Fakultät der Theologien? | Staatsanwaltschaft durchsucht MPI | 3½ Fragen an Kai Gehring | Gastkommentar Frank Ziegele: Reputation Race

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
„Mindestens drei deutsche Universitäten unter den 30 weltweit führenden etablieren“, nannte die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) kürzlich unter den Zielen für 2025 in ihrem Jahresgutachten. Frank Ziegele, Geschäftsführer des CHE, nimmt die EFI mal beim Wort; zu lesen im Gastkommentar. Und Kai Gehring, der sich im Bundestag für die Grünen um Hochschulpolitik kümmert, wünscht sich vom BMBF mehr Mut – im Fragebogen.
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Alle für einen?
Sie sind historische Bollwerke an deutschen Universitäten: die Fakultäten für evangelische und katholische Theologie. Wäre es nicht an der Zeit, auch die islamische und jüdische Theologie derart zu institutionalisieren? In Berlin diskutiert man sich darüber die Köpfe heiß. Der Berliner Senat will ein Institut für Islamische Theologie einrichten – doch soll selbiges an der Humboldt-Uni unter das Dach der evangelischen Kollegen oder der philosophischen Fakultät schlüpfen? (Tagesspiegel). In der aktuellen ZEIT-Beilage CHRIST & WELT fordert nun Rolf Schieder, der Leiter des Forschungsbereichs Religion und Politik an der HU, die Einrichtung einer „Fakultät der Theologien“, an der „protestantische, islamische, katholische und jüdische Theologie studiert, gelehrt und erforscht werden kann“. Schieder warnt vor „einer ‎Selbstisolation der protestantischen Theologie“ an den Universitäten; es dominiere „defensives Besitzstandsdenken“‎. Gründungsdekan ‎für die Einrichtung sollte nach Schieders Dafürhalten Christoph Markschies sein. Ob der das auch will? – Ach, und apropos Theologie. An der Universität Halle-Wittenberg streitet man sich, ganz wie die Kolleginnen und Kollegen in Greifswald (ZEIT), um den eigenen Namenspatron. Martin Luther, genau. Näheres in unserer aktuellen Ausgabe, S. 67!
  
 
 
Staatsanwaltschaft durchsucht MPI
Vergangene Woche wurde das Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München von der Staatsanwaltschaft durchsucht – wegen Verdachts auf Abrechnungsbetrug. Konkret geht es um Vorwürfe gegen den Chefarzt der dem MPI zugehörigen Psychiatrischen Klinik. Die Planck-Gesellschaft hatte bereits im vergangenen Jahr eine Wirtschaftsprüfergesellschaft beauftragt, die Vorwürfe zu prüfen. En détail: SZ; BR; Blog von Jan-Martin Wiarda
  
 
 
The F-Word
Für ein ehemaliges StartUp ist das F-Wort der Ritterschlag: „a free Facebook-style social network“, so nennt jetzt auch die New York Times die wissenschaftliche Vernetzungsplattform ResearchGate; 2008 gegründet von Ijad Madisch. 12 Millionen Mitglieder verzeichnet ResearchGate inzwischen; laut dem Unternehmen teilen sie mehr als eine halbe Million Updates zu ihrer Forschung täglich und 2,5 Millionen wissenschaftliche Publikationen monatlich. Und es wird noch doller: Das Netzwerk gab jetzt den Abschluss einer Finanzierungsrunde in Höhe von 52,6 Millionen US Dollar bekannt; das Geld kommt vom Wellcome Trust, Goldman Sachs Investment Partners & Four Rivers Group. Zu den bereits bestehenden Investoren gehören Bill Gates, Benchmark und der Founders Fund. „The fledgling company has taken advantage of the growing trend across the scientific world to open up to the wider public and take advantage of technology like machine learning to conduct projects across borders and faster“, schreibt die NYT.
  
 
 
Afrika: Hochschulpolitik wider den Brain Drain
Afrikanische Universitäten steuern derzeit 1 Prozent der globalen Forschungsleistung bei. Zu wenig, findet der Verbund „African Research Universities Alliance“ (ARUA). Deren Vorsitzender, der Ökonom und ehemalige Rektor der Universität Ghana, Ernest Aryeetey, gab University World News dazu ein lesenswertes Interview: „We want to promote Africa as a great place to study and do research. Many of those lost through the 'brain drain' are likely to have studied abroad and realised they could be more competitive from overseas bases. We want to change that. (…) Our vision is for African researchers to live in Africa, but be part of major global research networks and teams, and work with the world’s best universities and researchers. We certainly do not want our researchers to be isolated; we want them to work with the rest of the world and achieve a broader and longer reach.“ Übrigens: Deutschland und Kenia haben gerade eine gemeinsame Absichtserklärung zur Einrichtung einer „Eastern African-German University of Applied Sciences“ unterzeichnet; die deutschen Mittel für die Hochschule kommen, via Auswärtiges Amt, vom DAAD.
  
 
 
Unpolitische Politikwissenschaft?
„Alles ist politisch – nur die deutsche Politikwissenschaft nicht“, schrieb vor zwei Wochen Carlo Masala, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Politikwissenschaft, bei uns in den CHANCEN. Den Beitrag können Sie jetzt auch bei ZEIT ONLINE lesen. „Unsere Antwort“ auf den Vorwurf, das Fach sei gesellschaftsfremd und auf dem Rückzug, twitterte der Mainzer Politologe und Wahlforscher Thorsten Faas: „@MZeDf“ – das „Mainzer Zentrum für empirische Demokratieforschung“, das jetzt seine Gründungstagung abhält. Dem Wiesbadener Tagblatt hat Faas dazu ein Interview gegeben. 
  
 
 
 
   
   
   
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Kaplow spricht für Leibniz
Die Leibniz-Gemeinschaft hat eine neue Pressesprecherin: Mirjam Kaplow hat zum 1. März die Leitung des Referats Kommunikation übernommen. Die 45-jährige Germanistin leitete zuletzt die Abteilung Corporate Communications beim Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS in Berlin.

BTU: Klage abgewiesen
Absage an Wolfgang Schröder, Kanzler der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU), vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Es wies die Beschwerde Schröders gegen sein befristetes Beamtenverhältnis ab. Laut Hochschulgesetz ist die Amtszeit auf sechs Jahre befristet; Schröder wollte eine Verbeamtung auf Lebenszeit erreichen.

Neues Tschira-Kuratorium
Die Klaus Tschira Stiftung, sie sich besonders um Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik kümmert, hat ein neues Kuratorium, das sich künftig zweimal jährlich treffen wird, um die Stiftung bei ihren Förderzielen zu unterstützen. Dem fünfköpfigen Gremien gehören an: BaWü-Wissenschaftsministerin Theresia Bauer; Spektrum der Wissenschaft-Chefredakteur Carsten Könneker; Bionanotechnologiker Daniel Müller (ETH Zürich); Mathematiker Günter M. Ziegler (FU Berlin); SAP-Vice President Thomas Zurek.

Wissenschaftsstiftung des Jahres 2017
Die Gerda Henkel Stiftung wird in diesem Jahr von Deutscher Universitätsstiftung und Wissenschaftlicher Buchgesellschaft als „Wissenschaftsstiftung des Jahres“ ausgezeichnet. Die Stiftung wurde 1976 von Lisa Maskell, der Enkelin des Fabrikanten Fritz Henkel, zum Gedenken an ihre Mutter Gerda Henkel gegründet; sie fördert insbesondere deutsche und ausländische Geisteswissenschaftler/innen, die historisch arbeiten, und hat seit ihrer Gründung über 6.600 Forschungsvorhaben mit rund 160 Millionen Euro unterstützt.

Job: Haushalten am KIT
Sie können gut mit Zahlen, und ein Budget von 850 Millionen Euro jährlich versetzt Sie in Extase? Wir haben da was für Sie entdeckt, im aktuellen ZEIT-Stellenmarkt: Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sucht zum 1. Januar 2018 eine Vizepräsidentin für Wirtschaft und Finanzen (m/w). 
   
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Kai Gehring

MdB (Bündnis 90/Die Grünen); Sprecher für Hochschule, Wissenschaft & Forschung;
Mitglied und Obmann im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Dass wir bei Gegenwind noch beherzter für unsere Werte eintreten müssen! Denn plötzlich sind Selbstverständlichkeiten und Errungenschaften in Frage gestellt. So brauchen wir eine Außenwissenschaftspolitik, die Internationalisierung auf Herzenshöhe vorantreibt und den Schutz von Wissenschaftsfreiheit weltweit in den Mittelpunkt rückt. Und wir müssen gemeinsam ankämpfen gegen wachsende Wissenschaftsfeindlichkeit – vor allem seitens rechtspopulistischer Milieus – sowie die Immunisierung gegenüber Fakten aus der Forschung. Fakes und Verachtung von Wissenschaft wären Gift für unsere liberale Demokratie und moderne Wissensgesellschaft.

Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Mehr Mut im Bundesministerium für Bildung und Forschung: Immer wieder bleiben dort wichtige Studien lange liegen, werden ihre Erstellung und Veröffentlichung verzögert. Seien es der BAföG-Bericht oder Studienabbruch-Zahlen an Fachhochschulen. Oft besteht der Anschein, dass wenig überzeugende Ergebnisse und damit schlechte Nachrichten aus Kalkül zurückgehalten werden. Souverän geht anders und besser wird's dadurch auch nicht – Transparenz schaffen und handeln ist besser als aussitzen!

Lektüre muss sein. Welche?
Lesen ist mir sehr wichtig – wobei es meist Arbeit statt Freizeit ist. Privat habe ich das Buch „Wie wir begehren“ von Carolin Emcke verschlungen – ganz zu Recht Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels 2016. Empfehlenswert finde ich die „Migrationsgeschichten aus dem Deutschen Bundestag“, die mein MdB-Kollege Özcan Mutlu zusammentrug. Ans Herz legen möchte ich auch „Hauptsache Bildung“ von Klaus Klemm u.a., woran ich mitwirken durfte. Nicht nur eine unterhaltsame Reise durch die Bildungspolitik nach dem „PISA-Schock“, sondern auch Festschrift zu Ehren von Karl-Heinz Reith, langjähriger dpa-Bildungsjournalist.

Und sonst so?
Ich freue mich über mein Fachgespräch zur Geschlechterforschung hierzulande – sehr ergiebig und bestens besucht. Und ich freue mich auf den Frühling und die stets inspirierende „Lange Nacht der Wissenschaft“ in Berlin. Und ich gehe hochmotiviert in einen wider Erwarten äußerst spannenden Bundestagswahlkampf.
   
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
   
   
 
Gastkommentar
 
 
   
   
von Frank Ziegele
   
   
Reputation Race
Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) hat gerade ihr Jahresgutachten 2017 vorgelegt. Darin rät sie der Politik, für „eine Platzierung von drei oder mehr deutschen Hochschulen unter den führenden 30 Universitäten im Times Higher Education Ranking bis zum Jahr 2025“ zu sorgen. Ein deutsches Hochschultrio in der Weltspitze, das klingt nicht schlecht. Wobei sich die Frage aufdrängt: Was ist eigentlich nach den Maßstäben der globalen Ligatabellen eine „führende“ Universität?
Spielen wir das EFI-Wunschszenario für 2025 doch einmal durch. Was müssten Hochschulen und Bildungsminister(innen) dafür tun?
1. Geld zugunsten der Top-Hochschulen einsparen: Aktuelle Programme wie „Innovative Hochschule“ oder die neuen Karrierepfade für FH-Professoren sollten gar nicht erst gestartet werden. Sie bringen weder Publikationen noch internationale Reputation – also nichts, was im THE Ranking zählt. Mit dem gesparten Geld könnte man dann eine große Stabsstelle für Reputationsmanagement aufbauen, die das „Branding“ und die Finanzierung der Forschungselite übernimmt.
2. Standorte bündeln: Für eine Top-Platzierung im THE Ranking wäre es erfolgsversprechender, die LMU und die TU in München als Bundesuni zu fusionieren und einen großen Teil der „Exzellenzstrategie“-Mittel dort zu bündeln. Ähnliches geht sicher in Berlin. Fusionen zwischen Unis und Max-Planck-Instituten wären nicht minder hilfreich.
3. Nobelpreisträger anheuern: Das gibt Punkte bei der Reputation fürs Ranking. Alle Professoren sollten trainiert werden, wie sie ihre Autorenangaben auf Publikationen gestalten, damit das Ranking beim Zählen der Publikationen in Datenbanken auch die richtige Uni findet. Und besser nur noch auf Englisch publizieren, auch das hilft bei der Publikationsmessung.
4. Salamitaktik üben: Das Hochschulmanagement sollte bei Ranking-Indikatoren mit schwächeren Ergebnissen die Daten besser verschweigen. Dann wird das THE-Ranking die Indikatorwerte auf Basis der Mittelwerte der anderen (besser bewerteten) Messgrößen schätzen.
Klingt absurd, oder? Das ist es natürlich auch, genauso absurd, wie Rankingplatzierungen zum Maßstab für Hochschulpolitik zu machen. Statt eines sinnlosen „reputation race“ um drei Elite-Forschungsunis sollten wir lieber versuchen, ein Weltklasse-System zu schaffen – und ein solches ist durch vielfältige Hochschulprofile gekennzeichnet, mit Exzellenz nicht nur in der Forschung, sondern auch in Lehre, Wissenstransfer oder regionalem Engagement.

Prof. Dr. Frank Ziegele ist Geschäftsführer des CHE Centrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh 
   
   
 
 
   
 
   
   
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Du bist, was du liest Unser Autor Michael Allmaier hat sich durch die Privatbibliotheken von drei Professoren gewühlt – und viel über ihre Besitzer erfahren

Einsen für alle Was soll die Schule Kindern beibringen? Wissen oder Können? Zwei Bildungsexperten streiten sich »Nicht unser Held!« Was die Studenten in Halle-Wittenberg gegen Luther haben Kolumne Scheinselbstständig Boxkampf mit Schwergewicht, von Daniel Erk

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
   
   
 
c.t.
 
 
   
 
Über vier Stunden tagte am Dienstag die Jury für »Eine Uni, ein Buch« – einer gemeinsamen Aktion von Klaus Tschira Stiftung und Stifterverband in Kooperation mit der ZEIT. 10 Preisgelder à 5000 Euro wurden vergeben – für zehn sehr unterschiedliche Konzepte deutscher Hochschulen, über das gesamte Sommersemester hinweg mit der gesamten Uni ein Buch zu lesen. Wer die Sieger sind? Verraten wir im ZEIT CHANCEN BRIEF am Montag.

Hier sehen Sie die Juroren und Förderer nach getaner Arbeit:
Vorne v.l.n.r.: Sylvia Heuchemer (TH Köln); Renate Ries, Beate Spiegel (Klaus Tschira Stiftung); Rasha Khayat (Autorin); Imke Kahrmann (Studentin); Elisabeth Hoffmann (TU Braunschweig).
Hinten v.l.n.r.: Manuel J. Hartung (DIE ZEIT); Volker Meyer-Guckel (Stifterverband); Olaf Kramer (Uni Tübingen).
Nicht im Bild: Sandra Richter (Uni Stuttgart)
 
 
 
 
 
 
 
 
   
Ein lektüresattes Wochenende wünscht Ihnen schon jetzt

Ihr CHANCEN-Team


PS: Gefällt Ihnen der CHANCEN Brief, dann leiten Sie ihn gern weiter. Haben Sie ihn weitergeleitet bekommen, melden Sie sich ganz einfach und unverbindlich an –  unter www.zeit.de/chancen-brief. Dann schicken wir Ihnen den Newsletter, solange Sie wollen, immer montags und donnerstags zu.
 
 
 
 
 
 
 
   
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