Orbán macht Druck | ExStra | 3½ Fragen an Thomas Kaufmann | Gastkommentar Felix Schenuit und Lukas Daubner: Bitte keine Entakademisierung!

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
willkommen im Sommersemester! Hoffentlich sind Sie guter Dinge und voller Tatendrang. Zu diesem Zwecke empfehlen wir Ihnen die Antwort 2 von Thomas Kaufmann im Fragebogen: die hat Schmiss! Außerdem hat uns eine interessante Replik auf den Gastbeitrag von Carlo Masala aus der ZEIT Nr. 7 über die Krise (und Zukunft) der Politikwissenschaften erreicht, von Felix Schenuit und Lukas Daubner.
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Orbán macht Druck
Die Central European University (CEU) ist ein akademischer Leuchtturm in Ungarn. Die CEU wurde 1991 von US-Miliardär George Soros gegründet; sie ist akkreditiert in den USA und verleiht amerikanische Abschlüsse – hat ihren Standort aber in Budapest. Ungarns Präsident Victor Orbán scheint jetzt seine Antipathie gegen Soros über die CEU auszutragen. Jedenfalls hat er ein neues Hochschulgesetz angekündigt, das die CEU in Bedrängnis bringt: Es besagt nämlich, dass ausländische Universitäten in Ungarn nur dann existieren dürfen, wenn sie zugleich in ihrem Heimatland einen Campus unterhalten. Ausführlich: SpOn; der Standard; NZZ. Die Junge Akademie äußerte sich in einer Stellungnahme besorgt über das neue Hochschulgesetz: „Als Junge Akademie sehen wir nicht nur die Freiheit im Wissenschaftsraum der Europäischen Union gefährdet. Wir sind auch indirekt von dieser Gesetzesvorlage und drohenden Schließung der CEU betroffen, da eines unserer Mitglieder, der Historiker Jan Hennings, an der CEU als assistant professor lehrt und forscht.“ Ein Interview mit CEU-Rektor Michael Ignatieff lesen Sie in der kommenden Ausgabe der ZEIT.
  
 
 
ExStra: Bottom Up oder Top Down?
Es rumpelt im Norden. „Universität Bremen hat sich mit fünf Cluster-Skizzen gut aufgestellt“, hieß es am Freitag in einer fröhlichen Pressemitteilung. „Gut aufgestellt“ ist aber scheinbar Definitionssache. Susanne Schattenberg, Direktorin der Forschungsstelle Osteuropa an der Uni Bremen, kritisierte nämlich im Weser Kurier die Entscheidung von Rektor Bernd Scholz-Reiter, den Studiengang „Kulturgeschichte Ostmitteleuropas“ einzustellen – und wertet das als Kannibalisierungstaktik zugunsten der ExStra. Schattenberg: „Das ist leider ein übliches Beutezugverfahren. Eine Uni muss, um in die nächste Runde der Exzellenzinitiative zu kommen, zwei Großforschungsverbünde durchbekommen, was nicht einfach ist. Die Uni geht mit fünf solcher Anträge in die Antragstellung – das ist für diese Uni eigentlich viel zu viel. Auch andere Bereiche bekommen das zu spüren, weil alles, was an Stellen frei wird, diesen Clustern zugeteilt wird.“ These: Diesen Konflikt gibt es nicht nur an der Uni Bremen. Dahinter steht die Frage: Wie Top Down kann das „konzeptionelle Selbstbewusstsein“ (Strohschneider) der Unis sein, ohne dass die Stimmung kippt?
  
 
 
Klassentreffen in München
Wir vermuten zwar, dass sich heute und morgen nicht alle 30.000 Mitglieder des Deutschen Hochschulverbandes zum DHV-Tag in München einfinden werden. Klassentreffenfeeling stellt sich aber bestimmt trotzdem ein! Diskutiert wird über die Frage: „Political Correctness versus Freiheit der Wissenschaft?“ Klingt spannend. Uns hat das Programm trotzdem etwas skeptisch gemacht. 15 Männer und nur vier Frauen werden reden; auf einem Podium diskutieren vier Professoren über 55 (Jörg Baberowski, Wolfgang A. Herrmann, Karl-Rudolf Korte und Axel Meyer) über „Konformitätsdruck in der Lehre“. „Bisschen ironisch, oder?“, hat Chancen-Redakteurin Anna-Lena Scholz letzte Woche DHV-Präsident Bernhard Kempen gefragt. „Sie treffen einen wunden Punkt“, sagte Kempen im Gespräch: „Dieses Ungleichgewicht ist kritikwürdig und wir sind darüber unglücklich.“ (Das ganze Interview lesen Sie in der aktuellen ZEIT.) Nun ja, wir wünschen selbstverständlich trotzdem frohes Diskutieren und gute Stimmung!
  
 
 
Kein Dr. FH in Sachsen-Anhalt
Armin Willingmann (SPD), Wissenschaftsminister in Sachsen-Anhalt, ist unzufrieden. Der Mitteldeutschen Zeitung sagte er, die zwei Universitäten (in Halle und Magdeburg) sowie die fünf Hochschulen für angewandte Wissenschaften sollten „enger kooperieren und bestehende wechselseitige Vorbehalte endlich überwinden“. Konkret: Promovierwillige FH-Absolventen sollen bitte schön von den Unis mit offenen Armen empfangen und dort betreut werden. Gegen ein eigenständiges FH-Promotionsrecht spricht sich Willingmann allerdings aus: „Eigentlich ist die Promotionsmöglichkeit für FH-Absolventen unter akademischer Betreuung von FH-Professoren an unseren Universitäten bereits seit Jahren gesetzlich festgeschrieben. Aber in der Praxis scheint das nur unzureichend zu funktionieren“, sagte er der MZ, und weiter: „Dadurch zwingen wir aber Absolventen unserer Hochschulen, Promotionsmöglichkeiten außerhalb Sachsen-Anhalts wahrzunehmen.“ 
  
 
 
In eigener Sache: Z+
Wir freuen uns, an dieser Stelle auf eine Neuerung aufmerksam machen zu können – vor allem für jene, die gerne digital lesen: Ab jetzt finden Sie die gesamte Print-Ausgabe der ZEIT schon am Mittwoch Abend vollständig auf ZEIT ONLINE. Die Texte aus der aktuellen Ausgabe sind jeweils mit einem grau bzw. rot hinterlegten Z+ markiert und zugänglich, wenn Sie sich als Leserin oder Leser registriert haben. Hier erklären wir, wie das funktioniert; wer es noch genauer wissen will, kann auf kress ein Interview mit Moritz Müller-Wirth (ZEIT) und Jochen Wegner (ZEIT ONLINE) über die Architektur unserer Paywall lesen. 
  
   
   
   
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Die Zahl
 
 
   
24.000

Einzelberatungen für geflüchtete Studierende wurden an den Hochschulen im vergangenen Wintersemester durchgeführt, mehr als doppelt so viele wie im Semester zuvor.
Insgesamt sind hierzulande 1.140 Geflüchtete in ein Fachstudium immatrikuliert.
Das ergab eine (allerdings nicht repräsentative) Befragung der Hochschulrektorenkonferenz.
 
Quelle: HRK 
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Prof. Dr. Thomas Kaufmann

Professor für Kirchengeschichte an der Universität Göttingen
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Dass Luther ein ungemein cleverer, ‚ausgebuffter’ Publizist gewesen ist, der mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln auf der Klaviatur des in seiner Zeit noch relativ jungen Printmediums zu spielen wusste – und dies von den frühesten Anfängen des Ablassstreites an und in einer sein Leben weithin prägenden Intensität. Daraus ergibt sich ein Bild seiner Person, dass ihn niemals ohne Medienaktivitäten zeigt. Ja, ein Luther des Jahres 2017 würde twittern. Bloß gut, dass mir dieser Anblick erspart geblieben ist.

Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Nicht nur eines: Die notorische Unterrepräsentation von Geisteswissenschaftlern in den Entscheidungsgremien der großen Förderorganisationen, etwa der DFG; der schleichende Verfall fremd-, insbesondere altsprachlicher Kompetenzen in den Geisteswissenschaften; eine ziellose, mit konkreten Forschungsfragen nicht vermittelte, gegen das Buch gerichtete ‚Um – jeden – Preis-Digitalisierung’; eine gegenüber sprachlich-kultureller Vielfalt ignorante, monoman anglo-amerikanisch-kolonialistische Form der Internationalisierung; der Ausschluss der Graduiertenschulen aus der Exzellenzinitiative; Umverteilung von Kurzfrist- auf Langzeitvorhaben. Erwägenswert wäre, ob nicht in engerem Zusammenhang mit der Migrationspolitik in unserer Gesellschaft auch frühzeitig die Aufgabe in Angriff genommen werden müsste, die Sprachen und Kulturen jener Menschengruppen, die zu uns kommen, intensiver zu erforschen. Gerade dann nämlich, wenn ihre Inkulturation gelingt, werden die Kinder der heutigen Einwanderer wissen wollen, wo ihre Eltern herkamen. Eine kontextsensible, diversitätsfreudige, nachhaltige Wissenschaftspolitik in den Geisteswissenschaften wird gesellschaftspolitische Folgen haben – und sollte deshalb auch Geld kosten!

Lektüre muss sein. Welche?
Mindestens eine überregionale Tages- und Wochenzeitung; die wichtigen Rechtstexte unseres Landes – gegen die postfaktischen Verächter des Rechts!; das Johannesevangelium. Und dann ein Lieblingsbuch, das einfach nur Freude macht !

Und sonst so?
Keine halben Sachen! Weder im Leben, noch in der Liebe, weder beim Reden, noch beim Schreiben und Handeln. Und drei Dinge braucht der Mann: Stift, Papier, Rotwein und – ab und zu – Tabak. 
   
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
   
   
 
Gastkommentar
 
 
   
   
von Felix Schenuit und Lukas Daubner
   
   
   
Hört auf, das Studium zu entakademisieren!
In seinem Beitrag „Politikwissenschaft: Auf dem Rückzug“ argumentierte kürzlich Carlo Masala in der ZEIT, dass die Professionalisierung der Politikwissenschaft zu einer Marginalisierung politikwissenschaftlicher Expertise in der Gesellschaft geführt habe. Um das zu ändern, schlägt er einen stärkeren Praxisbezug des Studiums vor.
Dabei ignoriert Masala zweierlei: Einerseits die vielfältigen Wege, über die politikwissenschaftliches Wissen bereits jetzt in die Öffentlichkeit gelangt. Andererseits, die Relevanz einer fundierten wissenschaftlichen Ausbildung, die Studierende weiter bringt als erzwungener Praxisbezug. Als junge Absolventen des Fachs finden wir, dass beides berücksichtigt werden sollte.
Viele Politikwissenschaftler_innen stellen sich der Öffentlichkeit: Per Social-Media, auf Diskussionsforen, in den Massenmedien. Auch die Studierende scheuen sich häufig nicht, ihr Wissen zu präsentieren. Sie tun das ebenfalls nicht nur im Internet, sondern durch ihr soziales und politisches Engagement innerhalb und außerhalb der Universitäten. Die von Masala geforderte (Re)Politisierung der Politikwissenschaft geht auf Kosten der akademischen Denk- und Arbeitsweisen. Das kann nicht im Interesse der Öffentlichkeit, der Disziplin oder der Studierenden sein.
Mehr praktische Einheiten werden Studierende nicht politisieren. Um Interesse zu wecken oder zu fördern, müssen Studierende lernen, eine eigene Fragestellung zu entwickeln und zu bearbeiten. Sie sollten dazu befähigt sein, ein Thema wirklich zu durchdringen. Das Verfassen von Vorlagen und Schreiben von Reden beispielsweise sind Aufgaben, die auch im ohnehin verpflichtenden Praktikum oder im ersten Job gelernt werden können. Die Grundlagen dafür sind Theorien, Methoden und ein daraus resultierender analytisch geschärfter Blick. Und diese müssen im Studium vermittelt werden.
Anstelle von erzwungener Praxisrelevanz, sollte ein fundiertes Studium mit Wahlfreiheiten das Ziel sein und das selbständige Denken der Studierenden sollte gefördert werden. Dann steht der gesellschaftlichen Relevanz der Politikwissenschaft nichts im Weg.

Felix Schenuit ist Forschungsassistent in der Forschungsgruppe EU/Europa der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP); Lukas Daubner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl politische Soziologie der Universität Bielefeld und Sprecher der Bildungsinitiative „Was bildet ihr uns ein?“ Der Gastkommentar ist auch online abrufbar.
   
   
Sind Sie anderer Meinung? Dann schreiben Sie an: chancen-brief@zeit.de
– oder twittern Sie unter #ChancenBrief
   
 
 
   
 
   
   
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
   
Das schüchterne Geschlecht Wissenschaftlerinnen zeigen sich zu selten in der Öffentlichkeit – und schaden sich damit selbst. Unsere Redakteurin Anna-Lena Scholz fragt sich: Warum bloß?

Nie ohne sie Frauen an der Seite von Albert Einstein, Max Weber, Friedrich Schlegel: Was man von diesen leidenschaftlichen Wissenschaftlerinnen heute noch lernen kann Ihr kriegt uns nur als Paar Früher stellten Hochschulen einfach einen Forscher ein. Heute müssen sie auch noch Stellen für den Ehepartner schaffen. Ist das strategische Personalgewinnung oder Nepotismus? Wann ändert sich was? Vier wichtige Vertreter der deutschen Wissenschaft sprechen über Mut, Macht und Quoten: Johanna Wanka, Alexander Kurz, Bernhard Kempen und Ulrike Beisiegel im Gespräch Guten Morgen, Herr Professor! Honorarprofessuren gehen fast immer an Männer – warum die Universitäten klarere Regeln zur Vergabe der Ehrentitel brauchen Das Monster sitzt im Taxi Der Chef bin ich. Und das ist das Problem, sagt Daniel Erk

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
 
   
 
   
   
 
c.t.
 
 
   
 
Letzte Woche bei uns im CHANCEN-Ressort. Motto: Wer arbeitet, muss auch feiern!
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
   
Frühling! – wünscht Ihnen

Ihr CHANCEN-Team

PS: Gefällt Ihnen der CHANCEN Brief, dann leiten Sie ihn gern weiter. Haben Sie ihn weitergeleitet bekommen, melden Sie sich ganz einfach und unverbindlich an –  unter www.zeit.de/chancen-brief. Dann schicken wir Ihnen den Newsletter, solange Sie wollen, immer montags und donnerstags zu.
 
 
 
 
 
 
   
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