Wissen und Macht | Open Access in Karlsruhe | Dr. acad. Sommer berät einen Forschungsreferenten | 3 ½ Fragen an Cathrin Zengerling

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
nicht vergessen: Morgen ist Welttag der Wissenschaft. Auf Initiative der Unesco und des Weltwissenschaftsrats wird seit dem Jahr 2001 an jedem 10. November international an die Bedeutung von Forschung und Lehre für Frieden und Entwicklung erinnert. Wem das zu hoch gehängt ist, kann es gern ganz praktisch und anschaulich haben. Dr. acad. Sommer berät einen Forschungsreferenten, der von seinem Professor blockiert wird. Um Wissen und Macht in der akademischen Arbeitskultur geht es auch im Falle des Oxforder Islamwissenschaftlers Tariq Ramadan. Und unsere Dreieinhalb Fragen beantwortet heute Cathrin Zengerling von der HafenCity Universität in Hamburg. 
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Wissen und Macht
Nun also auch Oxford. Nach mehrfachen Vergewaltigungsvorwürfen beurlaubt die britische Eliteuniversität einen ihrer prominentesten Professoren, den Islamwissenschaftler Tariq Ramadan (Guardian, NZZ, Euronews, Spiegel Online). „An agreed leave of absence implies no presumption or acceptance of guilt and allows Professor Ramadan to address the extremely serious allegations made against him”, heißt es in der universitären Stellungnahme. Gero von Randow berichtet in der aktuellen ZEIT über den Fall (S.5). Anant Agarwala und Anna-Lena Scholz erkunden darüber hinaus im CHANCEN-Ressort die Gemengelage von Wissen und Macht. Der Beitrag (S. 69, hier online) markiert den Einstieg in eine umfassendere Recherche zu Abhängigkeitsverhältnissen und Arbeitsbedingungen im akademischen Betrieb. Senden Sie Ihre Erfahrungen vertraulich an: wissenundmacht@zeit.de.
  
 
 
Open Access-Klage landet in Karlsruhe
Dürfen Hochschullehrer gegen ihren Willen zur Zweitveröffentlichung verdonnert werden? Diese Frage soll nun das Bundesverfassungsgericht abschließend beantworten. Angerufen wird Karlsruhe vom Mannheimer Verwaltungsgerichtshof, wo seit Jahren eine Open-Access-Klage anhängig ist. Im Tauziehen um Urheberrechts- und Zweitveröffentlichungsregeln in der Wissenschaft ist das Verfahren bundesweit relevant (iRights.info, Urheberrecht.org, Südkurier, Legal Tribune Online, Börsenblatt). Der Streit wurzelt im baden-württembergischen Hochschulgesetz. Es erlaubt Hochschulen, Wissenschaftler zu Open-Access zu verpflichten. Diese Option hatte die Uni Konstanz 2015 genutzt und ihre Hochschullehrer angewiesen, Fachzeitschriftenbeiträge zwölf Monate nach Erscheinen auch auf der universitären Plattform zugänglich zu machen. Dagegen klagen Konstanzer Juraprofessoren mit Unterstützung des Deutschen Hochschulverbands.
  
 
 
Sechs-Punkte-Plan für Österreich
Gut eine Woche nach dem Start der Koalitionsverhandlungen in Wien funkt die Wissenschaft dazwischen. Sechs Kernforderungen enthält die „Handlungsanleitung für ein Regierungsprogramm“, die Österreichs Wissenschaftsrat diese Woche präsentierte. Auf der Liste stehen mehr Geld für die Grundlagenforschung, Exzellenzprogramme und Autonomie. Nach seinem überwältigendem Sieg bei den Nationalratswahlen schmiedet ÖVP-Chef Sebastian Kurz gerade ein Bündnis mit der von Heinz-Christian Strache geführten FPÖ (European, ZEIT). Von den insgesamt rund 2.500 Professoren in Österreich sind 28 Prozent Deutsche, belegt eine Studie der Universitätenkonferenz. Bei den Neuberufenen ist es ein Drittel. Das stößt auf Kritik (ORF).
  
 
 
Schlecht, mies, grandios
Lernen von den Guten, lautet das Mantra in der Wissenschaft. In Forschung und Lehre wimmelt es deshalb nur so von Best Practice-Beispielen. Akademische Tiefflieger dagegen bleiben im Off – bis jetzt. Der „Vierkommanull Award für außerordentliches akademisches Scheitern“, in diesem Jahr erstmals ausgeschrieben vom ZurQuelle Magazin, kürt geniale Leistungsverweigerer. Hinter dem Jux steckt ernsthafte Systemkritik: „Wir wollen zeigen, wie wenig sich viele Studierende mit den starren akademischen Strukturen identifizieren“, erklärt Robert Hofmann, Herausgeber des Magazins. Kreativität, Humor und Dreistigkeit sind Kriterien im Wettbewerb um den Titel. Errungen hat ihn Anna Lara Linden. „Influencer Marketing – Wie Youtoube Videos beeinflussen“, lautet das Thema ihrer ultimativen Arbeit. Zur Preisverleihung mit Gala im Dezember gibt es Schnaps – bestimmt auch für die Betreuer. Hau wech!
  
 
 
Irlands Ministerin droht Unis
Die ersten hundert Tage im Amt hat sie gerade hinter sich, jetzt greift Irlands Wissenschaftsministerin Mary Mitchel O’Connor zur politischen Brechstange. Um Gleichstellung an Unis durchzudrücken, setzt die Spitzenpolitikerin eine Task force ein und droht säumigen Hochschulen zugleich mit Budgetkürzungen (University Times, Irish Times). “We need to send a message loud and clear to the institutions. There is nowhere to hide now”, erklärte die Ministerin. Die gläserne Decke für Wissenschaftlerinnen hängt in Irland vergleichsweise tief. 21 Prozent der Professuren sind mit Frauen besetzt. Zahlen zur Gleichstellung in den OECD-Staaten findet sich in der Studie The Pursuit of Gender Equality“. Besonders lesenswert sind die Kapitel 13 und Kapitel 14.
  
 
 
 
   
   
   
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Julika Griem wird KWI-Direktorin
Die Anglistin und Literaturwissenschaftlerin Julika Griem leitet künftig das Kulturwissenschaftliche Institut in Essen. Sie folgt auf Claus Leggewie, der über zehn Jahre hinweg Direktor des interdisziplinären Forschungskollegs war. Griem forschte zuletzt an der Universität in Frankfurt/Main. Sie ist Vizepräsidentin der DFG und leitet seit 2016 das von der Volkswagen-Stiftung gestiftete Promotionskolleg „Schreibszene Frankfurt“.

Wuppertal Institut ehrt Laura Wolterdorf
Die Postdoktorandin Laura Woltersdorf (Universität Frankfurt) erhält den Forschungspreis „Transformative Wissenschaft“. Die Auszeichnung ist mit 25.000 Euro dotiert und wird in diesem Jahr erstmals vergeben. Das Wuppertal Institut will damit Forscher würdigen, die die Zivilgesellschaft in ihre Arbeit einbeziehen. Woltersdorf befasst sich mit Wassermanagement in Namibia.

Gerd Köhler ist tot
Der Gewerkschafter und Hochschulpolitiker Gerd Köhler ist gestorben. Über 25 Jahre hinweg war Köhler bei der GEW für Hochschule und Forschung verantwortlich, stritt mit Politikern und Hochschulchefs und schuf mit der GEW-Sommerschule ein Forum für den wissenschaftspolitischen Austausch. Martin Baethge, Präsident des Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen, hat einen Nachruf auf Gerd Köhler geschrieben.

Hochschulmanager des Jahres
Im Wettbewerb Hochschulmanagers 2017 stehen sechs Finalisten fest. Es sind Wolfgang-Uwe Friedrich (Universität Hildesheim), Karim Khakzar (Hochschule Fulda), Anne Lequy (Hochschule Magdeburg-Stendal), Hans Jürgen Prömel (TU Darmstadt), Ulrich Rüdiger (Universität Konstanz) und Hans-Hennig von Grünberg (Hochschule Niederrhein). Mit der Auszeichnung würdigen das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) und die ZEIT seit zehn Jahren herausragende Führungsleistungen an Hochschulen. Der Preis wird bei der ZEIT-Konferenz "Hochschule & Bildung" am 16. November in Berlin vergeben.
 
Auge um Auge …
… Zahn um Zahn, heißt es im Volksmund gern unter Berufung auf die Bibel. Das korrekte Zitat findet sich im zweiten Buch Mose, wo steht: "Ist weiterer Schaden entstanden, dann musst du geben: Leben für Leben, Auge für Auge, Zahn für Zahn, Hand für Hand, Fuß für Fuß, Brandmahl für Brandmahl, Wunde für Wunde, Strieme für Strieme." Was sollen wir heute damit nur anfangen? Exegeten des Alten Testaments mögen vortreten und sich gern auch gleich an der Universität Münster bewerben. Die Katholisch-Theologische Fakultät hat eine W3-Professur zu vergeben. Mehr zu  Ausschreibung steht im ZEIT-Stellenmarkt. Bonne Chance!
   
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Dr. Cathrin Zengerling

Postdoc an der HafenCity Universität Hamburg und Freigeist-Fellow der Volkswagenstiftung
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Es ist weniger anstrengend, ein Freigeist-Fellowship mit 50 als einen Kindergeburtstag mit 15 Gästen in unserer Wohnung zu feiern.
 
Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Wenn Sie das eine Juristin fragen, ist die klassische Antwort, dass sich alle wissenschaftspolitischen Probleme – wie alle anderen politischen Probleme – ohne Geld mit ordnungsrechtlichen Instrumenten, etwa mit schlichten Ge- und Verboten, angehen lassen. Geld zu verteilen oder auf anderen Wegen monetäre Anreize für ein bestimmtes gewünschtes Verhalten zu setzen, also mit marktbasierten statt ordnungsrechtlichen Instrumenten zu arbeiten, ermöglicht flexiblere Reaktionen und steht in dem Ruf, zu einer volkswirtschaftlich besseren Ressourcenallokation zu führen. Allerdings halten die praktischen Ergebnisse marktbasierter Steuerung dem theoretischen Ruf nicht immer stand, weil die üblichen Verdächtigen das Powerplay im Verteilungsprozess gewinnen. Eine andere interessante Frage wäre, welchen Beitrag die Wissenschaft zur Lösung geldpolitischer Probleme leisten kann.
 
Lektüre muss sein. Welche?
Marshall Rosenberg, Nonviolent Communication; Uwe Wesel, Geschichte des Rechts; Marilyn Waring, Counting for Nothing; David McTaggart, Rainbow Warrior und Kazuo Ishiguro, Alles was wir geben mussten.
 
Und sonst so?
Lesen ist prima, Erleben besser.
   
   
 
 
   
   
   
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Dr. acad. Sommer
 
 
   
Lieber Dr. acad. Sommer,
 
als Forschungsreferent betreue ich einen Prof, der mich leider regelmäßig übergeht: Eigentlich wäre es meine Aufgabe, alle neuen Projekte einer Qualitätskontrolle zu unterziehen. Stattdessen unterschreibt er ungeprüfte Verträge und macht gegenüber Kooperationspartnern voreilige Zusagen. Wenn ich die Mängel bemerke, lässt er das Projekt einfach nachträglich vom Präsidium absegnen. Ich kann dann nur noch administrative Schadensbegrenzung betreiben. Was tun?
 
Zunächst sollten Sie das Verhalten nicht persönlich nehmen, sondern Verständnis für seine Motive haben: Sie schränken ihn ja in seiner Handlungsfreiheit ein, also sucht er natürlich nach Auswegen – und das Präsidium bietet sie. Versuchen Sie, sich stärker als Vertrauensperson zu etablieren:
 
Wertschätzung, Wertschätzung, Wertschätzung! (Habe ich schon einmal geschrieben, oder? Aber darum geht es tatsächlich immer.) Die meisten Wissenschaftler denken, dass „die Verwaltung“ keine Ahnung hat, was sie tun und leisten. Zeigen Sie das Gegenteil.
Weisen Sie auf gemeinsame Interessen hin, z.B. einen raschen Vertragsabschluss oder einen reibungslosen Projektablauf. Kleiner Tipp: Der Satz „Dies ist auch mein Interesse“ gewinnt an Überzeugungskraft, wenn Sie das Wörtchen „auch“ weglassen. Überlassen Sie diese Schlussfolgerung dem Professor.
Suchen Sie den Augenkontakt, insbesondere wenn es um kritische Projekte geht. Ein Besuch im Büro/Labor ist besser als ein Telefongespräch.
Ein Wendepunkt in der Zusammenarbeit kann sich ergeben, wenn Sie zum ersten Mal für den Professor die Kartoffeln aus dem Feuer holen müssen. Das kann z.B. ein geretteter Projektantrag sein, oder eine Last-Minute-Finanzierung für einen Doktoranden. Dann wird ihm bewusst, dass Sie sich auch für seine Belange einsetzen.

Die eigentliche Ursache Ihres Problems liegt allerdings in der widersprüchlichen Erwartungshaltung des Präsidiums: Einerseits sollen Sie bei allen Projekten Qualitätskontrolle betreiben – andererseits hat es keine Konsequenzen, wenn die Projektleiter/innen diese Qualitätskontrolle umgehen. Können Sie dagegen etwas tun?
Ja und nein. Was Sie akzeptieren müssen: Für das Präsidium kann es strategische Vorteile haben, Regeln manchmal bewusst außer Kraft zu setzen. Sie können aber dennoch Punkte sammeln, wenn Sie analysieren, welcher Schaden durch das Verhalten des Professors entsteht: Erhöhten administrativen Aufwand wird das Präsidium vermutlich in Kauf nehmen. Kritischer sind jedoch finanzielle Nachteile für die Institution oder unüberschaubare Projektrisiken (z.B. bei Haftungsfragen). Am besten sollten Sie gemeinsam mit dem Präsidium erörtern, wann sich Ausnahmen lohnen, und wann nicht. So schaffen Sie etwas, was alle Beteiligten schätzen dürften: klare Verhältnisse.
 
Dr. Uli Rockenbauch ist Persönlicher Referent der Geschäftsführerin der Helmholtz-Gemeinschaft und berät die Scientific Community im ZEIT CHANCEN Brief als "Dr. acad. Sommer".
   
   
Auch eine Frage an Dr. acad. Sommer? Schreiben Sie an chancen-brief@zeit.de, twittern Sie unter #ChancenBrief – oder hinterlassen Sie uns in diesem Kontaktfomular anonym Ihre Frage!
   
   
 
 
   
 
   
   
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Macht Schluss damit Die Strukturen der Wissenschaft begünstigen, dass Macht missbraucht wird. Die Debatte darüber kann jetzt zu einem Kulturwandel führen 

Wenig dazugelernt Eine Studie untersucht, was Zehntklässler können Zeit, zu gehen? Für viele Professoren ist die Wissenschaft ihre große Leidenschaft – über die Pensionierung hinaus. Von der Schwierigkeit, Abschied zu nehmen und dem Nachwuchs Platz zu machen »Ich dachte, ihre Haare seien schwarz« Die Eltern sind blind, die Tochter kann sehen – kann das funktionieren? Eine Geschichte über Vorurteile, irritierte Fragen und einen Besuch im Schuhgeschäft »Warum driften junge Menschen ab?« Islamisten sind selten gläubig und wissen wenig über den Islam. Wo aber setzt dann gute Prävention an? Am besten in den Schulen, sagt der Wissenschaftler Michael Kiefer

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
   
   
 
c.t.
 
 
   
 
We say: Kardiololo – Kardiololo – Kardiolologie… Hip-Hop aus dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung.
 
 
 
 
 
 
 
 
   
Peace!

Ihr CHANCEN-Team


PS: Gefällt Ihnen der CHANCEN Brief, dann leiten Sie ihn gern weiter. Haben Sie ihn weitergeleitet bekommen, melden Sie sich ganz einfach und unverbindlich an –  unter www.zeit.de/chancen-brief. Dann schicken wir Ihnen den Newsletter, solange Sie wollen, immer montags und donnerstags zu.
 
 
 
 
 
 
 
   
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