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heftige Frage zum Wochenanfang: Ist der Acht-Stunden-Tag noch zeitgemäß? Nein, glaubt der Rat der Wirtschaftsweisen und fordert eine Lockerung des Arbeitszeitgesetzes. Flexible Arbeitszeiten seien »wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen«, erklärte »Weisen«-Vorsitzender Christoph Schmidt der »Welt am Sonntag«. Der Arbeitnehmerschutz habe sich zwar bewährt, er sei aber teils »nicht mehr für unsere digitalisierte Arbeitswelt geeignet«: Die Vorstellung, »dass man morgens im Büro den Arbeitstag beginnt und mit dem Verlassen der Firma beendet«, sei »veraltet«. Unternehmen bräuchten die Sicherheit, dass sie nicht gesetzeswidrig handelten, wenn ein Angestellter abends noch an einer Telefonkonferenz teilnehme und dann morgens beim Frühstück schon wieder Mails lese.
Hintergrund der Sache: Die Metall-Tarifverhandlungen stehen an, und die Reform des Arbeitszeitgesetzes ist gerade eines der heißen Themen bei den Sondierungsgesprächen über eine Jamaika-Koalition in Berlin. Arbeitgeber fordern ohnehin seit Längerem – Polizisten, Feuerwehrleute, Krankenhausangestellte, Schichtarbeiter bitte hier nicht weiterlesen! –, die tägliche Arbeitszeit nicht mehr auf acht Stunden am Tag zu begrenzen, sondern als Limit nur noch die maximale Wochenarbeitszeit von 48 Stunden gelten zu lassen.
Die Gewerkschaften lehnen das ab. Von einer »Streichung des Feierabends« ist die Rede; Möglichkeiten für flexibles Arbeiten gebe es auch jetzt schon: Immerhin hätten die Arbeitnehmer im Jahr 2016 1,8 Milliarden Überstunden angesammelt. Und »Digitalisierung«, das bedeute für die meisten Beschäftigten schlicht die Verdichtung ihrer Arbeit bis hin zur ständigen Erreichbarkeit. Tatsächlich ist in der Realität der Acht-Stunden-Tag für viele längst Makulatur. 65 Prozent der Beschäftigten leisten regelmäßig Überstunden, rund ein Fünftel (22 Prozent) muss auch in der Freizeit für die Arbeit verfügbar sein, das ergab bereits vor drei Jahren das iga-Barometer der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherungen. Schon davor hatten Umfragen ans Licht gebracht, dass mittlerweile fast jeder Zweite im Urlaub ein bis zwei Stunden am Tag arbeitet – durch Smartphones ist für viele die Dauererreichbarkeit auch in der Freizeit schon fast normal. Zugleich ist Dauerstress im Job einer der häufigsten Gründe für Erkrankungen. Wohin das im Extrem führen kann? Erst kürzlich wurde der Fall einer 31-jährigen Japanerin bekannt, die nach 159 Überstunden in einem Monat an Herzversagen starb – selbst nach Ansicht der Behörden bestand da ein Zusammenhang! Andererseits wünschen sich nicht nur international arbeitende Unternehmen eine Abkehr von starren Regeln. Auch viele Arbeitnehmer wollen flexibler arbeiten, um so Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren zu können. Dazu kommt, dass nicht jede Mail am Abend, nicht jeder Überstundentag gleich Stress bedeutet – es kommt immer auf die Bedingungen an. Und auf die Motivation und die Freiheiten, die der Einzelne hat. Da belegen Studien, dass Arbeiter und einfache Angestellte weit mehr stressbelastet sind als Manager. Auch das spricht aber dafür, zum Schutz der Schwächeren den Arbeitsschutz zu lassen wie er ist; Ausnahmen, siehe Polizei und Co, gibt es bereits genug. Und so häufig die gesetzlichen Regelungen schon zur Farce verkommen sind – ihre Verteidiger fürchten, dass, werde einmal an ihnen gerührt, noch weitere Hemmungen fielen. Wäre doch gelacht, wenn dann jemand nicht auch die Wochenarbeitszeit ausweiten wollte. Nur damit mehr Geld aufs Offshore-Konto fließt.
Aufruhr wegen 100 Stones-Tickets 82.000 Menschen verfolgten Anfang September das Konzert der Rolling Stones im Stadtpark. Hundert von ihnen hatten ihre Tickets für lau über das Bezirksamt Hamburg-Nord bekommen, das die Freikarten wiederum vom Veranstalter FKP Skorpio erhalten hatte. Was bis dato Reaktionen von »Ist so üblich« bis zu »Die haben’s nötig!« ausgelöst hat, ist nun ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Wie der »Spiegel« berichtet, wurde von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, außerdem sei eine anonyme Strafanzeige eingegangen. Gegen wen und weswegen, ob wegen Bestechung, Bestechlichkeit oder Vorteilsannahme im Amt, darüber wollte sich die Sprecherin der Staatsanwaltschaft laut »Spiegel« nicht äußern. Laut dem stellvertretenden Bezirksamtsleiter Tom Oelrichs seien dem Amt die Tickets als »Arbeitskarten« angeboten worden, man habe sie angenommen, damit die Verwaltung, aber auch Kommunalpolitiker einen »unmittelbaren dienstlichen beziehungsweise politischen Eindruck« gewinnen konnten. Die Hälfte der Tickets sei unter anderem an Mitarbeiter, die vor Ort die Einhaltung von Vorgaben kontrollieren sollten, verteilt worden, aber auch an jene, die wegen der Veranstaltung Überstunden machen mussten. Die andere Hälfte bekamen Mitglieder der Bezirksversammlung angeboten. Dass damit der Weg für zukünftige Großveranstaltungen geebnet werden sollte, streitet ein Sprecher des Veranstalters ab: »Es ist auch unrealistisch zu glauben, dass so etwas auf diesem Wege möglich wäre.« Wir hätten uns gern von der Situation einen unmittelbaren dienstlichen Eindruck verschafft; allein, uns fehlten die Arbeitskarten. |
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