Fünf vor 8:00: Pompös begonnen, prosaisch geendet - Die Morgenkolumne heute von Ulrich Ladurner

 
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FÜNF VOR 8:00
14.12.2018
 
 
 
   
 
Pompös begonnen, prosaisch geendet
 
Kanzler Sebastian Kurz wollte sich während Österreichs EU-Präsidentschaft als Fachmann für europäische Flüchtlingspolitik profilieren. Das ist ihm nicht gelungen.
VON ULRICH LADURNER
 
   
 
 
   
 
   

Es soll Leute geben, die behaupten, Sebastian Kurz könne über Wasser gehen. Sechs Monate EU-Präsidentschaft haben allerdings eine Erkenntnis gebracht: Er kann es nicht. Der österreichische Kanzler ist kein Wunderwuzzi, wie man in Österreich einen Alleskönner nennt. Das ist nicht weiter schlimm. Es hat ja sogar was Beruhigendes, wenn man feststellen kann, dass selbst der so junge, so talentierte und so erfolgreiche Sebastian Kurz auch nur ein Mensch ist. Einer wie Du und Ich. Man sollte von Politikern ohnehin nicht zu viel erwarten, jedenfalls nicht mehr, als von sich selbst.
 
Es ist nur so, dass Kurz und seine Regierung die Erwartungen in schwindelnde Höhen geschraubt haben. "Ein Europa, das schützt!" Das war das Motto, unter dem die österreichische Regierung ihre Präsidentschaft gestellt hat.
 
Es ist ein schöner, schlichter und sehr richtiger Satz, den Sebastian Kurz vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron abgekupfert hat, aber das nur am Rande. Das Motto vom Europa, das schützt, war als österreichischer Gegenentwurf zur vermeintlich deutschen Willkommenskultur gedacht. Kurz hat einen guten Teil seiner Karriere dem Umstand zu verdanken, dass er die Flüchtlingspolitik der deutschen Kanzlerin Angela Merkel im Jahr 2015 früh und heftig kritisiert hat. Er hat sich erfolgreich als Anti-Merkel profiliert und an ihr fast schon manisch abgearbeitet.
 
Kurz wollte Brückenbauer sein
 
Wenn seine Regierung nun das Motto ausgab "Ein Europa, das schützt!", hieß das auch: Wir begraben jetzt auf europäischer Ebene die Willkommenskultur. Wir beenden die Ära Merkel. Wir aus Wien zeigen jetzt mal, wie das wirklich geht mit der Migration.
 
Nur, viel gezeigt hat Wien in den vergangenen sechs Monaten nicht. Beispiel Außengrenzschutz. Als EU–Kommissionspräsident Jean Claude Juncker von der Entschlossenheit Wiens erfuhr, legte er sofort einen Vorschlag auf den Tisch. Die europäische Grenzschutzagentur Frontex sollte binnen weniger Jahre auf 10.000 Mann ausgebaut werden. Da wurde es in Wien plötzlich ganz still. Die Regierung hatte wahrscheinlich mit Schrecken festgestellt, dass mehr EU-Außengrenzschutz langfristig auch bedeutet, dass Nationalstaaten mehr Souveränität abgeben müssen. Ausgerechnet der italienische Grenzschützer, Innenminister Matteo Salvini, erinnerte daran, indem er wissen ließ, Italien wolle diese Aufgabe nicht an Europa delegieren. Das sei eine rein nationale Angelegenheit.
 
Die Österreicher hatten Kurz gewählt, damit er Österreich stärke und schütze. Dass ein starkes Österreich aber ein starkes Europa erfordert, diese schlichte Wahrheit hat die österreichische Regierung ihren Bürgen nicht nahebringen wollen. Das hätte Mühe gekostet, und gewiss viele Wählerstimmen.  

Das österreichische Europa, das schützt, meinte vor allem: Ein Europa, das vor Migranten geschützt wird. Alles andere war zweitrangig, mindestens. Schon lange bevor die Österreicher die EU-Präsidentschaft übernommen hatten, war die Zahl der Migranten zurückgegangen. Der nächste, logische Schritt wäre es gewesen, sich der Innendimension der Migration anzunehmen. Dazu gehört eine Reform des europäischen Asylsystems. Doch da ist in den vergangenen Monaten nicht viel passiert. Natürlich, die Sache ist verfahren und kompliziert, aber ein bisschen mehr Druck aus Wien hätte doch geholfen.
 
Außerdem hat Kurz ja immer von sich als Brückenbauer gesprochen. Weil er so deutlich Merkel kritisiert hat, konnte er mit dem Hauptgegner Merkels sprechen, dem Ungarn Viktor Orbán. Das jedenfalls war die These hinter der Behauptung, ein Brückenbauer zu sein. Nach sechs Monaten muss man leider sagen: Es war eine These ohne Grundlage. Kurz hat keine Brücke gebaut. Im Gegenteil, Wien hat als erste europäische Regierung angekündigt, den UN-Migrationspakt abzulehnen und damit die Gräben in Europa noch vertieft.
 
Was also kann man nach dem Ende von Österreichs EU-Präsidentschaft sagen?
 
Sie hat pompös angefangen und ist prosaisch geendet. Es war nicht hässlich, aber auch nicht schön. Es gab keine Wunder, aber auch keine Katastrophen. Das Beste, was man sagen kann: Europa ist wieder einmal nicht untergegangen, auch Wien steht noch.

 


 
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