Bürgerschaft segnet Doppelhaushalt ab Die
Bürgerschaft hatte in den vergangenen drei Tagen ein dickes Brett zu bohren. Es ging um mächtig viel Geld. Mehr als 31 Milliarden Euro schwer wiegt der
Doppelhaushalt für 2019/20, der gestern am späten Abend beschlossen wurde. Zuvor war heftig über die
Verteilung der Einzeletats debattiert worden. Besonders am Dienstag, bei der
Generaldebatte, ging es zwischen Regierung und Opposition hitzig zu.
CDU-Fraktionschef André Trepoll etwa warf dem rot-grünen Senat mit Blick auf die Bürgerschaftswahl 2020 eine
unseriöse Haushaltspolitik vor, indem er die »Rekordeinnahmen als prall gefüllte Wahlkampfkasse« nutze. Die CDU stört sich unter anderem an der geplanten Ausgabensteigerung von zwölf Prozent zum laufenden Haushalt: Diese sei deutlich größer als der Bevölkerungszuwachs, bemängelte Trepoll. Ein großes Streitthema stand am Mittwoch an, als es beim Etat für die Innenbehörde um das
Thema Sicherheit ging. Auch hier hagelte es Kritik, obwohl die Personalausgaben um rund 80 Millionen Euro erhöht werden und damit
mehr Stellen geschaffen werden können. Zu spät und nicht ausreichend, meinte die CDU, und der
FDP-Innenexperte Carl Jarchow warnte den Senat vor einer Einstellungspolitik »nach Kassenlage«. Gestern standen dann noch die Themen
Gesundheit und Verkehr an, bevor die Abgeordneten den Haushalt erwartungsgemäß absegneten – also zumindest die aus den Regierungsparteien SPD und Grüne.
»Wohnraum darf keine Handelsware sein« »Keine Geschenke für Spekulanten! Mietenwahnsinn stoppen!«: Unter diesem Motto hat das
Netzwerk »Recht auf Stadt« für heute eine Demonstration angekündigt. Auf die Straße geht auch Mitorganisator
Michael Wetzel, Sprecher der Mieterinitiative Wrangelstraße aus der Arbeitsgemeinschaft Akelius.
Elbvertiefung: Herr Wetzel, wieso tun Sie sich das an – in der Kälte zu demonstrieren, statt daheim heißen Tee zu schlürfen?Michael Wetzel: Weil es wichtig ist. Wir rechnen nur mit rund 200 Leuten, aber wollen endlich mehr wachrütteln. Ich zum Beispiel wohne in Hoheluft West, meine Wohnung in der Wrangelstraße gehört dem schwedischen Immobilienunternehmen Akelius. In Eimsbüttel verlangt es zum Teil 25 Euro pro Quadratmeter. Das macht unseren Stadtteil zu »Luxusbüttel«!
EV: Öffentlich preist sich das Unternehmen als besonders sozial …Wetzel: Die Außendarstellung stimmt nicht mit der Realität überein. Bei uns in der Wrangelstraße hat Akelius versucht, zwei Mietparteien mit »kalten Zwangsräumungen« loszuwerden. Sie haben in einem Fall einfach die Tür aufbrechen und das Inventar wie Sperrmüll entsorgen lassen. In dem Moment habe ich gedacht: Wir müssen was machen, so geht das nicht! Deshalb sind einige von uns im Sommer der Arbeitsgemeinschaft beigetreten.
EV: Wie hängt das mit dem angespannten Wohnungsmarkt zusammen?Wetzel: So funktioniert das Modell von Akelius und anderen Spekulanten: heruntergewirtschaftete Häuser aufkaufen, luxuriös auf Hochglanz polieren und nach ungefähr zehn Jahren teuer verkaufen. Was das mit Mieten und Mietparteien macht, ist klar. Es gibt viel zu wenig bezahlbaren Wohnraum in Hamburg, ganz zu schweigen von der Gentrifizierung.
EV: Im Aufruf zur Demo steht: »Gebäude und Grundstücke müssen langfristig dem Markt entzogen werden«. Wünschen Sie sich eine Verstaatlichung von Wohnraum?Wetzel: Nein, ich will keine sozialistische Plattenbau-Geschichte. Aber wir wollen Miethaien Grenzen setzen! Die Mietpreisbremse hat so viele Ausnahmen, die bringt nichts. In Berlin gibt es eine Initiative für ein Volksbegehren, das Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen enteignen soll. Solche Ideen schauen wir uns interessiert an. Diese Forderungen bringen Menschen dazu, sich mit dem Problem auseinanderzusetzen. Wir besuchen auch Sitzungen der Bezirksversammlungen und erklären unsere Sorgen. Ich habe den Eindruck, manche Politiker reiben sich gerade die Augen und wachen auf.
EV: Was genau erwarten Sie von ihnen? Immerhin hat die Stadt gerade erst ihr Vorkaufsrecht in St. Pauli geltend gemacht – bei einer Immobilie, die Akelius kaufen wollte.Wetzel: Ja, und das war richtig. Hoffentlich war das kein Strohfeuer mit Blick auf die Bezirkswahlen im nächsten Jahr. Der Senat macht noch viel zu wenig. Er muss strengere Regeln schaffen und diese konsequent anwenden. Wohnraum darf keine Handelsware sein, sondern muss als Grundrecht strikt geschützt werden. Im Artikel 14 II Grundgesetz steht schließlich: »Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.«
Die Demonstration des Netzwerks »Recht auf Stadt« findet heute in St. Georg statt. Treffpunkt ist um 17 Uhr auf dem Hansa-Platz.