Der Waffenstillstand im Handelskrieg zwischen den USA und China, den Donald Trump nach seinem Treffen mit Staatspräsident Xi Jinping am Rande des G-20-Gipfels in Argentinien angekündigt hatte, schien von Anfang an nicht sehr belastbar zu sein. Ob daraus ein dauerhafter Frieden werden kann, ist inzwischen mehr als ungewiss.
Denn am selben Tag, an dem die beiden Staatschefs in Buenos Aires zusammensaßen, wurde bei einem Zwischenstopp in Kanada auf Ersuchen der amerikanischen Sicherheitsbehörden Meng Wanzhou festgenommen, die Finanzchefin des chinesischen Technologiekonzerns Huawei. Sie ist die Tochter des Unternehmensgründers, und der wiederum ist bestens in der Pekinger Führung vernetzt. China fühlt sich durch die Festnahme provoziert.
Die USA werfen Huawei vor, Sanktionsbeschlüsse gegen den Iran verletzt zu haben. Aber der Konzern, einer der weltweit größten Telekommunikationsausrüster und nach Samsung der zweitgrößte Handyhersteller, galt in den USA schon vorher als Sicherheitsrisiko. Zu eng, heißt es, arbeite er mit den chinesischen Geheimdiensten zusammen. Deshalb gibt es in den USA keine öffentlichen Aufträge mehr für Huawei. Auch andere Länder, wie Australien und Neuseeland, arbeiten bei sensiblen Vorhaben, etwa dem Aufbau ihrer 5G-Netze, nicht mehr mit dem Konzern zusammen.
Der Handelsstreit wird zum Technologiekrieg
Damit wächst sich der Handelsstreit zu einem regelrechten Technologiekrieg aus. Und dahinter wiederum steckt ein Systemkonflikt, der sich auf alle Ebenen – Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Militär – auszuweiten beginnt. Eine Rede von US-Vizepräsident Mike Pence Anfang Oktober vor dem Hudson Institute in Washington konnte wie die Ankündigung eines neuen Kalten Kriegs verstanden werden.
Pence warf China darin vor, Wahlen in den USA beeinflussen zu wollen. Für Amerika gehe heute von keinem anderen Land eine größere Bedrohung aus. Die USA hätten gehofft, die wirtschaftliche Liberalisierung Chinas würde das Land zu einem Partner machen. Stattdessen habe China sich für den Weg der "ökonomischen Aggression" und wachsender militärischer Macht entschieden.
Im Südchinesischen Meer hat die Aufrüstung begonnen
Der Vizepräsident mag in Sachen China den besonders harten Hund geben, aber man täusche sich nicht: Die Kritik an Peking ist in Washington parteiübergreifend, und auch in der amerikanischen Wirtschaft wächst die Ernüchterung. Aus der Hoffnung auf einen responsible shareholder, auf ein Land, das Mitverantwortung für eine funktionierende internationale Ordnung übernimmt, ist die Abneigung gegen einen strategic competitor geworden, einen Rivalen um die Weltmacht.
Die strategische Konfrontation der beiden Supermächte wird vor allem im westlichen Pazifik offenbar, in dem die Vereinigten Staaten seit mehr als hundert Jahren militärisch dominieren. Inzwischen baut auch Peking seine Streitkräfte rasant aus, nicht zuletzt die Marine. Im Südchinesischen Meer hat das chinesische Militär Felsen und Riffe zu Flugplätzen und Häfen ausgebaut. Die Vereinigten Staaten wiederum sind nicht bereit, den Anspruch der Volksrepublik auf fast das gesamte Seegebiet hinzunehmen. Regelmäßig zeigt die US-Navy deshalb im Südchinesischen Meer Flagge.
Zum Streit könnte es bald auch bei den Atomwaffen kommen. Die USA begründen ihren geplanten Ausstieg aus dem Abkommen über die Mittelstreckenraketen (INF-Vertrag) nicht nur mit Verstößen durch Russland. Seitdem die Vereinbarung im Jahr 1987 von Ronald Reagan und Michail Gorbatschow unterzeichnet wurde, hat China die Zahl seiner Mittelstreckenraketen auf viele Hundert erweitert. Nur fallen diese nicht unter den INF-Vertrag, der allein Russland und die USA bindet. Für die Regierung Trump ein unhaltbarer Zustand.
Vor anderthalb Wochen haben die Vereinigten Staaten ihren früheren Präsidenten George H. W. Bush zu Grabe getragen. Mit seiner besonnenen Politik hatte er großen Anteil daran, dass der Kalte Krieg Ende der Achtzigerjahre friedlich zu Ende ging. Und während Amerika um diesen Staatsmann trauert, ist die Rede von einem möglichen zweiten Kalten Krieg, in dem sich dann die USA und China gegenüberstehen würden.
Noch kann eine neue weltpolitische Eiszeit abgewendet werden. Die Chancen dafür wären allerdings größer, säße auch heute ein erfahrener, vorsichtig agierender Präsident im Weißen Haus. So aber können wir uns nicht sicher sein, ob uns die Torheit der Regierenden nicht wieder in eine gefährliche und völlig überflüssige Konfrontation treibt.