| Wird Hamburg zur Ballermann-City? Der Tourismus boomt, das wissen wir: Die Elphi-Plaza hat in einem Jahr schon vier Millionen Besucher angelockt, die Zahl der Hotelübernachtungen steigt mal wieder (auf 14 Millionen in diesem Jahr), über 26 Millionen Menschen besuchten letztes Jahr den Hafen. Sind nun alle glücklich? Mitnichten. Jochen Menzel, Sprecher des Hamburger Zukunftsrats, kritisiert uns gegenüber das Streben nach Wachstum im Tourismus. »Man kann Touristen schlecht sagen, dass sie wegbleiben sollen«, räumt er ein, »doch inzwischen sollte die Stadt zumindest weniger für sich werben. Warum auch? Seit die Elbphilharmonie da ist, kommen die Besucher von allein.« Doch: Ist Wachstum wirklich so schlimm? Schließlich sehen laut Umfrage des Tourismusverbandes »nur« 26 Prozent der Hamburger dabei negative Folgen. Ein verzerrtes Bild, meint Menzel. »Die meisten Hamburger, die in ruhigeren Gegenden wohnen, kriegen Lärm, Müll, Straßensperren natürlich gar nicht mit. Doch der Bezirk Mitte ist mit Großveranstaltungen überlastet, hier ist der Frust groß.« Außerdem: Ökologische Probleme und soziale Lasten des Tourismus, wie prekäre Arbeitsbedingungen in Hotels oder auf Kreuzfahrtschiffen, seien kaum Thema. Von den über 300 Hotels sind laut Senat nur neun als umweltfreundlich zertifiziert. Die Hamburg Tourismus GmbH müsse endlich ein Nachhaltigkeitskonzept vorlegen, so Menzel, das sich an den UN-Nachhaltigkeitszielen für Hamburg orientiert und Regeln fürs Gewerbe festlegt; dieses Konzept ist schon seit Anfang 2016 in Arbeit. Und es gelte, eine »nachhaltige Tourismusstrategie« zu entwickeln, mit einem »Tourismusgremium, das Akteure aus Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft an einen Tisch bringt«, sagt Menzel. »Von Zuständen wie auf Mallorca sind wir noch weit entfernt. Doch wir müssen uns alle engagieren, damit es nicht dazu kommt.«
»Oft geht es um Einsamkeit im weitesten Sinne« Am Sonnabend (!) feierte die Studentische Telefonseelsorge Hamburg ihren 40. Geburtstag. Wir haben den Leiter, Pastor, Diplom-Psychologen und Psychotherapeuten Christof Jaeger, gefragt, ob sich die Probleme der Anrufer in diesen vier Jahrzehnten gewandelt haben. Elbvertiefung: 40 Jahre Studentische Telefonseelsorge – ist das etwas, das man feiern sollte? Christof Jaeger: Natürlich! Wir sind froh und glücklich, dass es uns so lange gibt und dass wir jedes Semester neue Studierende finden, die viel Zeit und Engagement reinstecken. Wir sind etwas Besonderes, weil wir die Einzigen sind, bei denen nur Studierende am Telefon sitzen. EV: Welches sind die häufigsten Probleme der Anrufer? Jaeger: Die Bandbreite ist riesig und reicht von Beziehungs- und beruflichen Problemen über psychische Probleme bis hin zu Menschen, die psychisch krank sind und davor stehen, in eine Klinik zu gehen. Oft geht es um Einsamkeit im weitesten Sinne. Aber es gibt auch klassische Anfragen, wo jemand mit seinem Fach oder einer konkreten Prüfungssituation Schwierigkeiten hat. EV: Haben sich die Themen in den vergangenen Jahren verändert? Jaeger: Ich habe vor 21 Jahren die Ausbildung gemacht. Und mein Eindruck ist, dass sie sich gar nicht so wesentlich gewandelt haben – vielleicht gerade, weil es so existenzielle Probleme sind. Vor allem Beziehungsthemen sind zeitlos. Und es ist kein neues Phänomen, dass Menschen allein und einsam sind. Für die ist es eine super Sache, etwas so Niedrigschwelliges zu haben. Auf jeden Fall ist es nichts Ehrenrühriges, bei der Telefonseelsorge anzurufen. EV: Gibt es Spitzenzeiten, beispielsweise vor Prüfungsphasen oder vor Weihnachten? Jaeger: Das schwankt tatsächlich, aber total unsystematisch. Manchmal haben wir zwei Anrufe pro Abend, manchmal acht. Insgesamt sind es ungefähr 2000 pro Jahr. EV: Wie können Sie helfen? Jaeger: Die meisten wollen mit dem ernst genommen werden, was sie bewegt. Häufig geht es tatsächlich darum, die Lebenssituation auszuhalten, in der sie gerade sind und für die es im Moment einfach keine Lösung gibt. Vielen tut es gut, wenn sich das jemand anhört. EV: Ihre Mitarbeiter sind selbst noch Studenten und damit oft noch sehr jung. Haben sie genug Lebenserfahrung, die Probleme der Anrufer nachvollziehen zu können? Jaeger: Es geht weniger um das Alter als um die Frage, wie man alt geworden ist. Viele haben einiges an Leben hinter sich, aber wenig erlebt. Und es gibt Junge, die schon sehr viel erlebt haben. Es kommt immer darauf an, wie reflektiert jemand mit seinen Erfahrungen umgeht. Die Studentische Telefonseelsorge der Evangelischen Studierendengemeinde Hamburg ist an 365 Tagen im Jahr von 20 Uhr bis Mitternacht unter der Nummer 040-411 70 411 zu erreichen. Alle Anrufer bleiben anonym, auch Nicht-Studierende können anrufen. |
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