu 4100 Container täglich durch den Hafen rauschen zu lassen und gar Lkw komplett zu ersetzen, erscheint Krüger dagegen »viel zu optimistisch«. Alles Weitere will die HHLA heute auf einer Pressekonferenz erklären.
 

Von Piraten und Drogenschmugglern

Große Aufregung, als der NDR gestern berichtete, vor Brasilien sei ein »Hamburger Frachter gekapert« worden. Gekapert! »Es klingt dramatischer, als es war«, sagt jedoch Rainer Horn von der Reederei Hamburg Süd erfreulicherweise. In der Nacht zum Sonntag hätten sich zwar mehrere Männer auf den Containerfrachter »Cap San Marco« geschlichen, der vor dem Hafen der Stadt Santos geankert hatte, aber, entkräftet Horn, »das war kein Piratenangriff, und die hatten auch keine Maschinengewehre oder so was«. Als ein Wachmann die Männer entdeckte, fesselten sie ihn und eilten von dannen. »Die Crew hat keinen Schaden davongetragen, das ist für uns erst mal das Wichtigste«, sagt Horn. Was die Männer auf dem Schiff wollten, war vorerst unklar, der Frachter hatte überwiegend Lebensmittel geladen. Da die brasilianische Polizei später aber auch rund 400 Kilogramm Kokain in einem Container entdeckte, waren wohl keine Schatzsucher, sondern Drogenschmuggler am Werk. Die brasilianischen Behörden ermitteln. Kommt so etwas öfter vor? »Das sind Einzelereignisse«, sagt Horn. »Wir haben es eher mit Tauchern zu tun, die versuchen, Schmuggelware außen an den Schiffsrumpf anzubringen.« Inzwischen ist die »Cap San Marco« wieder auf hoher See unterwegs.
 
   
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Weihnachten mit Gästen aus aller Welt

»Driving home for Christmas« singt Chris Rea gerade wieder auf jedem Weihnachtsmarkt. Aber was, wenn Familie und Freunde viele Tausend Kilometer weit weg wohnen? Für manche ausländische Studenten ist das Flugticket für die wenigen Tage einfach zu teuer. Deshalb bringt das Studierendenwerk nun schon seit fünf Jahren internationale Gäste und Hamburger zusammen. 129 gemeinsame Feste sind so schon entstanden. Eines davon hat Isa Atakishiyev aus Aserbaidschan vergangenes Jahr erlebt. Er studiert an der Kühne Logistics University Management und war zusammen mit seiner Frau und drei TU-Studenten aus Indien bei Gastgeberin Anja eingeladen. Deren Söhne wiederum sind bereits aus dem Haus und schauten nur kurz am Nachmittag vorbei. »Wir haben bis in die Nacht hinein geredet und viel gegessen«, sagt Isa. Die Gastgeberin habe extra vegetarisch gekocht, mit vielen Gewürzen. Gut erinnern kann er sich noch an den Rotkohl. »Das ist wohl ganz typisch und war sehr lecker!« Die Gesprächsthemen waren dafür eher international als weihnachtlich. »Es ging vor allem um die unterschiedlichen Kulturen und Länder. Anja ist viel gereist. Das war sehr interessant«, erzählt Isa. Später am Abend haben die indischen Studenten dann noch per Skype ihre Eltern angerufen. Für Isa war der Abend etwas Besonderes. Er ist zwar seit 2015 in Deutschland, hatte aber noch nie Weihnachten gefeiert. »Es war einfach sehr schön, nicht allein zu sein.«

Wer an Weihnachten ebenfalls internationale Studenten bei sich einladen möchte, kann sich bis zum 16. Dezember beim Studierendenwerk (weihnachtsgast@studierendenwerk-hamburg.de oder telefonisch unter 41 902 233) anmelden.
   
   
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Was macht Hamburg zu Ihrer Heimat, Michel Abdollahi?
 
 
 
 
© Tim Bruening
 
»Warum reden wir eigentlich die ganze Zeit über Heimat? Das war früher weniger. Ich kann nicht verstehen, warum wir immer herausfinden wollen, wo jemand seine Heimat hat. Das ist nicht wichtig. Man kann viel schönere Dinge über einen Menschen herausfinden, als zu erfahren, wo die Heimat ist. Wird aber nicht gefragt. Immer wieder Heimat. Wo kommst du her? Wie ist es für dich? Fühlst du dich fremd? Was ist eigentlich der Plural von Heimat? Es reicht mir völlig aus, dass wir ein Bundesheimatministerium haben, das uns den Begriff Heimat definiert, wenn wir es wissen wollen. Aber wer es dennoch ganz genau auch von mir wissen will: Heimat ist da, wo mein Zuhause ist, und zu Hause ist, wo mein Bett steht, und das steht zufällig in Hamburg.«

Michel Abdollahi, geboren in Teheran, lebt seit 1986 in Hamburg. Er ist Conférencier, Fernsehmoderator, Journalist und Maler.
 
 
 
Mittagstisch
 
 
Traditionelles chinesisches Essen

Weit hinaus ist man gefahren, dorthin, wo die Stadt kleinteiliger und der Himmel größer wird und wo eine ungewöhnliche Ruhe über der Szenerie liegt. Das Happy Palace mit seinem aufwendig dekorierten chinesischen Eingang wirkt ein wenig wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Die Kellner stehen am Fenster und blicken hinaus, als warteten sie auf etwas. Muße genug haben sie. In dem großzügigen, traditionell eingerichteten Raum sind zur Mittagszeit nur zwei Tische besetzt. Die Karte bietet rund fünfzehn verschiedene Gerichte – allesamt mit Fleisch oder Fisch – für 6,50 Euro, mit Suppe für 7,90 Euro. Nach der süß-sauren Pekingsuppe wird rasch der Rechaud aufgestellt, auf dem kurz darauf Reis und Rindfleisch mit Brokkoli stehen. Alles schmeckt, aber man möchte sagen: ein wenig aus der Zeit gefallen. Dann passt es ja, dass sich am Nebentisch einige Gäste lautstark über die Hungerjahre in Hamburg nach dem Zweiten Weltkrieg unterhalten, ganz so, als sei es gestern gewesen.

Langenhorn, Happy Palace, Tangstedter Landstraße 244,
Mittagstisch Mo–Fr, 12–15 Uhr


Elisabeth Knoblauch
 
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Was geht
 
 
 
Gegen das Vergessen: Mit der heutigen Buchvorstellung von »Das vergessene Lager. Zwangsarbeit im Schatten des Flughafens« setzt sich Uwe Leps für das Erinnern ein. Denn nach den Luftangriffen von 1943 waren es auch Frauen aus dem KZ Neuengamme, die Hamburg wieder aufbauten. Die Zwangsarbeitsgeschichte wird anhand von Akten, Fotos und Zeitzeugenberichten nachgezeichnet.
Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel, Kritenbarg 8, 18 Uhr, Eintritt frei
 
Der große Simenon: Die Lesereihe »Große Erzählungen der Weltliteratur« der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius wendet sich heute Georges Simenons »Der kleine Schneider und der Hutmacher« zu. Es liest Wolf-Dietrich Sprenger, Hanjo Kesting kommentiert.
Bucerius Kunst Forum, Rathausmarkt 2, 20 Uhr, 10 Euro, erm. 8 Euro
 
Wiederkehr ins Irrenhaus: Ihre Musik prägte die Wende mit Textzeilen wie »Irre ins Irrenhaus, die Schlauen ins Parlament. Selber schuld daran, wer die Zeichen der Zeit nicht erkennt«. Mit diesem Song traf der Deutschrock der Band Keimzeit den Nerv der Zeit. Ihre aktuelle Tournee macht heute in Hamburg halt, Special Guest ist Ralf Benschu am Saxofon.
Markthalle, Klosterwall 11, 20 Uhr, VVK 20 Euro
 
 
 
 
 
   
   
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Hamburger Schnack
 
 
Mutter und Sohn treffen sich zum Mittagessen im Szeneviertel – er stark tätowiert, sie vornehm elegant, beide ausnehmend höflich zueinander. Sagt der Sohn: »Mama, ich finde, wir sollten uns dieses Jahr nichts zu Weihnachten schenken. Wir wissen doch auch ohne Geschenke, was wir aneinander haben.« Die Frau lacht: »Netter Versuch.« Kurzes Schweigen, dann seine Antwort: »Ernsthaft?! Du bist immer noch nicht über die ›I love my mommy‹-Tattoo-Idee hinweg?«

Gehört von Gela Höfer
 
 
   
   
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Meine Stadt
 
 
 
 
Ob innen schon geprobt wird?

Foto: Lara Ahlefelder
 

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Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag. Morgen lesen wir uns wieder, wenn Sie mögen!

Ihre
Sigrid Neudecker
 
 
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