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Verzerrtes Bild Lieber Herr Wiarda, dass sich gerade ein Journalist wundert, dass Menschen ihre Beiträge mit Zitaten einleiten, das überrascht mich dann doch. Auch ich – weiterhin Student und ehemals gewählter Vertreter – besuche gerne Diskussionsveranstaltungen, habe aber nie Zitatesammlungen mitgebracht! Ein langfristiges Engagement in den Gremien kann sich dennoch lohnen. Denn die zahlreichen Rechtsdokumente, Strukturen und Zusammenhänge im Hochschulwesen versteht niemand von heute auf morgen. Ein bisschen Erfahrung hilft ungemein, um sich argumentativ und habituell gegenüber erfahreneren Präsidentinnen und Journalisten behaupten zu können. Es gibt gewiss auch ein paar Platzhirsche hier und da, die sich mit oder ohne Wahlamt festhalten und es mit ihrem gesammelten Herrschaftswissen den Neuen schwer machen. Diese sollten ihre Stellung durchaus einmal überdenken. Die überragende Mehrheit der tausenden Studierendenvertreter*innen aber absolviert ihr Studium mehr oder minder in Regelstudienzeit. Aus diesem Grund treffen Sie diese auch so selten bei bundesweiten Diskussionsrunden an. Vielleicht haben Sie deshalb ein verzerrtes Bild davon, wie Studierendenvertreter*innen eigentlich aussehen? Die meisten versuchen, neben einem vollen Semester und knapper Studienfinanzierung noch zehn bis zwanzig Stunden die Woche aufzubringen, um Kommilitonen*innen zu beraten und Prüfungsordnungen mitzugestalten. Die meisten Studierendenvertretungen freuen sich auch über gute Beratungsangebote und viele engagieren sich ganz lebhaft für das langjährig erprobte und bewährte Konzept „nachgelagerte Studiengebühren“ namens „Steuern“. Ist Ihnen nie aufgefallen, wie viele Pressemitteilungen und Protestmaterial Studierendenvertretungen gerade zu den Themen BAföG und der sich alljährlich überraschend wiederholenden Wohnungsnot produzieren? Und warum sollten sich jüngere und ältere Vertreter*innen in dieser Hinsicht unterscheiden? Sie merken ganz richtig an, dass viele Studierende sich gezwungen fühlen, schnell durchs Studium zu kommen. Das Problem der Studienfinanzierung kennen auch viele Studierendenvertreter*innen ganz persönlich. Wer sich aber kaum Zeit nehmen kann, dem fällt es nicht leicht, Strukturen und Prozesse an den Hochschulen zu hinterfragen und zu kritisieren. Sich Zeit zu nehmen und Gedanken zu machen ist nicht nur hilfreich, sondern auch ganz im Sinne des Bildungsideals, für das viele von uns kämpfen. Um das zu erleichtern, sollte unter anderem endlich das BAföG von der Regelstudienzeit losgelöst werden. Für eine bessere Studienfinanzierung, aber auch als Signal: Denn das Ende der Regelstudienzeit ist nicht das Ablaufdatum einer individuell erfolgreichen Studienzeit. Lieber Herr Wiarda, abschließend ein Vorschlag: Damit wir das ein oder andere Klischee über Studierendenvertretungen loswerden und Ihr Bild von ihnen entzerren können, lade ich Sie ein, eine Reportage über die alltägliche Arbeit einer Studierendenvertretung zu schreiben. Aber passen Sie auf, dass nicht nur die älteren zu Wort kommen! Jan Cloppenburg hat Politikwissenschaft an der Uni Bremen studiert (B.A.), war dort in AStA, Senat und Studierendenwerk aktiv und schließlich im Vorstand des studentischen Bundesverbandes fzs. Jetzt macht er einen Master in Wissenschaftsforschung an der HU Berlin und ist derzeit für ein Auslandssemester in Vancouver. | |
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