| »Bäume brauchen bessere Wuchsbedingungen« Jährlich geht es Tausenden Hamburger Bäumen an den Kragen, weil sie Bau- oder Infrastrukturmaßnahmen weichen müssen oder aber, weil sie krank sind oder umsturzgefährdet, und damit ein Risiko für die Verkehrssicherheit darstellen. Über 2500 Bäume in der Hansestadt mussten laut Naturschutzorganisation Nabu von Oktober 2016 bis Februar 2017 dran glauben; in 58 Prozent der Fälle wegen Krankheit. Für nur knapp 30 Prozent der gefällten Bäume seien Nachpflanzungen geplant, so der Nabu. Die Folge: Der Baumbestand nehme stetig ab, seine fehlenden ökologischen Funktionen könnten nicht kompensiert werden. Wie weniger Bäume erkranken könnten, darüber sprachen wir mit einer Umweltwissenschaftlerin: Mareike Fellmer arbeitet an der HafenCity Universität in dem Forschungsprojekt »Stadtbäume im Klimawandel«, das vom Bundesumweltministerium gefördert wird. Elbvertiefung: Der Projektname sagt es schon: Bäume sind Umwelteinflüssen ausgesetzt, die sich stark verändern. In Hamburg lässt die Zahl der Fällungen den Baumbestand zusammenschmelzen ... Mareike Fellmer: Die Anzahl der Fällungen im Vergleich zu den Neupflanzungen wird von vielen als Indikator dafür gesehen, wie es dem Baumbestand geht: Offensichtlich nicht gut. Aber es ist aus meiner Sicht ganz wichtig, auch auf die Wuchsbedingungen zu sehen: Die müssen für die Bäume so sein, dass diese widerstandsfähig gegen Trockenheit und Krankheiten sind und ein hohes Lebensalter erreichen können. Elbvertiefung: Und ein solch hohes Alter erreichen Bäume in der Stadt offenbar zu selten? Fellmer: Damit sich Bäume entfalten können und gesund bleiben, brauchen sie Pflanzgruben von zwölf Kubikmeter Größe. Das ist aber aufgrund des Platzmangels und des hohen Baudrucks in der Stadt oft kaum realisierbar. Außerdem ist es wichtig, dass die freie Fläche um den Baumstamm herum etwa sechs Quadratmeter groß ist. Aber in der Stadt ist sie oft versiegelt, es wird darauf geparkt, Räder fahren drüber, Mülleimer stehen darauf. Das sind Ursachen, warum Bäume krank werden: Wenn sie nicht wissen, wohin sie ihre Wurzeln wachsen lassen können und wo sie ihre Nährstoffe herbekommen sollen. Elbvertiefung: Wie könnte man bessere Voraussetzungen für die Stadtbäume schaffen? Fellmer: Der Baumbestand muss viel früher in den Planungen mitbedacht werden. Der Umbau der Osterstraße ist ein gutes Beispiel, dort wurden sowohl die Standorte als auch die Baumarten vorher berücksichtigt. Damit sind die Wuchsbedingungen besser und die Bäume widerstandsfähiger. Auch können so sehr wertvolle alte Bäume besser vor Baumaßnahmen geschützt werden. Elbvertiefung: Eine der Unterstützungsmaßnahmen, mit denen Sie sich in Ihrem Projekt befassen, sieht auch die Bewässerung der Bäume vor. Fellmer: Dabei geht es darum, Wasser über Dachflächen und Regenrinnen, unter Gehwegen hindurch, in Pflanzgruben einzuleiten. Durch ein Reservoir könnten die Bäume dann auch Trockenzeiten besser überstehen. Und wenn sich zu viel Wasser ansammelt, kann es über Dränagen abgeleitet werden. Das wird derzeit hier geprüft, dabei gibt es noch rechtliche Fragen zu klären. Aber wir haben auch noch ein Jahr Forschung vor uns. Elbvertiefung: In dem weitere Straßenbäume verschwinden werden. Fellmer: Die Anzahl der Fällungen kann nur reduziert werden, wenn angemessene Pflanzgruben geschaffen werden, wenn die Bäume Zugang zu Wasser, Luft und Nährstoffen haben. Es wird ihnen dann langfristig besser gehen, und sie könnten ihre wichtigen Funktionen erfüllen. Das erhöht die Lebensqualität in der Stadt.
Tanz um die goldene Wand Auf der Veddel will Künstler Boran Burchhardt eine Hausfassade vergolden. Dass er damit eine Debatte über die Identität eines Stadtteils sowie Sinn (und Zweck) von Kunst auslösen würde, die zu hitzigen Stadtteilbeiratssitzungen, Anfeindungen und Gründungen von Arbeitsgemeinschaften führt, das hatte sich der Stipendiat der SAGA-eigenen Stiftung Nachbarschaft nicht ausgemalt. Aber vielleicht wäre er mit seinem Vorhaben auf mehr Wohlwollen gestoßen, wenn sich die Veddeler besser oder überhaupt in die Planungen mit einbezogen gefühlt hätten. Das nämlich hat ZEIT:Hamburg-Autor Christoph Twickel als Hauptproblem des Konflikts ausgemacht. Mehr als 85.000 Euro stellte die Kulturbehörde zur Verfügung, um eine Wand des SAGA-Mietshauses an der Brückenstraße 152 mit Blattgold zu überziehen. Eine Attraktivitätssteigerung für den Stadtteil, die sogar irgendwann japanische Touristen nach ihrem Besuch der Elbphilharmonie hierher locken soll? Kunst mit Haltung – oder nur von oben aufgedrückt? Die Wahrheit scheint irgendwo zwischen alldem zu liegen. Dass eine Veddeler Alg-II-Empfängerin auf einer Stadteilbeiratssitzung kundtat, so viel Geld für eine Wand zu »verbrennen« sei »zynisch«, sagt viel über das Spannungsfeld aus, in dem die Goldfassade entstehen soll. Mehr in »Der Stein des Anstoßes«, in der neuen Ausgabe der ZEIT:Hamburg oder hier digital.
»Bis 2030 extremer Armut ein Ende setzen«
Ein großes Konzert zum G20-Gipfel in der Hamburger Barclaycard-Arena für den guten Zweck, organisiert von der Organisation Global Citizen, die nach eigenem Bekunden Zeichen gegen Armut auf der Welt setzen und für mehr Bildungschancen in Entwicklungsländern eintreten will: Dazu werden 9000 Tickets verlost – unter denjenigen, die auf einem der zahlreichen Kanäle im Internet die Großen dieser Welt daran erinnern, ihre selbst gesteckten Entwicklungsziele der Vereinten Nationen einzuhalten. Klingt schön, aber dem Berliner Protestforscher Dieter Rucht kamen Zweifel. Zu wenig sei bisher über Global Citizen bekannt, als dass man nicht beispielsweise kommerzielle Absichten hinter dem gemeinnützigen Gewand vermuten könnte. Das berichteten wir gestern. Nach Redaktionsschluss meldete sich dann Global Citizen. In ihrer Stellungnahme bezeichnete sich die Organisation als eine »internationale Kampagnenorganisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, durch gezielte Kampagnen-Aktionen bis 2030 extremer Armut ein Ende zu setzen«. Ergäben sich Einnahmen, sollen diese der gemeinnützigen Aufgabe dienen. »Alle Global Citizen Festivals verfolgen ebenfalls gemeinnützige Interessen, was mit den für die Öffentlichkeit kostenlosen Tickets demonstriert wird«, heißt es weiter. Auf ihrer Website stelle die Organisation »sämtliche Geschäftsberichte« zur Einsicht bereit. Ruchts Einwand, es sei nicht transparent, was mit den Daten der Nutzer geschehe, entgegnete Global Citizen, die Nutzungsbedingungen und eine Datenschutzerklärung seien »eindeutig am Ende jeder Seite der Webpräsenz zu finden«. |
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