Science March: Ja oder Nein? | UK: pro Studi-Immigration | 3½ Fragen an Stefan Leible | Gastkommentar Anne Lequy und Peter-Georg Albrecht: Auf dem Weg zur Transferhochschule

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
ob wir am Samstag auch zum Science March gehen? Natürlich. Allerdings als Berichterstatter/innen, und zwar in Berlin, Hamburg, Leipzig, Heidelberg, Tübingen. Wenn Sie uns sehen, sprechen Sie uns gerne an! (Wenn Sie nicht mitmarschieren wollen, schreiben Sie uns, warum: chancen-brief@zeit.de.) Heute geht es aber erst mal um das Etikett „Innovative Hochschule“. Macht sich irgendwie gut, BMBF-Geld steckt auch drin, aber: was meint das eigentlich wirklich? Vorschläge unterbreiten Anne Lequy und Peter-Georg Albrecht von der Hochschule Magdeburg-Stendal im Gastkommentar. Und Bayreuths Uni-Präsident Stefan Leible rät zu Immanuel Kant.
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Science March: Hingehen oder nicht?
Samstag geht’s auf die Straße. Oder lieber nicht? Um sich auf Betriebstemperatur hochzudebattieren, empfehlen wir folgende Beiträge: Auf Spektrum erklärt Mitinitiator Claus Martin, worum es eigentlich geht und dass der March for Science keine Anti-Trump-Veranstaltung sei. In der Forschung + Lehre bemüht sich Hamburgs Uni-Präsident Dieter Lenzen um Differenzierung („Die gegenwärtigen hochspezialisierten Wissenschaften leiden unter einem Epistemologie-Defizit“), sagt am Ende aber: Natürlich laufe er am Samstag mit. Ähnlich Peter Strohschneider im aktuellen Spiegel: „Moderne Forschung ist pluralistisch“, also: eignet sich nur bedingt für buchstäblich plakative Komplexitätsreduktionen. Der Berliner Linguist Anantol Stefanowitsch merkt auf Twitter an, das Ganze klinge bislang eher wie eine „Wohlfühlveranstaltung für positivistische Sciencefanbois“. Und Jan-Martin Wiarda kommentiert in seinem Blog: Demo schön und gut, aber „die Gesellschaft“ erreicht man so noch lange nicht (lesen Sie hier auch die Kommentarspalte!). So. Und die finale Entscheidungshilfe bietet unser heutiges c.t.!
  
 
 
Großbritannien: Immigration nein, Studi-Immigration ja
Internationale Studierende generieren in Großbritannien jährlich 25 Milliarden Dollar; indirekt hängen an ihnen insbesondere in den Uni-Städten rund 200.000 Jobs – das ergab kürzlich eine Umfrage von Universities UK (UUK). Vor diesem Hintergrund überraschen auch nicht die Ergebnisse der jüngsten Befragung unter 4.000 Briten und Britinnen: Demnach plädieren 73 Prozent der britischen Bevölkerung dafür, dass die Zahl der internationalen Studierenden so bleibt oder gar noch steigt. Wie das zur migrationsfeindlichen Politik des Brexit passt? Nur 26 Prozent verstehen die Studierenden aus dem Ausland überhaupt als „Immigranten“, auch wenn sie das für die Zeit ihres Aufenthaltes sind. Klingt nach: Wasch mich, aber mach mich nicht nass. Julia Goodfellow, Präsidentin von UUK, kommentierte gen London: „If the UK wants to remain a top destination for international students, we need a new immigration policy that encourages them to choose the UK. As the UK prepares to exit the EU, it is more important than ever that we project a welcoming message to talented people from across the world.“
  
 
 
Leopoldina: Evolutionsbiologie auf die Lehrpläne
Die Leopoldina hat eine Stellungnahme veröffentlicht, in der sie für eine stärkere Verankerung der Evolutionsbiologie an Schulen und Hochschulen plädiert. Die Evolutionsbiologie sei „das übergreifende Erklärungsprinzip der Lebenswissenschaften“ und betreffe „aktuelle Fragen, wie zunehmende Antibiotikaresistenzen, Ausbreitung von Epidemien, neue Zivilisationskrankheiten oder soziale Konfliktlösung“; entsprechenden „Nachholbedarf“ gebe es in den Lehrplänen. Hier die Empfehlungen als pdf
  
 
 
Lesen! Jetzt!
Ihre Lehrveranstaltungen für das Sommersemester haben Sie sicher schon geplant. Aber vielleicht haben Sie ja noch Luft in der ein oder anderen Seminarsitzung, um sich mit Ihren Studierenden mitten in die aktuellen Debatten der Zeit zu schmeißen. Zu diesem Zwecke empfehlen wir Ihnen die aktuelle ZEIT: Dort haben für uns vier Wissenschaftler/innen unterschiedlicher Fächer ein kleines kommentiertes Vorlesungsverzeichnis entworfen. Es geht um Fake News im 17. Jahrhundert, den Nutzen des Populismus, die Belastung durch den Exportüberschuss und die Kosten eines solidarischen Gesundheitswesens. Und wenn Sie sich durch diesen Seminarplan durchdiskutiert haben, können Sie hier gleich weitermachen: „These are the books you should read, according to professors from Princeton, Harvard and Yale“, erschienen beim World Economic Forum
  
 
 
Wanka gibt Gas
Uns ist selbstverständlich an hochseriöser Berichterstattung über die Wissenschaftspolitik dieses Landes gelegen. Aber so ein bisschen Gossip darf schon sein. Wussten Sie zum Beispiel, dass Johanna Wanka die einzige Bundesministerin im Kabinett ist, die Ihren Dienstwagen (einen BMW 730Ld xDrive) selbst fährt? Nachzulesen in der Welt. Übrigens: Auch Martina Brockmeier, Vorsitzende des Wissenschaftsrates, mag schnelle Autos. (ZEIT)
  
   
 
 
   
 
   
   
 
Personen
 
 
   
   
Harvard: Revolving Doors
In Harvard sammeln sich nun führende Vertreter der Regierung Obama – nach dem früheren Verteidigungsminister Ash Carter kehrt nun auch die vormalige Uno-Botschafterin Samantha Power an ihre alte Universität zurück: Power wird als »Anna Lindh Professor of the Practice of Global Leadership and Public Policy« an der Harvard Kennedy School unterrichten und gleichzeitig an der Harvard Law School, an der sie 1999 selbst Examen machte, als »Professor of Practice« lehren. Praxisrelevanz garantiert.

Job: Leitung Stabi Hamburg
Praktischerweise ist die Staatsbibliothek der Uni Hamburg nur 11,5 Fahrradminuten von unserer Redaktion entfernt, und so verkriechen wir uns dort gelegentlich, wenn ein Artikel recherchiert oder geschrieben werden muss. Ist schön da! (Nur die Steckdosen könnten mal aufgerüstet werden.) Die Bibliothekarin und Juristin Gabriele Beger leitet die Stabi HH seit 2005; jetzt wird eine Nachfolgerin (m/w) gesucht. Ausschreibung: siehe ZEIT-Stellenmarkt!
   
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Prof. Dr. Stefan Leible

Präsident der Universität Bayreuth 
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Kant ist zeitgemäß. Ich finde, jeder sollte – gerade im postfaktischen Zeitalter – den Mut haben, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. Dieser Satz ist aktueller denn je. Es gibt viel zu viele Menschen, die sich nur in der eigenen Filterblase nach Selbstbestätigung umschauen. Die Algorithmisierung des Denkens steuert leider das ihre dazu bei. Und es gibt viel zu viele, die glauben, was am lautesten geschrien wird, sei auch „das Wahre“ . Hinterfragen, kritisch sein – wie ein Wissenschaftler eben –, so sollte man durchs Leben gehen.

Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Public Understanding of Science. Wenn alternative Fakten die Diskussion beherrschen und Grundlagenforschung zunehmend in Frage gestellt wird, ist es unsere Aufgabe als Wissenschaftler, verstärkt den Dialog mit der Öffentlichkeit zu suchen. Wir müssen ihr den Nutzen von Wissenschaft (und insbesondere auch der Grundlagenforschung) verdeutlichen und wissenschaftliche Erkenntnisse verständlich transportieren. Das kostet kein Geld, wohl aber persönlichen Einsatz. Aber dieser Einsatz lohnt sich, auch wenn er sich nicht im h-Index niederschlägt.

Lektüre muss sein. Welche?
Zeitungslektüre, täglich, in hohen Dosen! Ob elektronisch oder gedruckt, das ist egal. Ich will mich durch gut ausgebildete Journalisten informieren lassen, die sich einem Berufsethos verpflichtet fühlen. Wie soll ich sonst die Welt erfassen?

Und sonst so?
Wunderbar! Der Frühling kommt, das Sommersemester beginnt, dann sind unsere Studierenden wieder hier: Sie werden immer internationaler, vielfältiger, vernetzter – spannende Zeiten, die ich da miterleben darf. 
   
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
   
   
 
Gastkommentar
 
 
   
   
von Anne Lequy und Peter-Georg Albrecht
   
   
Deutsche Hochschulen auf dem Weg zu Transferhochschulen?
Derzeit wird in der deutschen Hochschullandschaft viel mit dem Etikett „Innovative Hochschule“ jongliert. Das politische Ziel dahinter ist, dass Hochschulen die Entwicklung der Regionen, in denen sie verortet sind, vorantreiben. Wie aber kann das gelingen? Wir glauben, die deutschen Hochschulen müssen in einen stärkeren Prozess der Selbstreflexion eintreten, um ihre eigene Rolle zu stärken und in ihren Regionen zivilgesellschaftliche Verantwortung übernehmen zu können.
Damit dies gelingt, sollten wir zunächst weniger auf die Ergebnisse, sondern eher auf die Ausgangspunkte und Grundsätze des Transfers unseres Wissens legen. Wichtig sind außerdem weniger die – strukturellen und prozessualen – Kooperationsquantitäten, als vielmehr, dass wir die Kooperationsqualitäten im Blick zu haben. Was heißt das genau?
1. Augenhöhe. Zu einem guten Transfer gehört für die Hochschulen und ihre Wissenschaftler*innen, zu geben und zu nehmen, nach vorn zu schauen sowie Spitzenleistungen zu wollen und alle zu beteiligen.
2. Kontakt. Hochschulen und ihre Wissenschaftler*innen sollten ihre Partner*innen proaktiv ansprechen, indem sie auf sie zugehen. Und sie pflegen ihre Partnerschaften aktiv.
3. Vernetzung. Das größte Zukunftspotenzial liegt im Ineinandergreifen von Theorie und Praxis aus Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft.
Wir glauben, dass sich Hochschulen selbstbewusst und selbstreflektiert zu Transferhochschulen weiterentwickeln müssen, um mit externen Partner*innen zukünftig auch intern gut zusammenzuarbeiten, sich gegenseitig interdisziplinär zu unterstützen, sich wirklich an Entwicklung zu orientieren und auf Qualität zu achten.
Dann, und nur dann, werden deutsche Hochschulen zu regional verantwortlichen innovativen Hochschulen.

Prof. Dr. Anne Lequy ist Rektorin der Hochschule Magdeburg-Stendal; Dr. Peter-Georg Albrecht arbeitet an dieser Hochschule zu organisationssoziologischen Fragen. Die Hochschule ist Gründungsmitglied der Hochschulallianz für den Mittelstand (HAfM). 
   
   
 
 
   
 
   
   
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Wer hat sich jetzt verrechnet? Mit mehr Bezug zum Alltag sollte Mathe sein mieses Image verlieren. Nun fehlt vielen Schülern das Grundwissen

Redet mit ihnen! Wie wichtig Eltern und Lehrer für die Zufriedenheit von Schülern sind »Mathematik ist ein Spiel« Der Dichter Hans Magnus Enzensberger und der Mathematiker Albrecht Beutelspacher sprechen über Zahlenteufel, das beste Mathebuch der Welt und schlechte Lehrer Braucht man sie auch alle? In Mint-Fächern sind mehr als eine Million Studenten eingeschrieben Was man lesen muss Um die Welt um uns herum zu verstehen, braucht es die richtigen Texte. Zum Semesterstart empfehlen Wissenschaftler ihre Lektüreliste zu aktuellen Fragen

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
   
   
 
c.t.
 
 
   
 
 
 
 
 
 
 
 
 
   
Eine schöne Woche wünscht Ihnen

Ihr CHANCEN-Team


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