Raus, raus, raus! | FH-Nachwuchsprogramm | 3½ Fragen an Astrid Schulte | Gastkommentar Robin Mishra: Standards und Stil

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
das Osterwetter hatten wir uns irgendwie anders vorgestellt. Da hilft nur: Eine Kanne Tee kochen, nochmal die Wolldecke rausholen, und mit der neuen ZEIT ab aufs Sofa. Vielleicht ja auch mit dem Buch, das Ihnen Astrid Schulte von der Heraeus Bildungsstiftung im Fragebogen empfiehlt. Vorher aber noch schnell das Neue und Wichtige aus der Wissenschaftswelt und, im Gastkommentar, ein bedenkenswerter Einwurf zur Politik der Science Marches von Robin Mishra (Deutsche Botschaft in Washington). 
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Raus, raus, raus!
Unser Mail-Postfach quillt dieser Tage über mit e-Mails von Wissenschaftlern und Wissenschaftsorganisationen, die ihre Unterstützung des March for Science am 22. April kundtun. Wo so viel einhelliges Engagement ist, scheint es ein ernsthaftes Problem zu geben: nämlich Angriffe auf die Wissenschaftsfreiheit und eine Entfremdung zwischen Universitäten und Gesellschaft. Über die Vertrauenskrise der Wissenschaft und eine radikale Öffnung des Elfenbeinturms schreiben in der aktuellen ZEIT gemeinsam die Leiter der Ressorts CHANCEN und WISSEN, Manuel J. Hartung und Andreas Sentker. Außerdem interviewen sie den Generaldirektor des Berliner Naturkundemuseums, Johannes Vogel, der sagt: „Die Wissenschaft muss lernen, zuzuhören. Sprechen kann sie schon.“ 
  
 
 
Universität und Nation
In Ungarn gehen weiterhin Tausende auf die Straße, um gegen das neue Hochschulgesetz zu demonstrieren. Das geplante Treffen von CEU-Präsident Michael Ignatieff mit FU-Präsident Peter-André Alt kam vorerst nicht zustande; inzwischen gibt es gleichermaßen zustimmende wie kritische Stimmen über die Angebote, der CEU etwa in Berlin Asyl anzubieten. Außerdem kommt jetzt Druck aus Brüssel: Die EU-Kommission droht Ungarn mit rechtlichen Schritten. (Tagesspiegel) Die Washington Post analysiert, wie eine kleine Privatuniversität zum Politikum eines ganzen Landes werden konnte: „Hungarian right-wing nationalists depict civil society organizations and institutions, such as the Central European University, as foreign and alien intrusions into Hungarian national society. Instead of foreign ideas, they appeal to national unity.“ 
  
 
 
FH-Nachwuchsprogramm: Eckpunkte bis November
Ein paar Monate vor der Bundestagswahl ist das Politikmachen so eine Sache. Ob eine Ministerin noch Handfestes auf den Weg bringt oder nur noch Versprechungen in die unsichere Zukunft macht, ist eine Frage der Deutung. Beispiel heute: Das FH-Nachwuchsprogramm von BMBF-Chefin Johanna Wanka. Bis „Sommer“ wolle sie „mit den Ländern im Kern einig sein“, sagte sie Anfang Februar im Interview. Auf der jüngsten GWK-Sitzung, so kann man im Blog von Jan-Martin Wiarda nachlesen, wurde nun beschlossen: Die Staatssekretäre-AG solle „Eckpunkte für ein gemeinsames Bund-Länder-Programm“ vorlegen, auf der Grundlage der „Wissenschaftsratsempfehlungen zur Personalgewinnung und -entwicklung an den Fachhochschulen sowie bestehende(n) Best-Practice-Beispiele(n)“. Das ganze bis November. Was nicht „Sommer“ ist, und ob Wanka dann noch dem BMBF vorsteht, ist auch ungewiss. Aber Rom wurde ja bekanntlich auch nicht an einem Tag erbaut.
  
 
 
Wer am meisten vom Auslandsstudium profitiert
Auslandsaufenthalte während des Studiums sind eine tolle Sache. Man lernt andere Sprachen und Wissenschaftskulturen kennen, und wenn es gut läuft, auch ein paar Freund- oder Liebschaften fürs Leben. Interessant allerdings eine neue Analyse des CHE: Demnach profitieren von Auslandsaufenthalten besondere jene Studierende, die nicht aus einer Akademikerfamilie kommen. Positive Effekte wie ein gestärktes Selbstvertrauen sind bei ihnen stärker wirksam. Allerdings hält sie die Sorge, den Auslandsaufenthalt nicht finanzieren oder organisieren zu können, häufig davon ab – daher, so folgert das CHE, müssten solche institutionellen Hürden noch besser abgebaut werden.
  
 
 
Regierungsentwurf zum Urheberrechtsgesetz liegt vor
Es gibt Neuigkeiten zur Reform des Wissenschaftsurheberrechts. Seit gestern liegt ein Regierungsentwurf vor (hier als pdf), den Justizminister Heiko Maaswie folgt kommentierte: „Dabei berücksichtigen wir unterschiedliche Interessen: Wissenschaftler und Forscher benötigen einen möglichst einfachen Zugang zu Inhalten, denn neue Erkenntnisse bauen in aller Regel auf vorhandenem Wissen auf. Die gesetzlich erlaubten Nutzungen sind nach unserem Entwurf – wie es den allgemeinen urheberrechtlichen Grundsätzen entspricht – angemessen zu vergüten. Denn: Die kreative Leistung von Wissenschaftsautoren ist ebenso zu honorieren, wie die Investition der Wissenschaftsverlage in die Herstellung und Verbreitung der geschützten Inhalte.“ Klingt nach Kompromiss, geht bei den widerstreitenden Parteien wohl auch nicht anders. Konkret: Laut dem neuen §60a dürfen nur 15 Prozent eines Werkes zu Lehrzwecken verbreitet werden; im Referentenentwurf waren noch 25 Prozent veranschlagt. Tagesspiegel und netzpolitik.org dröseln Ihnen den Entwurf auf.
  
   
 
 
   
 
   
   
 
Personen
 
 
   
   
Bertelsmann-Stiftung
Die Bertelsmann-Stiftung hat einen neuen Kommunikationschef: den promovierten Historiker Andreas Knaut. Zuvor warer u.a. für Gruner + Jahr, Danone und die Schufa Holding tätig. Er lehrt zudem als Dozent an der Fresenius Hochschule.

Neuer Rektor an der ESCP
Andreas Kaplan ist neuer Rektor des Berliner Standorts der transnationalen Wirtschaftshochschule ESCP. Der Wirtschaftswissenschaftler war zuvor bereits Studiendekan an der ESCP.

Gesucht: Forscherinnen, Erfinderinnen, Entwicklerinnen
Frauen, die forschen, werden von der Geschichtsschreibung gerne mal vergessen (ZEIT) Das Onlinemagazin Edition F will das ändern – und sucht „25 Frauen, deren Erfindungen unser Leben verändern“. Nominiert werden können ab jetzt Wissenschaftlerinnen, Entwicklerinnen, Gründerinnen, Unternehmerinnen oder Künstlerinnen. Über die Top 25 entscheidet eine Jury, der u.a. Wirtschaftswaise Lars Feld, Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries und die Präsidentin der Zeppelin-Universität, Insa Sjurts, angehören. Zu den Medienpartnern des Projekts gehören Handelsblatt, Gründerszene und ZEIT ONLINE.

Job: Regieren am Strand
Was ist der ultimative USP der Universität Rostock? Genau, die Nähe zu Strand und Meer. Hier Rektorin zu sein, stellen wir uns ganz gut vor, und praktischerweise wird eine genau solche (m/w) gesucht. Details stehen im ZEIT-Stellenmarkt! 
   
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Astrid Schulte

Geschäftsführerin der Heraeus Bildungsstiftung
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Sind Brüche im Lebenslauf Irrwege oder Exkursionen? Moderne Arbeitgeber legen beim Recruitment Wert darauf, dass der zukünftige Mitarbeiter neben der fachspezifischen Qualifikation auch anderes kennengelernt hat. „Lebenslanges Lernen“ lautet die Herausforderung. Es ist eine hohe Kunst, die Lust auf das Lernen schon in der Schule zu wecken – oder sie zumindest nicht im Keime zu ersticken.

Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Wir leben in Zeiten, in denen anhand von gezielt verbreiteten Unwahrheiten und unbelegten Behauptungen nicht nur am Stammtisch Stimmung, sondern auch Politik auf höchster Ebene gemacht wird. Die Fähigkeit zu kritischem Denken und ein fundiertes Urteilsvermögen auf Basis von verlässlichen Kriterien sind heute wichtiger denn je. Gesicherte Fakten liefert die Wissenschaft, und der Zugang dazu ist heutzutage nicht mehr nur für Eingeweihte möglich. Schon in der Schule muss dieses Bewusstsein gestärkt und das Können dazu vermittelt werden. Dass wissenschaftlich erwiesene Tatsachen anstelle von Behauptungen Grundlage eines konstruktiven Diskurses, als Fundament unserer Demokratie, sein müssen, darauf sollte bei jeder Gelegenheit – ob als Thema auf politischer Bühne oder im kleinen Kreis – hingewiesen werden. Das kostet nichts und kann viel bewirken, denn steter Tropfen höhlt den Stein.

Lektüre muss sein. Welche?
Yuval Noah Hararis „Homo Deus: Eine Geschichte von Morgen“ eröffnet ein überraschendes, kluges und teilweise auch bedrückendes Bild unserer Zukunft: Was werden neue Technologien und Digitalisierung mit unserer Gesellschaft machen? Was passiert, wenn der Homo Sapiens einen technikverstärkten Homo Deus erschafft? Themen, die mich nicht nur vor meinem bildungspolitischen Hintergrund fesseln...

Und sonst so?
„Wer auf der Stelle tritt, kann nur Sauerkraut fabrizieren!“ Sir Peter Ustinov war ein großer Verfechter des lebenslangen Lernens. Wie Recht er hatte! 
   
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
   
   
 
Gastkommentar
 
 
   
   
von Robin Mishra
   
   
Standards und Stil
Wissenschaftler, die für ihre Anliegen auf die Straße gehen, sind ein seltenes Bild. Umso gespannter richtet sich der Blick in den USA auf den „March for Science“ am 22. April in Washington und anderen amerikanischen Städten. Kaum jemals dürfte eine Demonstration noch vor ihrem Stattfinden intellektuell so durchdrungen worden sein. Nachdem „alternative Fakten“ hoffähig geworden sind, Zweifel am Klimawandel offizielles US-Regierungshandeln bestimmen und der Präsident drastische Kürzungen von Forschungsmitteln vorgeschlagen hat, sind die Mahner zwar leiser geworden. Die angesehene Wissenschaftsorganisation AAAS schlägt in einer Vereinbarung mit den Organisatoren dennoch differenzierte Töne an: Demnach sollen „Bedeutung, Wert und Schönheit der Wissenschaft“ im Vordergrund stehen, nicht aber politische Parteinahme.
Hinter dieser Botschaft haben sich inzwischen viele Universitäten und Forschungsorganisationen versammelt. Was wie überzogene Ängstlichkeit wirkt, hat gute Gründe. Wenn Wissenschaftler zurecht auf der Einhaltung von Standards und Stil bestehen, müssen sie sich an ihren eigenen Maßstäben messen lassen. Angesichts einer Eliten-kritischen Stimmung soll auch der Eindruck vermieden werden, hier jage eine privilegierte Gruppe der Gesellschaft nur ihren liebgewonnenen Fördergeldern hinterher.
Die amerikanischen Kundgebungen sind auch dank dieser intensiven Debatte auf bestem Wege, eindrucksvolle Signale für die Wissenschaftsfreiheit auszusenden. Dagegen stehen die in Deutschland geplanten Solidaritätsmärsche unter schwierigeren Vorzeichen. Auch hierzulande sollten Teilnehmerinnen und Teilnehmer am 22. April darauf achten, dass sie positive Botschaften setzen und für die Werte der Wissenschaft werben. Das mag bescheiden klingen. Pegida-artigen Parolen und Forschungsfeinden aus aller Welt ein Plädoyer für wissenschaftliche Errungenschaften und evidenzbasierte Entscheidungen entgegenzusetzen, kann aber sehr wirkungsvoll sein.
Obwohl Organisatoren und Unterstützer in Deutschland ihre Botschaften in diesem Sinne formuliert haben, ist ein deutlich profaneres Bild zu befürchten. Manche könnten die Gelegenheit nutzen, Anti-Trump-Plakate hochzuhalten und gegen die Politik der USA zu demonstrieren. Für eine Wissenschaftler-Kundgebung auf deutschem Boden wäre das extrem schräg. Nicht in Amerika, sondern mitten in Europa werden gerade Universitäten geschlossen, Wissenschaftler entlassen und regierungskritische Intellektuelle verhaftet. Würde der March for Science gar zur Bühne für billige antiamerikanische Parolen werden, hätte ihn die deutsche Wissenschaft teuer bezahlt – mit ihrer Glaubwürdigkeit.

Dr. Robin Mishra ist Leiter Wissenschaft an der Deutschen Botschaft in Washington D.C. Der Artikel gibt seine persönliche Meinung wieder.
   
   
 
 
   
 
   
   
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
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Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
   
   
 
c.t.
 
 
   
 

Nicht lustig? Naja, irgendwie schon!
Quelle: Facebook-Seite der Katholischen Universität Eichstätt, via Donau-Kurier
 
 
 
 
 
 
 
 
   
Wir wünschen Ihnen viele Ostereier und ein paar ruhige und festliche Tage! Bis nächsten Donnerstag –

Ihr CHANCEN-Team


PS: Gefällt Ihnen der CHANCEN Brief, dann leiten Sie ihn gern weiter. Haben Sie ihn weitergeleitet bekommen, melden Sie sich ganz einfach und unverbindlich an –  unter www.zeit.de/chancen-brief. Dann schicken wir Ihnen den Newsletter, solange Sie wollen, immer montags und donnerstags zu.
 
 
 
 
 
 
 
   
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