Regeln gegen Machtmissbrauch | Brasiliens Hochschulen in Not | Psychotherapiestudium | Gastkommentar Jutta Dalhoff: Paktchance vertan

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
wahrscheinlich haben Sie die zahlreichen Reaktionen der Hochschulen auch gesehen und wissen deshalb: Die jüngste Ausgabe des CHE-Hochschulrankings und der ZEIT Studienführer sind erschienen. Nicht ganz so viele Reaktionen gibt es – noch – auf das neue Positionspapier gegen Machtmissbrauch in der Wissenschaft. Es liegt jetzt ebenfalls frisch auf dem Tisch (Das ist wichtig). In Brasilien stürzt die rechtspopulistische Regierung von Jair Bolsonaro die Hochschulen in große Not. Die TUM hilft Bayerns Staatsregierung bei der Rettung der CEU vor der Vertreibung aus Budapest. Im Gastkommentar kritisiert Jutta Dalhoff die neuen Wissenschaftspakte als „vertane Chance“, und in der Fußnote geht es um Wissenslücken.
   
 
 
 
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Regeln gegen Machtmissbrauch
Die Berichte reichen von Demütigung über Beleidigung und Mobbing bis hin zu sexueller Belästigung – und sie reißen offenbar nicht ab. Seitdem im Jahr 2017 prominente Mobbingfälle an der ETH Zürich und der Max-Planck-Gesellschaft bekannt wurden, erfährt das Promovierenden-Netzwerk N2 nach eigenen Angaben immer wieder von neuen Fällen, die sich unter der Überschrift „Machtmissbrauch in der Wissenschaft“ subsumieren lassen. Diese Woche nun hat der Verbund N2 mit Promovierenden-Vertretern der Helmholtz-Gemeinschaft, der Leibniz-Gemeinschaft und der Max-Planck-Gemeinschaft ein Positionspapier (PDF) veröffentlicht, das potenzielle Opfer schützen und Machtmissbrauch vorbeugen soll. Insgesamt 27 Maßnahmen sind darin gelistet. Die wichtigsten Forderungen zielen auf 1) ein „flächendeckendes Promotionskomitee“, das die Abhängigkeit der Promovierenden von ihren Betreuern reduzieren soll; 2) einen Verhaltenskodex, der ein „positives Arbeitsumfeld“ und die Grenze zum Machtmissbrauch beschreibt; 3) eine Strategie zum systematischen Umgang mit Machtmissbrauch. Das Papier will N2 als „Orientierung“ verstanden wissen. Die „Bereitschaft zum Dialog“ sei in den Forschungsorganisationen vorhanden. N2 repräsentiert rund 15.000 Promovierende in Deutschland.
  
 
 
Brasilien in Not, Hoffnung in Ungarn
Die akademische Weltgemeinschaft hat ein neues Sorgenkind: Brasilien. Die rechtspopulistische Regierung von Jair Bolsonaro plant massive Einschnitte in der Wissenschaftsfinanzierung (InsideHigherEd, Deutschlandfunk Nova, The Rio Times). Die Budgets der staatlichen Hochschulen sollen in diesem Jahr um 30 Prozent gekürzt, die Ausgaben für Philosophie und Soziologie komplett gestrichen werden. Hunderte Studierende protestierten am Montag gegen die Pläne, weitere Demonstrationen sind angekündigt (Junge Welt). Ideelle Unterstützung kommt aus Deutschland und Frankreich. Die französische Rektorenkonferenz CPU und die HRK erklärten sich solidarisch. Deutschlands Hochschulen pflegen nach HRK-Angaben aktuell mehr als 600 Kooperationen in Brasilien. DAAD, DFG und die AvH fördern den Austausch mit Brasilien, das 2015 bei den Forschungsausgaben international auf Platz 9 vor Russland rangierte (Kooperation International). Einen neuen Hoffnungsschimmer gibt es dagegen an der Central European University in Budapest nach der Unterzeichnung eines Kooperationsvertrags mit der TU München (Tagesspiegel). Die TUM will drei Professuren in Budapest einrichten. Im Gegenzug, so die von der Bayerischen Staatsregierung formulierte Bedingung an Ungarns Regierungschef Viktor Orbán, soll die CEU weiterhin US-amerikanische Studienabschlüsse ausstellen dürfen. Das ist ihr aktuell versagt und für Orban der formale Hebel, um die lang vorbereitete CEU-Vertreibung aus Budapest perfekt zu machen (ZEIT Nr. 19/2019).
  
 
 
Psychotherapiestudium an der Hochschule
Und jetzt noch eine Durchsage für Hochschulen, die ihr gesundheitswissenschaftliches Studienangebot erweitern möchten: Die Debatte um die Reform der Psychotherapie-Ausbildung ist in die entscheidende, parlamentarische Phase eingetreten. Seit wenigen Tagen steht der Gesetzentwurf der Bundesregierung auf dem Server des Bundestags (PDF). Der neue Ausbildungsweg sieht nach den Vorstellungen des Bundeskabinetts ein fünfjähriges, universitäres Studium mit Start im Herbst 2020 vor. Das ist dem Bundesrat zu früh, die Länder möchten das Psychotherapie-Studium erst ein Jahr später, also ab 2021, einführen. Und – wichtig für Fachhochschulen – die Psychotherapie-Ausbildung soll nicht den Unis überlassen werden. Auch Fachhochschulen sollten das Studium anbieten dürfen (Ärzteblatt).
  
   
   
   
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Hochschule Mannheim wählt Astrid Hedtke-Becker
Die Vakanz an der Spitze der Hochschule Mannheim ist beendet. Astrid Hedtke-Becker heißt die neu gewählte  Rektorin der Hochschule. Die Sozial- und Gesundheitswissenschaftlerin war in Mannheim zuvor Dekanin der Fakultät für Sozialwesen. Als Rektorin folgt die 61-jährige auf Dieter Leonhard, der seit Jahresanfang Präsident der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes ist. 
  
 
Nicole Walger ist Direktorin der Unibibliothek Duisburg-Essen
Die Universitätsbibliothek Duisburg-Essen hat seit Monatsanfang eine neue Direktorin: Nicole Walger. Die 41-jährige Bibliotheks- und Informationswissenschaftlerin folgt auf Albert Bilo, der nach 22 Jahren als Bibliotheksleiter in den Ruhestand ging. Walger war zuletzt stellvertretende Leiterin der Unibibliothek Siegen.
  
 
Gilles Barthe und Christof Paar werden MPI-Gründungsdirektoren in Bochum
Die Max-Planck-Gesellschaft hat Gilles Barthe und Christof Paar als Gründungsdirektoren des Max-Planck-Instituts für Cybersicherheit und Schutz der Privatsphäre in Bochum berufen. Barthe ist Mathematiker, er forschte bislang am Institute for Advanced Studies in Madrid. Paar ist Kryptograf an der Uni Bochum. Eine weitere Direktorenstelle soll noch besetzt werden. Das Institut soll mit einem Jahresbudget von 20 Millionen Euro an den Start gehen, finanziert wird es von Bund und Ländern (Heise Online).

Matthias Mann und Maximilian Haider für den Europäischen Erfinderpreis nominiert
Zwei der insgesamt 15 Finalisten im Erfinderpreis-Wettbewerb des europäischen Patentamts forschen in Deutschland. Der Physiker, Biochemiker und Bioinformatiker Matthias Mann (Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried) hat es mit seiner Arbeit zur Proteinspiegel-Analyse in der Kategorie „Forschung“ ins Finale geschafft. Maximilian Haider, Professor für Elektronenoptik am KIT, ist in der Kategorie „Lebenswerk“ nominiert. Der gebürtige Österreicher erforscht und entwickelt in seiner Wahlheimat Deutschland Wege, in der Elektronenmikroskopie schärfere Bilder zu gewinnen. Die Gewinner werden am 20. Juni in Wien bekanntgegeben.
 
Job: Stabstelle Kommunikation und Marketing in Paderborn zu besetzen
Sie gehört mit rund 20.000 Studierenden und gut 2.300 Beschäftigten zu den mittelgroßen Unis in Deutschland – und wartet mit einem besonderen Governance-Modell auf. An der Universität Paderborn arbeiten Präsidium und Dekane im Consilium decanale eng zusammen, einmal im Monat trifft sich die erweiterte Hochschulleitung. Wer möchte sie nach außen vertreten und die Stabsstelle Presse, Kommunikation und Marketing übernehmen? Die Jobbeschreibung findet sich im Stellenmarkt der aktuellen ZEIT.
  
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
   
   
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Gastkommentar
 
 
   
von Jutta Dalhoff
   
 
   
Zuverlässig unverbindlich – der nächste Akt des Dramas
Der Berg hat gekreißt, drei Pakte für die Wissenschaft werden bis zum Jahr 2030 langfristig fortgeführt. Bund und Länder haben sich darauf verständigt, bis dahin mit 41 Milliarden Euro die Qualität von Studium und Lehre an Hochschulen zu verbessern (Pakt 1) und die Innovation in der Hochschullehre voranzutreiben (Pakt 2), diese beiden Pakte werden zudem auf Dauer gestellt.  Sehr viel mehr – zusätzliches - Geld als die Hochschulen bekommen aber die außeruniversitären Forschungsorganisationen und die DFG für den gleichen Zeitraum, nämlich 120 Milliarden Euro für den neuen Pakt für Forschung und Innovation PFI (Pakt 3)!
Die Mehrzahl der Kommentator*innen ist erleichtert über dieses Ergebnis der langwierigen Verhandlungen, Verlierer*innen sind aus meiner Sicht
die wissenschaftlichen Beschäftigten auf befristeten Stellen unterhalb der Professuren, da es keine verbindlichen Beschlüsse zu strukturellen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft gibt;
die Studierenden, die sich weiterhin mit in der Regel mittelmäßiger Lehre und einem schlechten Betreuungsverhältnis konfrontiert sehen werden, weil der Pakt „Innovation in der Hochschullehre“ zugunsten des Paktes für Forschung und Innovation bluten musste;
die Wissenschaftlerinnen, deren in unserer Verfassung verbrieftes Recht auf gleiche Teilhabe (auch) im Wissenschaftssystem in allen drei Pakten erneut hintenan gestellt wurde, weil das wissenschaftspolitische Ziel der Geschlechtergerechtigkeit weder als Querschnittsaufgabe noch als verbindliches Vergabekriterium verankert wurde.
Stattdessen wurden die außeruniversitären Forschungsorganisationen – und nicht die Hochschulen - aufgefordert, mit Bund und Ländern organisationsspezifische Zielvereinbarungen zu fünf forschungspolitischen Zielen – darunter „Die besten Köpfe gewinnen und halten“ – abzuschließen. Das stupfe Schwert der Selbstverpflichtungen wurde allerdings bereits in den Monitoring-Berichten zu den vorangegangenen PFI-Durchläufen erprobt und hat sich in keiner Weise bewährt. Das Kind hat lediglich den Namen gewechselt – aus Monitoring wurde Controlling – ohne, dass aus der Nichterreichung selbstgesetzter Ziele Konsequenzen erwachsen würden – so aber hatte ich bisher das Steuerungsinstrument Controlling verstanden.
Diesbezüglich also alles beim Alten mit der Wissenschaftsautonomie, für die nächste Dekade wurden nicht nur gleichstellungspolitische Chancen vertan.

Jutta Dalhoff leitet das Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung beim GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften.
   
 
   
 
 
   
 
 
 
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Die sonderbare Gelassenheit der Deutschen Zufrieden und unbeeindruckt von den Stürmen der Zeit – so zeigen sich die Menschen in Deutschland in der neuen Vermächtnis-Studie. Doch die Idylle trügt
 
»Eine Art Lügendetektor« Bei den Deutschen klaffen Selbst- und Fremdwahrnehmung auseinander. Für Jutta Allmendinger ist das ein Alarmsignal. Die Soziologin warnt vor einem Auseinanderfallen der Gesellschaft Imam gesucht Wer in deutschen Moscheen predigt, sollte auch in Deutschland ausgebildet werden. Warum klappt das nicht? Was hilft gegen Online-Islamisten? Fragen an den Islamwissenschaftler Michael Kiefer von der Universität Osnabrück

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
 
 
 
Fußnote
 
 
   
 
   
Was ist was?
Rund eine Million Pflanzen- und Tierarten auf der Erde sind vom Aussterben bedroht, meldete der Weltbiodiversitätsrat am Montag und forderte unverzüglich Maßnahmen gegen den grassierenden Artentod (Tagesschau). Das Massensterben habe nämlich längst begonnen. Wir alle zusammen und jeder einzelne Mensch für sich könne und müsse jetzt helfen. Hilfe! Die weltbekannte Riesenschildkröte und den Gorilla kann ich erkennen, wenn ich ihnen begegne. Aber was ist mit dem Grünzeug im Hinterhof? Und wer hat die Feder auf dem Fenstersims verloren? Bei der Artenbestimmung tut sich eine unermesslich große Wissenslücke auf. Das macht die Rettungsaktion nicht gerade leichter. Zum Glück gibt es "Was ist was", die Sachbuchreihe für Kinder, jetzt auch als App für ausgewachsene Berliner. Naturblick enthält Bestimmungsschlüssel und Artenbeschreibungen zu Tieren und Pflanzen. Es kann losgehen.
 
Christine Prußky
   
 
   
 
 
   
Der Plan fürs Wochenende: Arten bestimmen. 

Ihr CHANCEN-Team


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