Uni auf der Flucht | Brexit: Weckruf für den Bund | Brandenburg verlagert Ministerium in die Lausitz | Standpunkt: Jan-Martin Wiarda über Verhandlungsknoten vor der Pakt-Entscheidung

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
noch einmal wach werden. Dann ist klar, wie  Bund und Länder die Wissenschaft in den nächsten zehn Jahren finanzieren wollen. Am Freitag steht die Politik vor der 100-Milliarden-Euro-Pakt-Frage. Welche Verhandlungsknoten bis dahin durchgeschlagen werden müssen, erklärt Jan-Martin Wiarda im Standpunkt und in der Fußnote gibt es kurz vor knapp noch eine Lektüre-Empfehlung zum Hochschulpakt. Ansonsten wichtig: Anna-Lena Scholz beschreibt, wie die Central European University den erzwungenen Umzug nach Wien vorbereitet und verkraftet. Jutta Allmendinger und Steffen Huck formulieren in Sachen Brexit einen Weckruf für den Bund. Und Brandenburg streitet über die geplante Verlagerung des Wissenschaftsministeriums in die Lausitz.

Besondere Ereignisse, besondere Maßnahmen: Zu den Paktentscheidungen erscheint am Montag eine monothematische Sonderausgabe des ZEIT CHANCENBriefs.

 
   
 
 
 
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Uni auf der Flucht
Eigentlich sind es nur zweieinhalb Zugstunden, die Wien von Budapest trennen. Für die Central European University sind es Welten. Der von Ungarns Regierungschef Viktor Orban erzwungene Auszug der Budapester Universität nach Wien ist aber nicht nur für die CEU viel mehr als ein bloßer Ortswechsel. Er markiert eine Zäsur – auch für die Freiheit der Wissenschaft und für Europa. „An der CEU entscheidet sich die Zukunft Europas“, sagt Michael Ignatieff, der Rektor der CEU. Anna-Lena Scholz hat die Universität in Budapest genauso besucht wie den neuen CEU-Standort in Wien. Ihr Report findet sich in der Printausgabe der aktuellen ZEIT (CHANCEN, S. 63 f.)
 
  
 
 
Brexit: Weckruf für den Bund
Noch ist der Brexit nicht besiegelt, doch seine konkreten Auswirkungen werden mittlerweile selbst im Kleinen erkennbar. Wegen des geplanten EU-Austritts seines Landes darf ein britischer Professor in Deutschland nicht weiter als Beamter tätig sein. Das Urteil des Göttinger Verwaltungsgerichts (AZ.: 3 B 92/19) betrifft konkret einen Wissenschaftler, der über seinen planmäßigen Ruhestand hinaus weiter an der Universität Göttingen forschen wollte. Das Urteil birgt Signalcharakter. Während Universitäten in Deutschland und Großbritannien keinen weiteren Weckruf benötigen und Wissenschaftsallianzen bilden, hält sich der Bund zurück. „Dies ist strategisch unklug“, schreiben Jutta Allmendinger und Steffen Huck vom Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in der aktuellen ZEIT (CHANCEN, S. 64).
  
 
 
Brandenburgs Wissenschaftsressort soll in die Lausitz ziehen
In der Diskussion über den geplanten Umzug des Wissenschaftsministeriums von Potsdam nach Cottbus geraten SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidtke und Ressortchefin Martina Münch (SPD) gut vier Monate vor den Landtagswahlen immer weiter unter Druck. Die Entscheidung, das Ministerium mit seinen rund 150 Beschäftigten zur Stärkung der strukturschwachen Lausitz ins 150 Kilometer entfernte Cottbus zu verlagern, traf das Kabinett Mitte April. Seitdem hagelt es Kritik. Sie kommt nicht nur von den betroffenen Beschäftigten, die Protestlaken an den Fenstern der Behörde anbrachten. Mit Unverständnis reagieren auch Brandenburgs ehemalige Wissenschaftsministerinnen Johanna Wanka (CDU) und Sabine Kunst (SPD). Wanka leitete das Potsdamer Wissenschaftsressort von 2000 bis 2009 und wurde später Bundesministerin. Kunst war zwischen 2011 und 2016 Ministerin im Land Brandenburg und ist heute Präsidentin der Berliner Humboldt-Universität. Für den Umzug ist ein Neubau in Cottbus nötig, der bis 2023 stehen soll. Die Kosten veranschlagt die Regierung auf rund 11 Millionen Euro (Tagesspiegel, Märkische Allgmeine).
  
   
   
   
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Mathias Brodkorb verlässt Kabinett von Manuela Schwesig
Kurz vor den Entscheidungen zu den großen Wissenschaftspakten am morgigen Freitag verliert Mecklenburg-Vorpommern mit Mathias Brodkorb einen Finanzminister mit langjähriger Expertise in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik. Am Montag erklärte der SPD-Politiker seinen Rücktritt „mit sofortiger Wirkung“. Zur Begründung gab er fehlendes Vertrauen zwischen ihm und Ministerpräsidentin Manuela Schwesig an (ZEIT Online, Süddeutsche Zeitung, NDR, FAZ). Brodkorb war im Jahr 2011 von Schwesigs Vorgänger Erwin Sellering als Bildungsminister ins Kabinett geholt worden. Bis 2016 war er Minister für Bildung und Wissenschaft und machte sich in der Zeit auch bundesweit als streitbarer Kopf einen Namen. Ab 2016 war der 42-Jährige dann Finanzminister in Schwerin. Brodkorbs Nachfolger hat Manuela Schwesig noch am Montagnachmittag benannt: Reinhard Meyer, der ehemalige Chef der Schweriner Staatskanzlei (NDR).
 
Macron schließt ENA – und gibt Beschäftigten Jobgarantie
Jetzt ist es sicher: Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron will die ENA tatsächlich abschaffen (siehe CHANCENBrief vom 24. April 2019). Die traditionsreiche Elitehochschule für Verwaltung soll durch eine „offenere“ Einrichtung ersetzt werden. Der Standort Straßburg soll erhalten bleiben, auch die ENA-Lehrkräfte sollen ihre Jobs behalten dürfen, meldet Kooperation International unter Berufung auf Le Monde.
  
 
Gynäkologen-Fachgesellschaft ernennt erstmals Frau zur Generalsekretärin
Ilse Fragale heißt die erste Frau an der Spitze der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Die Betriebswirtin ist seit längerem für den Verband tätig und arbeitete im Bereich „wissenschaftliche Studien“. Die wissenschaftliche Fachgesellschaft wurde im Jahr 1885 gegründet.
 
Stephan Baldus wird Präsident der Gesellschaft für Kardiologie
Und noch eine Personalie medizinischer Fachgesellschaften: Der Kölner Kardiologe Stephan Baldus ist zum nächsten Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie gewählt worden. Der 49-Jährige wird das Amt von Andreas Zeiher übernehmen (Universitätsklinikum Frankfurt/Main). Während seiner Präsidentschaft will sich Baldus vor allem für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses einsetzen.
  
 
Job: Lehrkraft für Sonderpädagogik an der Universität Oldenburg
Sie sind promovierter Sonderpädagoge und möchten nach einem Ausflug in die Praxis doch wieder zurück an die Hochschule. Dann empfiehlt sich ein Blick in die Stellenmarkt-Seiten der aktuellen ZEIT. Das Institut für Sonder- und Rehabilitationspädagogik der Universität Oldenburg sucht gleich zwei Lehrkräfte für besondere Aufgaben. Die Stellen sind unbefristet und – auch das steht in der Anzeige – teilzeitgeeignet. 
  
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
 
 
Standpunkt
 
 
   
von Jan-Martin Wiarda
   
 
   
Verhandlungsknoten
Heute Abend gehen die Wissenschaftsminister von Bund und Ländern in Klausur. Abseits des Protokolls wollen sie den Verhandlungsknoten durchstoßen, um am Freitag doch noch eine Einigung verkünden zu können.
Der Erwartungsdruck ist gewaltig: Vom Ergebnis der sogenannten Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern hängt ab, wie die Wissenschaft in den nächsten zehn Jahren finanziert werden kann. Drei Wissenschaftspakte mit insgesamt über 100 Milliarden Euro stehen zur Abstimmung. Mit am Tisch sitzen auch mehrere Finanzminister, was Suche nach einem Kompromiss noch schwieriger macht.
Doch es hilft nichts. Die Minister müssen liefern, das wissen sie. Ein Scheitern, erst recht am finanzpolitischen Hickhack, wäre ein fatales Signal für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wissenschaft. Um das zu verhindern müssen sich alle bewegen. Zwei Selbsttäuschungen müssen vor allem Bund und Länder hinter sich lassen.
Selbsttäuschung Nummer eins: Der Bund fordert von den Ländern im Hochschulpakt zu Recht den Einstieg in mehr Dauerstellen. Doch die Forderung wird hohl, wenn er nicht parallel anerkennt, dass Dauerstellen dauerhaft Preis- (sprich: Tarif-)steigerungen unterliegen. Weshalb es inkonsistent ist, den Ländern zugleich ein jährliches Plus zu versagen, wie es beim für die außeruniversitären Forschungsorganisationen gedachten Pakt für Forschung und Innovation seit bald anderthalb Jahrzehnten gang und gäbe ist. 
Selbsttäuschung Nummer zwei: Die Länder müssen aufhören, sich beim Pakt für Forschung und Innovation (PFI) etwas vorzumachen. Es ist richtig: Der Bund hatte 2014 zugesagt, vorübergehend das jährliche Plus allein zu tragen. Doch im GroKo-Koalitionsvertrag von 2018 steht, dass in der nächsten PFI-Runde wieder die traditionellen Finanzierungsschlüssel gelten sollen. Die Länder müssen also nachzahlen und künftig mehr zahlen.
Zuletzt ein dringender Wunsch: Liebe GWK-Mitglieder, lasst die Finger vom Qualitätspakt Lehre. Es ist das einzige Element, das systematisch neue Ideen und eine dringend nötige Debatte über exzellente Hochschullehre verspricht. Es gibt Politiker, die meinen, man könnte die versprochenen 100 Bundesmillionen als Steinbruch für die anderen beiden Pakte benutzen. Lasst das sein, es wäre ein kapitaler Fehler, der die GWK-Beschlüsse insgesamt entwerten würde.  
In der Vergangenheit haben die GWK-Kamine regelmäßig Ergebnisse und annehmbare Kompromisse produziert. Noch nie war es so wichtig, dass das auch diesmal gelingt.
   
 
   
 
   
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Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Uni auf der Flucht Die Central European University in Budapest wurde zum Symbol für die Freiheit der Wissenschaft. Nun muss sie Ungarn verlassen und zieht nach Wien. Ein Besuch am alten und am neuen Standort

Take over! Warum der Brexit eine Chance für die deutsche Wissenschaft ist – ein Beitrag von Jutta Allmendinger und Steffen Huck »Ich dachte mir: Wenn ich weine, bediene ich Klischees« Manuela Rousseau hat es in den Aufsichtsrat eines Dax-Konzerns geschafft. Ohne Kontakte, ohne Geld, ohne Abitur. Als Tochter eines Eisenbahners. Wieso gelang ausgerechnet ihr der Aufstieg? Hauptsache, der Mann hat Arbeit Eine Studie zeigt, warum sich junge Paare trennen – oder nicht

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
 
 
 
Fußnote
 
 
   
 
   
Am Freitag um 14 Uhr ist er wieder einmal gefragt: der Raum 1.088 im Berliner Bundesratsgebäude. Der Saal in dem 1904 für das Preußische Herrenhaus errichteten Bau an der Leipziger Straße ist Betriebsamkeit gewohnt. Dem Orden WIDER DEN TIERISCHEN ERNST stand Raum 1.088 für die Vorstellung neuer Ritter schon genauso zur Verfügung wie dem Stabilitätsrat oder der Ministerpräsidentenkonferenz für Pressekonferenzen. Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) war auch schon öfter zu Gast. Wenn die beiden aktuellen GWK-Vorsitzenden, Bremens Wissenschaftssenatorin Eva Quante-Brandt und Bundesforschungsministerin Anja Karliczek, am morgigen Nachmittag die erreichten Bund-Länder-Beschlüsse zu den großen Wissenschaftspakten verkünden, dürfte der Auftrieb im Saal 1.088 allerdings besonders groß sein. Es geht um 100 Milliarden Euro für die Wissenschaft. Um bei der XXL-Vergabe das tagespolitisch erzielte Ist mit dem wissenschaftsstrategisch als nötig definiertem Soll abgleichen zu können, empfiehlt sich eine vorbereitende Lektüre. In 73 Seiten packte der Wissenschaftsrat im April 2018 alles, was die akademische Bildung ab 2020 seiner Ansicht nach wirklich braucht. Zum PDF-Download geht es hier entlang.
 
Christine Prußky 
   
 
   
 
 
   
Kühlen Kopf und Augenmaß wünscht

Ihr CHANCEN-Team


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