Freitext: Katerina Poladjan: Heiliges Wasser ist die Rettung

 
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03.01.2017
 
 
 
 
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Heiliges Wasser ist die Rettung
 
 
In den vergangenen Monaten wurde der Sinn für apokalyptische Szenarien ist geschärft. Ist Auswandern die Lösung? Wenn ja, nach Hintersibirien oder lieber in die Schweiz?
VON KATERINA POLADJAN

 
Copyright: Henning Fritsch
 
Der Text verwendet Auszüge aus dem Buch “Hinter Sibirien – Eine Reise nach Russisch-Fernost” von Katerina Poladjan und Henning Fritsch, erschienen im Herbst 2016 im Rowohlt Berlin Verlag.

Zur heiligen Quelle Molokanka fährt eine Marschrutka. Der Begriff Marschrutka stammt vom deutschen Wort Marschroute ab. Das Ding selbst ist ein Kleinbus, ein Linientaxi. Mit drei weiteren Fahrgästen, die alle leere Plastikflaschen bei sich tragen, spekulieren wir, wo der Fahrer geblieben sein könnte. Katerina und ich glauben, er gönnt sich vielleicht noch ein Schaschlik auf die Hand, die anderen Fahrgäste aber sind misstrauischer und wollen die Miliz rufen. Heutzutage müsse man auf das Schlimmste gefasst sein. Was das Schlimmste sein könnte, wollen wir wissen, und alle schweigen, denken nach. Gute Frage, damals in Hintersibirien im März 2015.

Eineinhalb Jahre später steigen wir im feinen dichten Nieselregen über kolossale Steinquader, die aussehen, als machten sie nur eine kurze Pause, weil Gott – auf diesem Berg heißt er Zeus – gerade die Zeit angehalten hat. Gleich werden die Brocken weiter purzeln, die steilen Hänge hinunter, unten im nebligen Tal krachend zur Ruhe kommen. Unser Sohn sammelt dicke Schnecken, denen das feuchte Wetter lieber ist als uns, und denen die Geschichte dieses Ortes offenbar ziemlich egal ist. Wir sind in Mykene, Griechenland.

Wenige Wochen danach, der dünne Sonnenlack des kurzen Griechenlandurlaubs ist längst von unseren Gesichtern geblättert, sieht man auf dem Titel des Spiegel einen kolossalen Kopf mit wehenden gelben Haaren im rasenden Flug auf eine kleine blaue Erde zusteuern. Donald Trump hat die Wahl gewonnen. Er könnte die kleine blaue Erde verschlucken, suggeriert das Bild.

Ich reiche Katerina das Heft. “Dekapitiert” sagt sie, und wir denken an einen anderen dicken Kopf ohne Rumpf: In Transbaikalien, in der russischen Stadt Ulan-Ude, nicht weit von der Grenze zur Mongolei, steht die größte Porträtbüste der Welt. Der alte Lenin schielt dort – ziemlich unvorteilhaft beleuchtet und mit einem sauberen Schnitt im Nacken – in die postsozialistische Nacht.

...

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