Nature-Kritik an ExStra | Jamaika-Sondierer sagen Ja zur Wissenschaft | Erdogans langer Arm | 3 ½ Fragen an Ulrike Tippe

 
Wenn dieser Newsletter nicht richtig angezeigt wird, klicken Sie bitte hier.
 
 
   
 
 
 
 
 
 
 
 
   
   
Liebe Leserinnen und Leser,
wenn viele Millionen Euros im Wettbewerb vergeben werden, ist Ärger programmiert. Bei der ExStra geht er jetzt los, Nature serviert diese Woche Kritik am Vergabeverfahren. Ankara droht türkischen Wissenschaftler im deutschen Exil mit einer Massenanklage, und der Chef der US-Umweltbehörde EPA, Scott Pruitt, will unliebsame Experten aus dem Beraterstab bugsieren. Genügend Stoff also für eine gesalzene Ladung Twitter-Meldungen. Susanne Geu erklärt, wie Wissenschaftler Tweets nutzen können. Und die designierte Rektorin der TH Wildau, Ulrike Tippe, plädiert vier Wochen vor Amtsantritt im Fragebogen für Authenzität und Unabhängigkeit.
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
ExStra-Auswahl unter Kritik
Bei der milliardenschweren ExStra stehen die Zeichen auf Sturm. „Observers question whether the 88 selected projects represent Germany’s best science, particularly because the focus for selection has shifted away from basic science and towards applied research”, heißt es in Nature, und: “Unsuccessful applicants say that the rules for submitting proposals for the initiative were not clearly defined and communicated.” Vor rund einem Monat waren aus knapp 200 Bewerbungen 88 Kandidaten für das weitere Rennen um die 50 Forschungscluster ausgewählt worden (ZEIT). Das mehrstufige Verfahren leitet die DFG. Die Auswahl erfolgt ausschließlich nach wissenschaftlichen Kriterien, betonte DFG-Präsident Peter Strohschneider gegenüber Nature. Die Sieger erhalten ab 2019 über sieben Jahre hinweg jährlich acht Millionen Euro. Unis, die zwei Cluster-Anträge durchgebracht haben, können sich um den prestigeträchtigen Elite-Titel bewerben. Diese Verknüpfung kritisiert Dieter Imboden: “The competition to form clusters should be run independently of that for elite-university status, he says. Otherwise, second-tier universities could outperform those with a much stronger overall research portfolio and gain the sought-after title, which is currently held by 11 universities”, heißt es in dem Beitrag. Wichtig zu wissen: Imboden hatte die Exzellenzinitiative 2016 evaluiert.
  
 
 
Jamaika-Sondierer sagen Yes zur Wissenschaft
Wenn nichts mehr geht, hilft die Wissenschaft gern auch mal als Brückenbauerin weiter. Eindrucksvoll zu sehen war das am Montag bei den Sondierungen zum Berliner Jamaika-Bündnis. Nachdem sich die Verhandlungspartner von CDU, CSU, FDP und Grünen in der Vorwoche in die Sackgasse geredet hatten, konnten sie zum Wochenstart Boden gutmachen. Ja zum Hochschulpakt und zur BaföG-Erhöhung, Ja zum Pakt für Forschung und Entwicklung und Ja zu zusätzlichen Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung. Zum Konsens der potenziellen Koalitionäre gehört auch, bis zum Jahr 2025 die gesamtstaatlichen Aufwendungen für Bildung und Forschung auf mehr als 10 Prozent der Wirtschaftsleistung zu erhöhen. 3,5 Prozent davon sollen in Forschung und Entwicklung fließen (Wirtschaftswoche, Welt, Deutschlandfunk). Damit beweist die mögliche neue Regierung schon mal Weitblick und Wettbewerbsgeist. Beides ist wichtig, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zum Beispiel kündigte erst kürzlich ein Millarden-Investitionspaket für Bildung und Wissenschaft an (InsideHighered).
  
 
 
140 Zeichen für die Wissenschaft
Schnell, prägnant und einflussreich – immer mehr Forscher kommunizieren über den Kurznachrichtendienst Twitter, mischen sich ein, informieren und kommentieren. Wie sich wichtige Botschaften seriös in 140 Zeichen packen lassen, erklärt Susanne Geu in ihrem Blog. Perfekt, nicht nur Einsteiger.
  
 
 
Erdogans langer Arm
Eine weitere dramatische Zuspitzung in ihrem Leben erfahren die türkischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich im Kampf um die akademische Freiheit und den Frieden in ihrem Land einsetzen. Nach gemeinsamen Recherchen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR droht Wissenschaftlern im deutschen Exil jetzt eine Massenanklage wegen Terrorverdachts. Ihre Auslieferung an das Regime von Staatspräsident Erdogan sei zwar unwahrscheinlich – sie könnten aber nicht mehr gefahrlos reisen, heißt es in dem Beitrag. Auch THE berichtete.
  
 
 
International vorbildlich
In der Bildungs- und Wissenschaftspolitik schielt Deutschland normalerweise gern nach Skandinavien. Jetzt läuft es einmal herum. Schweden erarbeitet seine erste Internationalisierungsstrategie und orientiert sich dabei auch an Deutschland (University World Service). Das aus dem Jahr 2008 stammende Papier war vom Berliner Bundeskabinett zuletzt im Februar aktualisiert worden. Wie viel davon tatsächlich in Schweden aufgegriffen wird, zeigt sich im Januar. Dann soll die Strategie veröffentlicht werden, die die ehemalige Rektorin der Universität Kalmar, Agnetha Bladh, im Auftrag der Regierung federführend konzipiert. Als Lehrmeister im Gebiet Weltoffenheit hat sich Schweden auch China, Indien und die USA ausgesucht.
  
   
   
   
Anzeige
 
   
   
   
 
 
   
 
   
   
 
Personen
 
 
   
   
Hendrik Brinksma wird Präsident der TU Hamburg
Bei der Internationalisierung liegen Technische Universitäten in Deutschland schon vergleichsweise gut im Rennen. Jeder siebte Wissenschaftler stammt aus dem Ausland, zeigt die Studie Wissenschaft Weltoffen. Die TU Hamburg-Harburg geht jetzt noch einen Schritt weiter: Mit dem gebürtigen Niederländer Hendrik Brinksma hat sie einen international erfahrenen Wissenschaftsmanager zum Präsidenten gewählt (Welt). Der 60-jährige Informatiker war bis 2016 Rektor der Universität Twente. Sein Amt in Hamburg übernimmt er Anfang 2018.
 
Tim Bradshaw führt Russell-Group
Der Verband forschungsstarker Universitäten in Großbritannien setzt in Zeiten der Unruhe auf Kontinuität. Tim Bradshaw darf nun auch künftig die Geschäfte der einflussreichen Russell-Group führen. Der Wissenschaftsmanager hatte das Amt im Februar kommissarisch übernommen, nachdem Wendy Piatt über eine Affaire gestürzt war (THE). Die 24 Russell-Group-Mitglieder profitieren besonders stark von der EU-Forschungsförderung. Der Brexit ist denn auch Bradshaws Topthema.

Scott Pruitt entlässt kritische Berater
Der Chef der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA, Scott Pruitt, will kritische Wissenschaftler aus den zahlreichen Beratergremien drängen. Sie sollen durch Experten ersetzt werden, die „unterschiedlichere Ansichten“ hätten, erklärte Pruitt am Dienstag (Washington Post, Time, Spiegel Online). Auf die Schlüsselposition war Pruitt von US-Präsident Donald Trump berufen worden. Die EPA ist der maßgebliche Think Tank in der US-Klimapolitik und vergibt Forschungsaufträge zur Politikberatung im Umweltschutz.

Antje Boetius leitet AWI
Das Alfred-Wegner-Institut in Bremerhaven bekommt am morgigen Freitag eine neue Chefin. Die 50-jährige Meeresbiologin Antje Boetius von der Universität Bremen folgt auf Karin Lochte, die das renommierte Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung seit 2007 leitete.
 
Silvia Bovenschen ist tot
Die Literaturwissenschaftlerin und Essayistin Silvia Bovenschen ist im Alter von 71 Jahren in Berlin gestorben. Nachrufe finden sich unter anderem in der ZEIT, der FAZ und der SZ.

Familienfreundliches Tübingen
Eine Rarität im akademischen Stellenmarkt bietet die Universität Tübingen. Sie sucht eine Personalentwicklerin oder einen Personalentwickler, bietet eine unbefristete Anstellung (Besonderheit 1) und dazu auch noch die Möglichkeit an, die Stelle zu teilen (Besonderheit 2). Wir schlussfolgern: In Tübingen wird familienfreundlich gedacht. Verschärftes Lob! Details zur Ausschreibung finden sich im aktuellen ZEIT-Stellenmarkt.
   
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Prof. Dr. Ulrike Tippe

Designierte Rektorin der TH Wildau
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
So richtig „neu“ ist diese Erkenntnis nicht wirklich, aber ich habe sie in den letzten Monaten noch einmal bestätigt gesehen: „Bleibe authentisch, innerlich unabhängig – das hilft in schwierigen Zeiten, den Kurs zu finden und zu halten“.
 
Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Bei allem Verständnis für individuelle Interessenslagen, so wünsche ich mir zuweilen mehr den Willen, gemeinsame Ziele zu  definieren und anzustreben sowie gegebenenfalls eigene Interessen auch einmal zurückzustellen. Das ist eine reine Einstellungsfrage und würde helfen, aktuelle und teilweise strittige Themen wie beispielsweise die Durchlässigkeit des Bildungssystems, das Promotionsrecht von Fachhochschulen oder auch die Mittelverteilung offener und damit gegebenenfalls auch lösungsorientierter zu begegnen.
 
Lektüre muss sein. Welche?
Ich liebe Krimis zur Entspannung, allerdings mag ich es nicht, wenn zu viel „Blut spritzt“. Im Moment mag ich besonders einige Regionalkrimis (z.B. Südtirolkrimis), die einem reale Orte mit ihren Menschen und Gewohnheiten, Vorlieben usw. näher bringen und gleichzeitig eine spannende Geschichte beinhalten. Insbesondere wenn ich selber schon einmal dort gewesen bin, entstehen Verknüpfungen zwischen meinen  persönlichen Erinnerungen und der beschriebenen Handlung,  die ein ganz besonders intensives und entspannendes Lesevergnügen darstellen!
 
Und sonst so?
Lasst uns den jungen Menschen wieder etwas mehr Zeit geben. Zeit zum Ausprobieren, Zeit zum Begreifen, Zeit zum Verstehen und Zeit füreinander. Welcher Ort ist dafür besser geeignet als eine Hochschule?
   
   
 
 
   
 
 
   
   
   
Anzeige
 
   
   
   
 
 
   
 
 
   
 
   
   
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
»Ich lerne, geduldig zu sein« Lang Lang ist einer der bekanntesten Pianisten der Welt. Jetzt zwingt ihn eine Verletzung zur Pause. Ein Gespräch über schwarze Pädagogik, Spotify, und warum ihn seine Mutter immer noch ins Bett schickt

Politische Bildung Wie studiert es sich, wenn es im Gastland kriselt? Drei deutsche Studenten über den Reiz, genau jetzt in Barcelona, Bogotá und Istanbul zu sein Türkisch für Mutige Die Erasmus-Koordinatorin der Universität Münster erklärt, warum die Hochschule weiterhin Studenten in die Türkei schickt Die Schweiz ruft Warum viele angehende Ärzte ins Nachbarland abwandern Und das ist auch gut so? Eine neue Studie über das Outing am Arbeitsplatz »Wie viel kostet das System?« Bildungspolitiker aus Nigeria suchen in deutschen Betrieben nach der Zukunft für die Jugend ihres Landes 

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
   
   
 
c.t.
 
 
   
 
Promi-Spotting ist ein Hobby, das in der Wissenschaft vielleicht noch nicht ganz so verbreitet sein mag. Wie zum Beispiel heißt die Frau im schwarzen Anzug (Bildmitte)? Das ist Maria Furtwängler. Die Schauspielerin mit Namen zu kennen, ist aktuell für Wissenschaftler in München durchaus relevant. An der TUM und der HFF wird die Tatort-Kommissarin in den kommenden Wochen nämlich öfters auftauchen. Der Hintergrund: Die Dreharbeiten zur Wissenschafts-Webserie „Täglich unter Männern“ (Keine Panik, das ist nur der Arbeitstitel) haben begonnen. Furtwängler spielt die Hauptrolle. Wer sich dadurch im Lehrbetrieb gestört fühlt, sei getröstet. Die Beeinträchtigungen dienen einem höheren Zweck. Die mit 50.000 Euro vom FilmFernsehFonds geförderte Serie soll jungen Frauen und Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren Lust auf die MINT-Studienfächer machen. Wir sind gespannt.
 
Quelle: IDW; Foto: HFF München/COCOFILMS
 
 
 
 
 
 
 
 
   
Bis Montag alles Gute!

Ihr CHANCEN-Team


PS: Gefällt Ihnen der CHANCEN Brief, dann leiten Sie ihn gern weiter. Haben Sie ihn weitergeleitet bekommen, melden Sie sich ganz einfach und unverbindlich an –  unter www.zeit.de/chancen-brief. Dann schicken wir Ihnen den Newsletter, solange Sie wollen, immer montags und donnerstags zu.
 
 
 
 
 
 
 
   
Anzeige
Jobs im ZEIT Stellenmarkt
Jetzt Branche auswählen und Suche starten: