Zeit für Wissensdiplomatie! | KMK rettet die Welt | 3½ Fragen an Matthias Mayer | Gastkommentar Robin Mishra: Internationaler Instrumentenkasten

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
uns verschlägt es momentan die Sprache, wenn wir Nachrichten aus den USA lesen. Wir suchen nach Antworten, in der ZEIT und natürlich auch im CHANCEN Brief. Für die aktuelle Ausgabe haben wir u.a. Johanna Wanka befragt, was Trump für die deutsche Wissenschaft bedeutet; im heutigen Gastkommentar lesen Sie außerdem, was Robin Mishra von der Deutschen Botschaft in Washington dazu meint. Die 3½ Fragen beantwortet Matthias Mayer von der Körber-Stiftung.  
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Zeit für Wissensdiplomatie!
Was bedeuten Donald Trumps Einreisebeschränkungen und gestrichene Forschungsgelder eigentlich spezifisch für den deutschen Forschungsstandort? Wir haben für die aktuelle Ausgabe der ZEIT nachgefragt. Max-Planck-Präsident Martin Stratmann sagte uns, er nehme momentan „eine große Verunsicherung in der wissenschaftlichen Community wahr.“ Man sei mit den USA „hochgradig vernetzt. Eine radikale Veränderung der Forschungsschwerpunkte würde die MPG treffen“. Simone Lässig, Leiterin des DHI Washington, rechnet zwar nicht „mit einem Exodus akademischer Talente“ aus den USA. Womöglich bedeute aber der Isolationismus, dass „Geld für Konferenzen oder Stipendien gekürzt und der wissenschaftliche Austausch erschwert“ werde. Ulrich Grothus, stellvertretender DAAD-Generalsekretär, plädiert für den „politischen Meinungsstreit“. Der Dialog mit Hochschulsystemen dürfe sich nicht beschränken „auf Länder, die uns politisch gerade sympathisch sind.“ Und weiter: „Gefragt ist jetzt eine selbstbewusste Teilnahme am internationalen Diskurs, aber auch ein gewisses Maß an intellektueller Bescheidenheit.“ Es brauche „Wissensdiplomatie“ für eine „auswärtige Wissenschaftspolitik“, was bedeute: „Aushandlung, Vermittlung, Zusammenarbeit, Kompromiss, Ermöglichung.“ Und Bundesforschungsministerin Johanna Wanka sagte uns: „Mit Sorge beobachte ich, dass Wissenschaftler in einigen Ländern nicht mehr so frei arbeiten können wie bisher.“ Deutschland gehe einen anderen Weg: „Wir halten nicht nur unsere Grenzen offen, sondern bieten seit Jahren und mit Erfolg auch Forschern aus aller Welt die Möglichkeit, in unserem Land zu arbeiten. […] Die Arbeitsbedingungen an den deutschen Universitäten und Instituten sind exzellent.“ In other words: Welcome to Germany!
  
 
 
Politisierung oder Trivialisierung?
Politische Statements gegen Trump kamen auch von der European University Association und der HRK. Einen interessanten Kommentar gegen den Trend zur politisierten Wissenschaft gibt es in der NYT zu lesen: Dort merkt der Geologe Robert S. Young an, dass etwa der geplante March for Science nur polarisiere und die wissenschaftliche Arbeit trivialisiere. 
  
 
 
Überzeugende Argumente für politische Diskussionen
Bald ist es wieder soweit, vielleicht beim Abendessen, in der Bahn oder im Büro: Die nächste politische Diskussionen steht an. Meist läuft sie so: Jeder sagt seine Meinung, jeder bleibt bei seiner Meinung. Wie wäre es zur Abwechslung mal, den anderen wirklich zu überzeugen? Der Sozialpsychologe Robb Willer hat jahrelang beobachtet, wie genau das gelingt. Eine seiner Erfolgsformeln: Moral Reframing. Was das ist? Robb Willer erklärt es Ihnen selbst, seit ein paar Tagen ist sein Willers faszinierender 12-minütiger Ted-Talk online.
  
 
 
KMK rettet die Welt
Anfang der Woche haben wir einen kleinen Abstecher in den Bundesrat unternommen, wo Susanne Eisenmann in ihr neues Amt als Präsidentin der Kultusministerkonferenz eingeführt wurde. Die baden-württembergische Ministerin löste die Bremer Senatorin Claudia Bogedan ab. Digitalisierung und berufliche Bildung sind die großen Themen, die sie in ihrer einjährigen Amtszeit angehen will. Wie die neue KMK-Chefin tickt, hatte Thomas Kerstan kürzlich in den CHANCEN beschrieben. Wie groß ihre Ambitionen sind, ließ sich am musikalischen Rahmenprogramm ablesen. Der Chor des Otto-Hahn-Gymnasiums‎ der Stadt Nagold, der politischen Farbenlehre der A- und B-Länder gemäß ganz in rot und schwarz gekleidet, sang einen Song von Tim Bendzko: „Nur noch kurz die Welt retten“. Na dann, viel Erfolg!
  
 
 
Konferenz: War die Zukunft früher besser?
Hilft in (bildungs-)politischen Debatten selten weiter: Das Diktum, dass früher alles besser war. Man hört es trotzdem ziemlich oft. Warum also nicht die Not zur Tugend machen und eine Konferenz zu ebenjener Frage ausrichten, mit besonderem Fokus auf „akademische und außerakademische Berufswege“ angesichts ExStra, Förderpakten und Co? Dachten sich, einmütig vereint, auch folgende Fachverbände: die Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE), Deutsche Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK), Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS), Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft (DVPW) und der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD), in Kooperation mit der Schader-Stiftung. Voller Brainpower also. Termin: 9./10. Februar in Darmstadt. Hier geht’s zum Programm.
  
   
 
 
   
 
   
   
 
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Schücking bestätigt
Beate Schücking bleibt Rektorin der Universität Leipzig; der Senat bestätigte die Medizinerin am Dienstag Abend in ihrem Amt. Ihr unterlag der Gegenkandidat Jan Palmowski. (Leipziger Volkszeitung)

Job: Wissenschaftsermöglicherin
Nicht für alle, deren Herz für die Wissenschaft schlägt, ist die wissenschaftliche Arbeit selbst das Höchste. Sie wollen in die Verwaltung – da, wo man Strukturen baut, die Forschung möglich machen. Und hier ist Ihre Chanc: Die Universität Hamburg sucht eine Leiterin der Personalabteilung, unbefristet (!) und in Vollzeit. Und die Uni Jena sucht jemanden, der die „Stabsstelle Berufungsmanagement“ leitet. Details im ZEIT-Stellenmarkt!
   
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Matthias Mayer

Leiter Bereich Wissenschaft, Körber-Stiftung
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Nicht jedes Problem hat allein durch die Tatsache seiner Existenz auch schon das Recht, gelöst zu werden. Das gilt sowohl im Hinblick auf die Tendenz von Institutionen, sich so leidenschaftlich wie eigentümlich lustlos mit sich selbst zu beschäftigen, als auch für die Flughöhe so mancher wissenschaftlichen Problemstellung – gelegentliche Relevanzreflexionen (auch jenseits von Nützlichkeitszwängen) wären wünschenswert. Ein Amt für Problemlösungsberechtigungszuteilung wäre allerdings auch keine Lösung, nicht mal als public private partnership. Urteilskraft könnte helfen.

Die aktuell größte Fehlinvestition der Wissenschaftslandschaft?
Sicher die, die man nicht tätigt, um das System mittels vernünftiger Grundfinanzierung von der verhängnisvoll kurzfristigen Projektitis zu befreien. Manchmal aber auch die, die man tätigt, wie zum Beispiel die Alimentierung eines weitgehend sinn- und zweckfreien Akkreditierungswesens. Besser wäre hier, die Sache vom Leninschen Kopf auf pragmatische Füße zu stellen, denn wie fast immer gilt: Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser!

Lektüre muss sein. Welche?
Muss sein: Nur die Texte meiner Frau als Erstkorrektor. Ansonsten darf immer: Lichtenberg, gern auch Sterne und Diderot (18. Jhd.-Fimmel!). Leider zu häufig: science fiction von fragwürdiger Qualität. Aktuell: Der Moonhopper – 20 Mondtouren für Hobby-Astronomen und dritter Anlauf Jean Paul.

Und sonst so?
Manchmal ist besser, man macht nix (s.o.) oder wenn doch, dann „Lies viel, vergiss das meiste wieder, und sei schwer von Begriff“ (Montaigne).
   
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
   
   
 
Gastkommentar
 
 
   
   
von Robin Mishra
   
   
Internationaler Instrumentenkasten
Was haben die sechs amerikanischen Wissenschafts-Nobelpreisträger des Jahres 2016 gemeinsam? Sie alle sind Einwanderer. Kein Wunder, dass der von Donald Trump verhängte Einreisestopp für Staatsangehörige aus sieben Ländern amerikanische Universitäten und Forschungsorganisationen in ihrem Selbstverständnis ebenso berührt hat wie das Faible der neuen US-Administration für „alternative Fakten“. Sie sehen die USA als offene Wissensgesellschaft bedroht. Auch wenn nicht genug betont werden kann, dass die wichtigen personellen und finanziellen Weichenstellungen der Trump-Regierung zur Forschung noch ausstehen: Fest steht schon jetzt, dass das strahlende Bild des Wissenschaftsstandorts USA Kratzer bekommen hat.
Ein Grund zur Schadenfreude ist das ganz gewiss nicht. Wohl aber Anlass zu Selbstbewusstsein. Kanada lässt grüßen: Seine Universitäten und Unternehmen empfangen die von den USA enttäuschten Immigranten mit offenen Armen. Und Deutschland? Dass die Bundesregierung in der Woche nach dem US-Einreisestopp die Internationalisierungsstrategie für Bildung, Wissenschaft und Forschung beschlossen hat, sollte mehr sein als ein glücklicher Zufall. Der Instrumentenkasten muss nicht nur eingesetzt, sondern erweitert werden: Jetzt ist die Zeit für mehr Auslandspräsenz, intensiveres Forschungsmarketing und verstärktes Headhunting. Auch bei manchem Thema wird sich der Blick intensiver auf die deutsche und europäische Wissenschaft richten. Die richtige Antwort sind Initiativen gerade dort, wo es die Kolleginnen und Kollegen in den USA – siehe Klimaforschung oder Geisteswissenschaften – gerade besonders schwer haben.
Die besten Angebote für die weltweit klügsten Köpfe machen, internationale Impulse geben, europäisch wie transatlantisch eng zusammenarbeiten – diese Aufgaben rücken ins Zentrum der Bildungs- und Forschungspolitik. Zum Nulltarif ist die weltweit wahrnehmbare Botschaft des „Science first!“ nicht zu haben. Da es neben Geld um die interessantesten Ideen geht, muss der politische Wettbewerb in einem Wahljahr kein Nachteil sein.

Dr. Robin Mishra ist Leiter Wissenschaft an der Deutschen Botschaft in Washington D.C. Der Artikel gibt seine persönliche Meinung wieder.
   
   
 
 
   
 
   
   
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Alles in Ordnung, Jesper Juul? Er ist der berühmteste Familientherapeut Europas. Millionen Eltern suchen seinen Rat. Von 
seinem schweren Schicksalsschlag wissen sie nichts. Eine Begengung in Dänemark

»Kinder lassen sich nicht mehr so schnell erschrecken« James Krüss’ Klassiker »Timm Thaler« läuft jetzt im Kino. Ist der Film für Kinder geeignet? Ein Gespräch mit dem Regisseur Andreas Dresen Auf Mission Die neue US-Bildungsministerin Betsy DeVos wirkt wie eine politische Amateurin. Sie zu unterschätzen wäre fatal. Die Milliardärin tritt an, das öffentliche Bildungswesen zu privatisieren Achtung, aufgewacht! Donald Trump riegelt die Vereinigten Staaten ab. Was bedeutet das für den Forschungsstandort Deutschland? Vier Antworten Neue Kolume „Scheinselbständig“ Der Chef bin ich. Und das ist das Problem, von Daniel Erk 

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
   
   
 
c.t.
 
 
   
 
In der und um die Humboldt-Uni herum protestiert man weiterhin gegen die Entlassung von Andrej Holm...

Quelle: Twitter / @DIES_IRAE_art
 
 
 
 
 
 
 
 
   
Kommen Sie gut durch die Woche (die Semesterferien sind schon in Sicht!)

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