Paradise Papers | Klimawandel an den Unis? | 3½ Fragen an Franziska Chuleck | Gastkommentar Jan Cloppenburg: Ein verzerrtes Bild

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
der CHANCEN Brief vom vergangenen Montag (6.11.) hat Protest ausgelöst – genauer: der dort vorgebrachte Standpunkt von Jan-Martin Wiarda zum Thema Studentenvertreter. Irgendwie vorgestrig seien sie, fernab der Regelstudienzeit und daher nicht mehr dran an den „drängendsten Problemen und Wünschen der heutigen Studenten“, schrieb Wiarda. Widerworte erreichten uns unter anderem von Franziska Chuleck, Studierendenvertreterin an der TU Ilmenau, und vom Ex-AStA-Mtglied Jan Cloppenburg von der HU Berlin. Beide kommen heute bei uns zu Wort – in Fragebogen und Gastkommentar.
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
#ParadisePapers: Auch Universitäten in der Oase
Die Paradise Papers enthüllen nicht nur die Steuerspartricks einzelner Individuen und Konzerne – sondern legen auch Investments von Universitäten und Stiftungen offen (Tagesspiegel). Oxford und Cambridge etwa haben hunderte Millionen Pfund in Offshore Funds und Private Equity-Partnerschaften auf den Cayman-Inseln investiert, das Geld fließt insbesondere in die Entwicklung der Öl-Industrie (Guardian). Ähnlich in den USA: Auch hier umgehen die Universitäten die Versteuerung, indem sie ihre Stiftungsvermögen durch die Oasen schleusen. Dabei geht es nicht nur um das Geld selbst, wie die New York Times schreibt – sondern um die Vermeidung öffentlicher Konflikte auf dem Campus: „American colleges and universities. Schools have increasingly turned to secretive offshore investments, the files show, which let them swell their endowments with blocker corporations, and avoid scrutiny of ventures involving fossil fuels or other issues that could set off campus controversy.“ Und in Deutschland? Die Curt-Engelhorn-Stiftung und das Heidelberg Center for American Studies wiesen Vorwürfe der unlauteren Finanzierung zurück. (Rheinische Post
  
 
 
GWK: Mehr Geld für Professorinnen und Technik
Die GWK hat getagt. Vereinbart wurde, was ohnehin gesetzt schien, nämlich die Verlängerung des Professorinnenprogramms. Die 3. Runde des Programms läuft von 2018 bis 2022; Bund und Länder stellen dafür 200 Millionen Euro bereit. Beschlossen wurde außerdem eine Budgetaufstockung für die Akademie der Technikwissenschaften (acatech), der ab 2018 jährlich 3,75 Millionen Euro zur Verfügung stehen werden (derzeit: 2,5 Millionen Euro). Den Aufwuchs trägt Bayern, das Sitzland der Akademie. 
  
 
 
Debatte: Klimawandel an deutschen Unis?
Verändert sich das Diskussionsklima an den Universitäten zum Schlechteren? „Banalitäten werden skandalisiert, der Wunsch, alles richtig zu machen und auf jede Befindlichkeit zu achten, hat vielerorts Überhand genommen. Ständig fühlt sich jemand verletzt“, so schreibt die Welt. DHV-Präsident Bernhard Kempen warnt – in einem zugehörigen Interview – vor einem „Klima der Political Correctness“ (Deutschlandfunk) Aber stimmt das wirklich? Wie repräsentativ sind die zitierten Einzelfälle für die gesamte deutsche Hochschullandschaft? Wir steuern zum Thema nochmal einen Text aus unserem Archiv bei: „Kommt eine neue Studentenrevolte?“ (ZEIT 27/2017). Außerdem interessant: Die Auseinandersetzung um Eugen Gomringers Gedicht „Avenidas“ an der Berliner Alice Salomon Hochschule scheint in erster Linie eines zu befördern – interessante Debatten über das Selbstverständnis akademischer Bildungseinrichtungen. 
  
 
 
Schavan zieht sich von KAS zurück
Wow, das war in den letzten Wochen ein Machtschauspiel allerersten Ranges: der Kampf um den Vorsitz der Konrad-Adenauer-Stiftung, den Norbert Lammert und Annette Schavan je beide für sich beansprucht hatten. Nun scheint das Duell entschieden; der Schwäbischen Zeitung sagte Schavan: „Für den Vorsitz der Konrad-Adenauer-Stiftung stehe ich nicht zur Verfügung“; ihre Aufgaben „als Botschafterin beim Heiligen Stuhl nehme ich gerne und mit Freude wahr. Deshalb bin ich auch nicht auf der Suche nach anderen Tätigkeiten.“
 
  
 
 
Kenia: Ambivalente Qualitätsoffensive
Eine sehr ambivalente Meldung, die viel über den Aus- und Umbau des globalen Hochschulsystems verrät, kommt aus Kenia: Ab Januar 2018 dürfen an Kenias Universitäten nur noch jene Lehrende unterrichten, die mindestens einen PhD haben. Das klingt nach Qualitätsoffensive, bedeutet aber de facto eine Ad hoc-Überforderung für den ganzen Sektor. Derzeit haben 8.500 Lecturer keinen PhD, sie werden also heruntergestuft. Für die Übernahme der Lecturer-Positionen wiederum hat das Land noch nicht ausreichend Personal bereitstehen – laut Regierung gibt es in Kenia 400 volle Professoren, 600 assoziierte Professoren und weniger als 7.000 PhDs; in den vergangenen fünf Jahren wurden rund 1.200 Doktortitel vergeben. Die ganze Analyse steht bei University World News.
 
  
   
   
   
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Die Zahl
 
 
   
72,4 Prozent

der Studierenden in Greifswald radeln mit dem Fahrrad zu ihrer Universität.
Gegenbeispiel Neunkirchen im Saarland:
90,2 Prozent der Neunkirchner Studierenden fahren mit ihrem Auto zur ASW Berufsakademie Saarland.

 
 
Quelle: CHE Hochschulranking
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Franziska Chuleck

Studierendenvertreterin an der TU Ilmenau und Informatik-Studentin
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Das Qualitätsmanagment (QM) hilft, die Studiengänge weiterzuentwickeln und die Lehre noch weiter zu verbessern. Doch in vielen Fällen haben sowohl Studierende als auch Professor*innen Schwierigkeiten mit dem QM – die einen, weil sie die Reaktionen nicht sehen und das Gefühl haben, es würde sich nichts bewegen; und die anderen, weil sie das QM als notwendiges Übel und nicht als hilfreiche Unterstützung zur Weiterentwicklung empfinden. Meist ist das Problem, dass nur wenige Menschen viel über das QM wissen und sich darin zurecht finden.
 
Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Der Druck im Studium für uns Studierende, indem das Studium weniger verschult ist und es weniger prüfungsrechtliche Vorgaben gibt. Die letzte Erhebung des DSW hat gezeigt, dass die Zahl der Studierenden mit psychischen Erkrankungen wieder gestiegen ist. Das kann niemand wirklich wollen, gerade weil es eine Folge des gestiegenen Drucks im Studium ist. Wir wünschen uns mehr Freiheit im Studium, mehr Möglichkeiten, Fächer und Seminare zu wählen. Auch Nebenfächer können den Blick über den Tellerrand ermöglichen, gerade im MINT-Bereich. Auch der massive Druck, dass wir die Regelstudienzeit unbedingt einhalten müssen, ist sehr schädlich. Das, was eigentlich als Beschränkung für die Hochschulen gedacht war, um die Studiengänge inhaltlich nicht zu überladen, ist nun ein Druckmittel gegen Studierende, gerade in Sachen BAFöG.
 
Lektüre muss sein. Welche?
Fantasy in allen Variationen. Nach Fachliteratur und Prüfungsordnungen tauche ich gerne in andere Welten, zaubere mit Hermine, folge Lucy in den Schrank, lerne mit Lyra das Alethiometer kennen, reise mit Gwen durch die Zeit und kämpfe mit Éowyn um Mittelerde.
 
Und sonst so?
Um es mit den Worten von Albus Dumbledore aus dem dritten Harry-Potter-Film zu sagen: „Happiness can be found even in the darkest of times, if one only remembers to turn on the lights.“
   
   
 
 
   
 
 
   
   
   
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Gastkommentar
 
 
   
   
von Jan Cloppenburg
   
   
   
Verzerrtes Bild
Lieber Herr Wiarda, dass sich gerade ein Journalist wundert, dass Menschen ihre Beiträge mit Zitaten einleiten, das überrascht mich dann doch. Auch ich – weiterhin Student und ehemals gewählter Vertreter – besuche gerne Diskussionsveranstaltungen, habe aber nie Zitatesammlungen mitgebracht! Ein langfristiges Engagement in den Gremien kann sich dennoch lohnen. Denn die zahlreichen Rechtsdokumente, Strukturen und Zusammenhänge im Hochschulwesen versteht niemand von heute auf morgen. Ein bisschen Erfahrung hilft ungemein, um sich argumentativ und habituell gegenüber erfahreneren Präsidentinnen und Journalisten behaupten zu können.
Es gibt gewiss auch ein paar Platzhirsche hier und da, die sich mit oder ohne Wahlamt festhalten und es mit ihrem gesammelten Herrschaftswissen den Neuen schwer machen. Diese sollten ihre Stellung durchaus einmal überdenken. Die überragende Mehrheit der tausenden Studierendenvertreter*innen aber absolviert ihr Studium mehr oder minder in Regelstudienzeit. Aus diesem Grund treffen Sie diese auch so selten bei bundesweiten Diskussionsrunden an. Vielleicht haben Sie deshalb ein verzerrtes Bild davon, wie Studierendenvertreter*innen eigentlich aussehen?
Die meisten versuchen, neben einem vollen Semester und knapper Studienfinanzierung noch zehn bis zwanzig Stunden die Woche aufzubringen, um Kommilitonen*innen zu beraten und Prüfungsordnungen mitzugestalten. Die meisten Studierendenvertretungen freuen sich auch über gute Beratungsangebote und viele engagieren sich ganz lebhaft für das langjährig erprobte und bewährte Konzept „nachgelagerte Studiengebühren“ namens „Steuern“. Ist Ihnen nie aufgefallen, wie viele Pressemitteilungen und Protestmaterial Studierendenvertretungen gerade zu den Themen BAföG und der sich alljährlich überraschend wiederholenden Wohnungsnot produzieren? Und warum sollten sich jüngere und ältere Vertreter*innen in dieser Hinsicht unterscheiden?
Sie merken ganz richtig an, dass viele Studierende sich gezwungen fühlen, schnell durchs Studium zu kommen. Das Problem der Studienfinanzierung kennen auch viele Studierendenvertreter*innen ganz persönlich. Wer sich aber kaum Zeit nehmen kann, dem fällt es nicht leicht, Strukturen und Prozesse an den Hochschulen zu hinterfragen und zu kritisieren. Sich Zeit zu nehmen und Gedanken zu machen ist nicht nur hilfreich, sondern auch ganz im Sinne des Bildungsideals, für das viele von uns kämpfen. Um das zu erleichtern, sollte unter anderem endlich das BAföG von der Regelstudienzeit losgelöst werden. Für eine bessere Studienfinanzierung, aber auch als Signal: Denn das Ende der Regelstudienzeit ist nicht das Ablaufdatum einer individuell erfolgreichen Studienzeit.
Lieber Herr Wiarda, abschließend ein Vorschlag: Damit wir das ein oder andere Klischee über Studierendenvertretungen loswerden und Ihr Bild von ihnen entzerren können, lade ich Sie ein, eine Reportage über die alltägliche Arbeit einer Studierendenvertretung zu schreiben. Aber passen Sie auf, dass nicht nur die älteren zu Wort kommen!
 
Jan Cloppenburg hat Politikwissenschaft an der Uni Bremen studiert (B.A.), war dort in AStA, Senat und Studierendenwerk aktiv und schließlich im Vorstand des studentischen Bundesverbandes fzs. Jetzt macht er einen Master in Wissenschaftsforschung an der HU Berlin und ist derzeit für ein Auslandssemester in Vancouver.
   
   
Sind Sie anderer Meinung? Dann schreiben Sie an: chancen-brief@zeit.de
– oder twittern Sie unter #ChancenBrief
   
 
 
   
 
   
   
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
   
Macht Schluss damit Die Strukturen der Wissenschaft begünstigen, dass Macht missbraucht wird. Die Debatte darüber kann jetzt zu einem Kulturwandel führen 
 
Wenig dazugelernt
Eine Studie untersucht, was Zehntklässler können Zeit, zu gehen? Für viele Professoren ist die Wissenschaft ihre große Leidenschaft – über die Pensionierung hinaus. Von der Schwierigkeit, Abschied zu nehmen und dem Nachwuchs Platz zu machen »Ich dachte, ihre Haare seien schwarz« Die Eltern sind blind, die Tochter kann sehen – kann das funktionieren? Eine Geschichte über Vorurteile, irritierte Fragen und einen Besuch im Schuhgeschäft »Warum driften junge Menschen ab?« Islamisten sind selten gläubig und wissen wenig über den Islam. Wo aber setzt dann gute Prävention an? Am besten in den Schulen, sagt der Wissenschaftler Michael Kiefer

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
 
   
 
   
   
 
c.t.
 
 
   
 
Akademikerromantik
 
Quelle: Twitter / via @rotula und @domwasz
 
 
 
 
 
 
 
 
 
   
Luft und Liebe wünscht Ihnen

Ihr CHANCEN-Team

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