Wenn man ein Ziel nicht schafft, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder man strengt sich stärker an. Oder man gibt das Ziel auf.
Genau vor dieser Entscheidung stehen die Verhandler einer möglichen Jamaika-Koalition: Entweder sie sorgen dafür, dass die nächste Bundesregierung mehr für den Klimaschutz tut (wie es zwar alle, die da mitverhandeln, früher mal versprochen haben, tatsächlich aber nur die Grünen wollen, und selbst die scheinen sich ja nicht mehr ganz so sicher, wie dringend ihnen das Anliegen ist). Oder aber alle machen
so weiter wie die bisherigen Koalitionen und geben damit das Ziel faktisch auf.
In der Vergangenheit hat die
zweite Lösung politisch ganz gut funktioniert, nicht nur weil viele Bürger es so ganz genau dann doch nicht wissen wollten. Auch die Folgen des Klimawandels waren hierzulande einfach noch nicht besonders schlimm. Man konnte sie ganz gut ignorieren, musste nur ab und zu weghören, wenn im Fernsehen mal wieder die Bewohner der Südseeinseln von ihrem baldigen Untergang berichteten, die Afrikaner vom Wachstum der Wüsten oder irgendein Naturfreak vom Ende der Eisbären. Künftig aber wird das Ignorieren nicht mehr ganz so einfach. Denn der Klimawandel geht ja dummerweise nicht einfach weg, seine Folgen werden im Gegenteil immer stärker, die Stürme, Überschwemmungen und Erdrutsche. Das jedenfalls belegt die Klimaforschung inzwischen so überzeugend, dass nur noch Donald Trump und ein paar andere dumpfe Ignoranten das Problem leugnen.
Was also tun? Klar wäre es richtig, die nächste Bundesregierung ränge sich durch,
endlich ernst mit dem Klimaschutz zu machen. Allerdings haben die hiesigen Gegner ein interessantes Argument: Selbst wenn Deutschland von heute auf morgen keine Treibhausgase mehr in die Luft blasen würde, so sagen sie, würde das in der Atmosphäre nicht viel ändern. Denn wir sind gerade mal für gut zwei Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich – und damit für ziemlich wenig. Selbst wenn wir unsere Wirtschaft also über Nacht komplett umbauten, würde das allein den Untergang der Südseeinseln nicht verhindern.
Stimmt. Allerdings ist diese Betrachtung der Welt ziemlich naiv. Denn wer so denkt, unterschätzt die Wirkung von Politik: Regierungen, Unternehmen und Menschen lernen voneinander und zwar weltweit. In Bonn kann man das gut beobachten. Dort sind auf der Klimakonferenz für zwei Wochen 25.000 Menschen aus aller Welt zu Gast. Sie kommen längst nicht nur, um im offiziellen Teil der Veranstaltung über das Kleingedruckte in den Klimaverträgen zu streiten. Viele von ihnen werden eher die begleitenden Ausstellungen, Präsentationen und Debatten besuchen. Sie bilden sich weiter, sammeln gute Ideen und nehmen neue Kontakte mit nach Hause.
Womöglich ist dies sogar der wichtigste Teil der Konferenz: Denn im offiziellen Teil streiten die Delegierten zwar darüber, wie die einzelnen Versprechen, die ihre Regierungen auf der Pariser Konferenz vor zwei Jahren abgegeben haben, umgesetzt und verglichen werden können. Doch klar ist auch: Bisher reichen diese Zusagen nicht. Selbst wenn die Pariser Versprechen eingehalten werden, erwärmt sich die Atmosphäre immer noch um drei Grad.
Also muss mehr Ehrgeiz her, mehr
Yes, we can. Das aber entsteht vor allem dadurch, dass Vorreiter zeigen, wie es geht und dass es geht. Und genau darum ist es so wichtig, das sich die Jamaika-Koalition auf einen
schnellen Kohleausstieg einigt. Dass sie darauf drängt, die Autoindustrie umzubauen. Die Landwirtschaft umweltfreundlicher zu machen. Wenn Deutschland zeigt, dass das geht, werden auch andere nachziehen.
Vor knapp drei Jahrzehnten hat so etwas schon einmal geklappt. Damals hat die Bundesregierung durch ein gewagtes Gesetz, durch das EEG, dem Ausbau der erneuerbaren Energien den entscheidenden Schub gegeben. Was aber noch wichtiger war: Es hat vor allem das Denken weltweit revolutioniert und Unglaubliches denkbar gemacht. Heute können sich Menschen auf der ganzen Welt vorstellen, dass wir unsere Energie eines Tages komplett durch Sonne, Wind und Wasser erzeugen. Und dass sich das nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Wirtschaft lohnt.
Auf eine ähnlich optimistische Version der Zukunft müsste sich Jamaika doch eigentlich auch einigen können – die Fortschrittfans von der FDP, die Umweltschützer der Grünen und die Heimatbewahrer in CDU und CSU. Darauf, dass sie heute die Weichen richtig stellen, damit Deutschland morgen weiter an der Spitze der Innovation liegt. Denn eines ist doch klar: Die Stars von morgen sind die, die heute eine fortschrittliche Klimapolitik betreiben.