Fünf vor 8:00: Nicht von Donald Trump erpressen lassen - Die Morgenkolumne heute von Theo Sommer

 
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FÜNF VOR 8:00
14.05.2019
 
 
 
   
 
Nicht von Donald Trump erpressen lassen
 
Die USA eskalieren den Konflikt mit dem Iran, ohne Rücksicht auf Verbündete. Deutliche Worte, aktive Diplomatie und eine wehrhafte Handelspolitik Europas sind überfällig.
VON THEO SOMMER
 
   
 
 
   
 
   

Es ist keine acht Monate her, dass Bundesaußenminister Heiko Maas eine neue Ausbalancierung der Partnerschaft zwischen Europa und den Vereinigten Staaten forderte. "Es ist von strategischer Bedeutung", schrieb er im Handelsblatt zur amerikanischen Iran-Politik, "dass wir Washington klar sagen: Wir wollen zusammenarbeiten. Aber wir lassen nicht zu, dass ihr über unsere Köpfe hinweg zu unseren Lasten handelt." Deshalb sei es richtig, europäische Unternehmen rechtlich vor US-Sanktionen zu schützen und von den USA unabhängige Zahlungskanäle einzurichten.
 
Große Worte – doch geschehen ist so gut wie nichts. Ratlos und hilflos steht Europa der erpresserischen Politik Donald Trumps gegenüber. "Amerika will den Iran fertigmachen, Europa kann es nicht daran hindern", schildert der Economist die verfahrene Lage.
 
Zur Erinnerung: Am 8. Mai 2018 war der amerikanische Präsident aus dem Nuklearabkommen mit dem Iran ausgestiegen, das die drei EU-Mitglieder Großbritannien, Frankreich und Deutschland zusammen mit den USA, Russland und China 2016 mit der Führung in Teheran abgeschlossen hatten. Der Iran verpflichtete sich darin, sein Atomprogramm auf 15 Jahre auszusetzen, 98 Prozent seines Spaltmaterials ins Ausland zu schaffen, die Uran-Anreicherung auf nicht waffenfähige 3,67 Prozent und das zur Plutoniumerzeugung geeignete schwere Wasser für seinen Arak-Reaktor auf 300 Tonnen zu begrenzen. Ein atomares Wettrüsten im Mittleren Osten wurde damit verhindert. Für seinen Atomverzicht wurde dem Iran die Aufhebung der Sanktionen versprochen.
 
Trump hatte das Abkommen schon in seinem Wahlkampf als "Desaster" und "den schlimmsten Deal der Geschichte" bezeichnet. Seitdem verfolgt er eine Politik des maximalen Drucks auf Teheran. Aufs Neue verhängte er die Wirtschaftssanktionen, die nach der Unterzeichnung des Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) aufgehoben worden waren. Niemand sollte mehr Erdöl vom Iran kaufen oder Zahlungen über iranische Banken abwickeln. Acht Länder – Indien, China, die Türkei, Griechenland, Italien, Japan, Südkorea und Taiwan – wurden für sechs Monate davon ausgenommen, doch Anfang Mai beendete Trump auch diese Ausnahmegenehmigungen und dehnte die Sanktionen überdies auf den Kauf von Eisen, Stahl, Aluminium und Kupfer aus.
 
Inzwischen geht es aber längst nicht mehr um einen Wirtschaftskrieg. Die Hardliner im Weißen Haus sind auf einen regime change im Iran aus. Trumps Nationaler Sicherheitsberater John Bolton hatte schon 2015 in der New York Times gefordert: To stop Iran’s Bomb, Bomb Iran. Außenminister Mike Pompeo richtete voriges Jahr zwölf Forderungen an die Führung in Teheran, die auf eine Totalkapitulation hinausliefen. Jetzt ließ er einen Berlin-Termin fahren, um nach Bagdad zu fliegen, angeblich, weil die Iraner "eskalatorische Aktivitäten" gegen US-Streitkräfte im Mittleren Osten betrieben – eine nebulöse Formulierung, die so wenig belegt wie einst die Behauptungen über Saddam Husseins Atomwaffen.
 
Wohl erklärte Pompeo nun, Amerika wolle keinen Krieg. Doch jetzt ist der Flugzeugträger Abraham Lincoln auf dem Weg aus dem Mittelmeer zum Persischen Golf, desgleichen eine Staffel B-52-Bomber. Die wirtschaftliche Konfrontation spitzt sich zu einer hochexplosiven Krise zu. Man kann nur hoffen, dass die Generäle im Pentagon den Kriegstreibern im Weißen Haus in den Arm fallen und dass auch der instinktiv kriegsmüde Trump sie bändigt.
 

Die Iraner haben jetzt zurückgeschlagen. Nicht nur verkündete der iranische Generalstabschef: "Wenn unser Öl nicht durch die Straße von Hormus transportiert wird, wird auch das Öl anderer Länder die Straße nicht passieren." Jetzt nimmt Präsident Hassan Ruhani die EU-Partner des Abkommens, Russland und China, in die Pflicht. Er steht zunehmend unter dem Druck der Falken. Der Iran hat die Vereinbarungen penibel eingehalten, doch die versprochene Sanktionserleichterung ist ausgeblieben.

 
Nun gibt er den Europäern 60 Tage Frist, um das Nuklearabkommen zu retten. Das heißt: Sie sollen weiter Erdöl kaufen und ferner gewährleisten, dass der Iran am internationalen Zahlungsverkehr teilnehmen kann. Auch kündigte Ruhani an, dass der Iran die beiden Vorschriften des Nuklearabkommens ab sofort missachten werde, die den Lagerbestand von schwach angereichertem Uran und von schwerem Wasser begrenzen. Bliebe es dabei, wäre der Iran zwar noch viele Jahre keine Atommacht, aber der Weg dahin würde wieder frei. Zur Rechtfertigung kann sich Ruhani sogar auf den Artikel 26 des JCPOA berufen. Er besagt, dass der Iran eine Wiedereinführung der Sanktionen oder die Verhängung neuer Beschränkungen als "Grund zur gänzlichen oder teilweisen Einstellung seiner zugesagten Leistungen" benutzen kann.
 
Die Europäer sehen sich angesichts der gefährlichen Zuspitzung in der Zwickmühle. Ihr Blockierstatut kann Unternehmen, die weiter mit dem Iran Handel treiben wollen, nicht verlässlich vor amerikanischen Strafmaßnahmen schützen, und der Instex-Mechanismus der Franzosen, Briten und Deutschen, der Bezahlung außerhalb der normalen Finanzkanäle durch Tauschhandel ermöglichen soll, steckt noch in den Anfängen. So bleibt den Europäern nur der Appell an die Kontrahenten, den Konflikt nicht weiter zuzuspitzen, sondern an den Verhandlungstisch zurückzukehren.
 
Vor allem jedoch muss der Bundesaußenminister den USA in aller Deutlichkeit klarmachen, dass sie nicht dauernd über unsere Köpfe hinweg zu unseren Lasten handeln können. Der amerikanische Sanktionswahn – allein 2018 waren es 1.373 Fälle – ist politisch nicht nur wirkungslos, er ist kontraproduktiv. 60 Jahre Sanktionen gegen Kuba haben das Castro-Regime nicht zu Fall gebracht; fünf Jahre Sanktionen gegen Russland haben Putins Herrschaft nicht unterminiert. Und im Iran zeigt sich, dass die harten Strafmaßnahmen in erster Linie das Volk treffen und damit Wasser auf die Mühlen der Hardliner sind. In den meisten Fällen schaden wir mit Sanktionen uns selbst, ohne die gewünschte Wirkung zu erzielen.
 
Und auch wenn Präsident Trump es in den Wind schlagen wird – man muss ihm immer wieder öffentlich sagen, dass Amerikas Anspruch, wonach die ganze Welt seine Gesetze befolgen muss, der Anspruch auf grenzüberschreitende Geltung seiner Sekundärsanktionen also, eine Verletzung unserer Souveränität darstellt. Erpressung à la Trump zerfrisst die atlantische Gemeinschaft. Deutliche Worte, aktive Diplomatie und eine wehrhafte Handelspolitik sind überfällig.
 
Eine "balancierte Partnerschaft" forderte Heiko Maas vergangenes Jahr, "ein Gegengewicht bilden, wo die USA rote Linien überschreiten". Große Worte, bisher wenig Substanz. Vielleicht sollte sich der Minister einen Satz auf den Schreibtisch stellen, den Bundeskanzler Helmut Kohl am 27 Januar 1982 im Sonntagsblatt schrieb: "Für mich ist Amerika keine heilige Kuh. Unter Partnern ist es auch notwendig, dass man sich offen ausspricht. Da kann es auch Kritik geben."
 
Es kann sie nicht nur geben. Gegenüber Trump muss es sie geben.

 


 
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