| | Guten Morgen, |  | | |
seit zwei Tagen wird allenthalben über Gerechtigkeit diskutiert, über Gewinner und Verlierer. Zu den Gewinnern gehören Unternehmen wie Apple oder Nike, aber auch Superreiche, Prominente, Spitzensportler oder Menschen, die all das in sich vereinen und mithilfe von Briefkastenfirmen und Offshore-Konten alles tun, um Steuern zu vermeiden und so noch reicher zu werden. Der Apple-Konzern drückte seine Steuerquote bei Gewinnen außerhalb der USA auf lächerliche drei bis sieben Prozent. Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton sparte sich allein bei der Einfuhr seines neuen Privatjets Steuern im Höhe von mehr als vier Millionen Euro. Ausgerechnet U2-Frontmann Bono, der Kämpfer gegen Armut, Aids und für fairen Handel, ist Besitzer mehrerer Briefkastenfirmen. Und Queen Elizabeth II. (91 Jahre!) parkt ihre Gelder nicht nur in Steueroasen, sondern mehrt es, erfuhren wir on top, auch mit einer Firma, die Staubsauger teuer an Leute vermietet, die sich keine eigenen leisten können. Die Paradise Papers, 13,4 Millionen Dokumente, die der »Süddeutschen Zeitung« laut dem Blatt »von unbekannter Seite« zugespielt wurden und die die »Süddeutsche« mit dem Netzwerk investigativer Journalisten ICIJ teilte, haben es in sich. Denn zu den Verlierern zählen wir alle; der Schaden für unsere Gesellschaft ist immens. Allein Deutschland entgehen nach einer Berechnung des Ökonomen Gabriel Zucman für die »Süddeutsche« jedes Jahr 17 Milliarden Euro an Steuereinnahmen, weil internationale Konzerne ihre Gewinne in Steuerparadiese verschieben. Die EU verliert etwa 60 Milliarden Euro im Jahr. Man stelle sich vor, was sich mit diesem Geld in den Bereichen Bildung, Armut, Migration und Umwelt alles tun ließe!
Ein weiterer Schaden: Das Gerechtigkeitsempfinden jener Steuerzahler, die sich bisher keinen Privatjet leisten können, so hört man nun allenthalben, ist erschüttert oder gar gestört.
Wirklich erst jetzt? Steuerhinterziehung in Deutschland, schätzt Professor Friedrich Schneider, Experte für Schattenwirtschaft, in der »Bild«, verursacht rund 45 Milliarden Euro Schaden im Jahr. Fast die Hälfte davon machen laut Schneider alltägliche Tricksereien aus, wie als Geschäftsessen abgerechnete Tête-à-Têtes, Betrügereien bei der Pendlerpauschale oder nicht angemeldete Putzfrauen.
Doch es gibt einen Unterschied: Die Steuerhinterziehung der kleinen Leute ist illegal. Die Steuersparmodelle der Reichen und Besseren sind es nicht unbedingt. Mehr noch: Bisher sind sie von der Politik geduldet. Das ist der Skandal. Klar, dass sich auch die ZEIT in der kommenden Ausgabe mit dem Thema beschäftigen wird. Und was macht Hamburg? Die geplante neue Straßenreinigungsgebühr billiger. »Wir wollen den städtischen Beitrag deutlich erhöhen und dafür einen geringeren Beitrag von den Grundeigentümern erheben«, erklärte Umweltsenator Jens Kerstan gestern. Wie viel weniger die Bürger zahlen sollen, müsse erst in den Regierungsfraktionen besprochen werden. Grund für den Ablass seien aber nicht geharnischte Proteste. Sondern günstige Steuerprognosen.
Neuer Richter – alles auf Anfang?
Nächste Woche steht die Elbvertiefung wieder vor Gericht. (Nicht wir, sondern die andere.) Hamburg und Bund wollen die Elbe so weit vertiefen, dass Schiffe mit einem Tiefgang von 13,50 Metern auch bei Ebbe hindurchfahren können. Umweltverbände, die Städte Cuxhaven und Otterndorf sowie andere Kläger (auch einige Anwohner aus Hamburg) wollen das nicht. Entscheiden muss nun das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, dort ist jedoch der Richter des zuständigen Senats im Mai in den Ruhestand gegangen, und auch die Berichterstatterin, die den Überblick über das Verfahren behält, ist abgetreten. Das freut die Kläger, denn in einem solchen Fall muss das Verfahren noch einmal komplett neu eröffnet werden. Das heißt, dass der – in diesem Fall neue – Berichterstatter alle bisher getroffenen Entscheidungen noch mal vorstellen und erklären muss (das letzte Urteil zur Elbvertiefung fällte das Gericht im Februar). Oft nickt der neue Richter dann alles ab, aber das muss er auch nicht. Bei der Wiedereröffnung dürfen auch neue Beweismittel zu Fragen eingebracht werden, die man eigentlich schon geklärt hatte. Man kann sich die Elbvertiefung wie ein Paket vorstellen, erklärt der Jurist Ulrich Karpen, emeritierter Professor der Uni Hamburg, in dem vieles schon geklärt sei, aber eben noch nicht alles. Nun werde alles noch einmal durchgesehen. Dass es dabei noch zu ganz neuen Entscheidungen kommt, hält Ulrich Karpen jedoch für »wenig wahrscheinlich«, es sei denn, es tauchten völlig neue Gesichtspunkte auf – und genau das hoffen die Kläger, die neue Gutachten von niederländischen Wasserbauexperten im Gepäck haben. Eines steht aber jetzt schon fest: »Es wird sicher darauf hinauslaufen, dass das Verfahren mehr Zeit kostet«, sagt Karpen. |
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