| Arbeitslose: Eine Frage der Statistik Gestern verkündete die Bundesagentur für Arbeit zufrieden: »Die Zahl der Arbeitslosen ist im Oktober auf den niedrigsten Wert seit der Wiedervereinigung gesunken.« Auch in Hamburg zählt man 2,8 Prozent weniger Arbeitslose als vor einem Jahr – im Oktober waren es noch 66.563 Männer und Frauen. Grund zum Jubel also? Sieht man genauer hin, wird deutlich: Der Teufel steckt in der Statistik. Ausschlaggebend für die Zahlen ist nämlich nicht nur die gute Konjunktur, sondern auch die Definition, wer als »arbeitslos« gilt. Dazu zählt schon mal nicht, wer zwar keinen Job hat, sich aber nicht arbeitslos meldet und auf ihm eigentlich zustehende Leistungen verzichtet. Die Gründe dafür können vielfältig sein: Scham, schlechte Erfahrungen mit der Arbeitsverwaltung, Angst, von den Mitarbeitern dort gegängelt zu werden. Weitaus größer sei allerdings die Zahl derer, die aus anderen Gründen nicht in der Statistik gezählt würden, sagt Professor Gerhard Christe vom Hamburger Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe: Etwa 1-Euro-Jobber oder Menschen, die einen Gründungszuschuss erhalten oder an Fördermaßnahmen teilnehmen. Auch wer Hartz-IV-Empfänger und älter als 58 Jahre ist, taucht in dieser Statistik nicht auf, ebenso, wer seine Vermittlung »erschwert«. Christe schätzt, dass es deutschlandweit etwa eine Million Menschen gibt, die so aus dem Raster fallen. Er kritisiert: »Die Statistik bildet die Realität nicht zuverlässig ab«, und fordert »eine solide und seriöse Statistik«, denn mit den Zahlen werde schließlich Politik gemacht. Von den vielen prekären Beschäftigungsverhältnissen in Gestalt von scheinbar selbstständigen Unternehmern und anderen modernen Sklaven der Dienstleistungsgesellschaft, deutschlandweit ganzen 7,7 Millionen Menschen, wie das Statistische Bundesamt für 2016 berechnete, brauchen wir gar nicht erst anzufangen. Oder doch. Immerhin summiert man solche Arbeitsverhältnisse wenigstens noch unter dem Stichwort »atypisch«.
»General Assembly«: Das Weltparlament tagt Drei Tage, fünf Plenarsitzungen, 60 Abgeordnete – ab heute Abend tagt auf der Berliner Schaubühne ein Parlament der besonderen Art: die »General Assembly«. Zusammengebracht haben dieses Weltparlament der Theatermacher Milo Rau und das International Institute of Political Murder. Das Ziel: denen das Wort überlassen, die von den Entscheidungen der globalen Politik betroffen sind, aber keine Stimme haben: Arbeitsmigranten, Kriegsopfer, Kleinbauern, Flüchtlinge. Was das mit Hamburg zu tun hat? Die Veranstaltung wird live auf eine große Leinwand ins Nachtasyl des Thalia-Theaters übertragen und von Kommentatoren begleitet. Wie das genau aussehen wird? »Da das Weltparlament heute zum ersten Mal zusammenkommt, wird es auch für uns eine Überraschung«, sagte uns Emilia Heinrich, die die Veranstaltung im Nachtasyl betreut. Fest stehe nur: »Es geht dabei um Themen wie Migration, Regulierung der globalen Wirtschaft oder gemeinsame ökologische Probleme.« In einem Live-Ticker und Podiumsgesprächen soll es auch um die Frage gehen, wie realistisch die Vorschläge der Parlamentarier sind. Die Ergebnisse aus 20 Stunden Sitzung sollen in einer Charta für das 21. Jahrhundert zusammengetragen werden, die am 7. November in einem »Sturm auf den Reichstag« übergeben werden soll. Was sich Milo Rau davon erhofft, erzählt der Regisseur im ZEIT-Interview: »Man muss jene Möglichkeiten, die man für richtig erachtet, institutionalisieren und Netzwerke bauen. Was etwa die Klimakatastrophe angeht, die ist bewiesen, man muss nicht mehr über sie sprechen. Man muss was gegen sie tun.« Die Live-Übertragung im Nachtasyl kommentieren Experten wie ZEIT-Autor Christoph Twickel und Aktivistin Shorouk El Hariry. Thalia, Nachtasyl, 3.–5.11., Start Fr. 19–21 Uhr, 5 Euro |
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