Liebe Frau Dr. acad. Sommer,
ich bin seit Jahren Professorin und Expertin für Genderfragen in meiner Disziplin. Die Spiele mit Macht im Kontext von universitären Genderverhältnissen sind mir eigentlich bestens vertraut. In meiner neuen Führungsposition überrascht mich, dass weniger prestigeträchtige (operative) Aufgaben mir zufallen – hingegen können meine neuen Kollegen mit den angeseheneren Aufgaben glänzen. Zugleich fühle ich mich verantwortlich, die mir zugefallenen Arbeiten auch zu erledigen. Ich bin fassungslos, dass ausgerechnet mir das passiert. Wie gehe ich damit um?Liebe Frau Prof. X,
zunächst: Es ist normal, beim Statusübergang in eine neue Führungsposition Spiele dieser Art zu erleben. Dies verunsichert und es ist menschlich, in solchen Situationen berührt oder getroffen zu sein. Nehmen Sie Ihre Irritation, Kränkung, Scham oder Ihren Ärger als "Seismographen" ernst, aber richten Sie diese Emotionen nicht gegen sich selbst, z.B. als Schuldzuweisung.
Patentrezepte für solche Situationen sind wenig hilfreich. Entwickeln Sie eine für Sie und die Situation passende Strategie z. B. anhand folgender Ideen:
Versuchen Sie, sich zu behaupten. Gehen Sie in Distanz durch eine (innere) oder/und zeitliche, räumliche Abgrenzung: "Einen Augenblick, ich bin gleich wieder bei Ihnen" (aufs Handy schauen, kurz rausgehen, etwas aus der Tasche holen). Lassen Sie solche Augenblicke nicht zu tief an sich heran, spielen Sie in dem Moment Ihre Berufsrolle.
Versuchen Sie es auch mit Doppelbotschaften oder einer Retourkutsche. Betrachten wir mal das „Doing Gender“ im bekannten Kaffee-Beispiel: Ein Kollege spricht Sie bei einem wichtigen Meeting vor anderen an, Kaffee zu organisieren. Was tun? Es bedarf einer situativ schnellen, einfachen Reaktion und zugleich einer nachhaltigen Positionierung:
Variante 1: „Kaffee ist eine gute Idee, Herr Kollege. Am Eingang steht jemand vom Service, versuchen Sie es dort mal, sie werden sicherlich Kaffee organisieren.“
Variante 2: Akzeptieren Sie die Aufgabe für später und bringen Sie den anderen in Unterlegenheit: „Prima Vorschlag. Sie wissen ja, es steht noch ein für uns wichtiges Telefonat an (mit dem/der Präsident/in, der DFG, der Pressestelle), das ich jetzt führen werde. Übernehmen Sie bitte deshalb diese Runde, ich dann die Nachmittagsrunde.“
Variante 3: Akzeptieren Sie (verbal) die Aufgabe, bleiben Sie jedoch (auch nonverbal) auf Augenhöhe und lassen Sie sich nicht in eine Unterlegenheit bringen: „Gute Idee, dass wir den Kaffee selbst organisieren. Diese Runde geht auf mich. Dann übernehmen Sie die nächste Runde und versorgen uns am Nachmittag!“
Übertragen Sie Ihre Haltung und diese Strategien auf andere Bereiche und Statusrangeleien – z.B. Übernahme von Vorsitzen, Verteilung von Statussymbolen oder Räumen, Reihenfolge der Autorenschaft oder Protokollführung.
Vertrauen Sie auch Ihrer eigenen Kompetenz: Was würden Sie einer ehemaligen Studentin raten, die jetzt in einer Führungsposition ähnliches erlebt und Sie um Rat bittet? Nutzen Sie dieselben Strategien für sich! Und seien Sie selbstverzeihlich, denn Wissen um Doing Gender verhindert nicht, darin involviert zu werden.
Dr. Monika Klinkhammer ist Coach, Supervisorin, Trainerin, Ausbildungsleiterin und Lehrcoach. Schwerpunkte u.a. Führung und Konfliktmanagement. Sie schreibt für das Coachingnetz Wissenschaft als "Dr. acad. Sommer". Kontakt: www.MonikaKlinkhammer.de