| »Die Kriminellen von heute sind oft die Helden von morgen« Zahlreiche Gruppen planen vor dem G20-Gipfel Protestaktionen. Wir haben Emily Laquer von der Interventionistischen Linken gefragt, wieso dabei nicht klar zur Gewaltfreiheit aufgerufen wird. Laquer ist Mitorganisatorin der Massenblockaden BlockG20 und der Großdemonstration »Grenzenlose Solidarität statt G20«. Elbvertiefung: Auf der Website der Gipfelgegner ist zu lesen: »Bringt eure Ideen und Fragen ein, dann werden die Bilder, die im Juli um die Welt gehen, ganz anders sein, als sich die Gipfelstrategen dies wünschen.« Was wünschen Sie sich für Bilder? Emily Laquer: Das Gipfeltreffen ist ja vor allem ein PR-Fototermin. Die Gipfelstrategen wollen zeigen, dass sie die Welt völlig im Griff haben. Die Wahrheit ist: Ihre Politik verursacht doch ständig soziale und ökologische Katastrophen. Ich möchte die Opposition auf der Straße organisieren, um stattdessen die Bilder unserer Einigkeit und Vielfältigkeit um die Welt zu schicken. Unser gemeinsamer Ausdruck ist bunt, und auch schwarz – also die Autonomen – ist ein Teil von bunt. EV: Sie protestieren unter anderem gegen Krieg und Gewalt. Trotzdem vermisst man bei Ihren Aufrufen das Bekenntnis zur Gewaltfreiheit. Laquer: Wir planen Massenblockaden und eine Großdemonstration, deshalb muss ich die Aktionen anderer nicht kommentieren. Ob das jetzt sinnvoll war, Autos anzuzünden, sei dahingestellt. Meine Aktionsform ist es jedenfalls nicht. Es gibt aber auch eine Verdrehung des Gewaltbegriffs. Ein abgebranntes Auto ist immer noch Sachbeschädigung. Ich wünschte, es gäbe eine solche emotionale Reaktion auf brennende Flüchtlingsheime. EV: ... die wir in Hamburg glücklicherweise nicht haben. Laquer: Doch, ein Hamburger Finanzbeamter hat 2015 in Escheburg einen Brandanschlag verübt, und auch in Hamburg wurden Unterschriften gegen Flüchtlinge gesammelt, und in Blankenese ging man gegen den Bau einer Unterkunft vor. EV: Was spricht dagegen zu sagen: Wir machen es anders, ganz eindeutig friedlich? Laquer: Die Gewaltfrage muss man auch immer im historischen Kontext sehen. Die Suffragetten haben Anschläge verübt! Heute sind wir stolz darauf, dass es mutige Frauen gab, die das Wahlrecht für uns erkämpft haben. Die Kriminellen von heute sind oft die Helden von morgen. Es gab immer wieder radikale Träumer, die gesagt haben: So kann es nicht weitergehen. Ich habe als Aktivistin oft das Gefühl, ich muss Mutter Teresa sein und frei von Sünde. Wenn ich anfangen würde, aufzuzählen, wer alles nicht dazugehört, würde ich am Ende mit sehr wenigen dastehen, die alles genauso sehen wie ich. EV: Und was ist mit denjenigen, die sich für »ganz normale« Hamburger halten, gegenüber dem Treffen der G20 auch kritisch sind, aber nicht auf die Straße gehen, weil sie Angst haben, wenn Gewalt ausbricht Wasser aus dem Wasserwerfer abzubekommen oder zusammen mit dem schwarzen Block eingekesselt zu werden? Laquer: Die Angst vor dem massiven Polizeieinsatz und der Aushebung demokratischer Rechte kann ich verstehen, die habe ich ja auch. Noch mehr Angst habe ich aber vor einer Welt, in der sich aus Angst vor der Polizei niemand mehr auf die Straße traut. Das ganze Interview mit Emily Laquer gibt es hier bei ZEIT ONLINE. Dass zwar alle Linken gegen G20 sind, sich aber dennoch in ihren Ansichten und Strategien unterscheiden, haben die ZEIT:Hamburg-Kollegen Frank Drieschner und Christoph Twickel beim gemeinsamen Interview festgestellt. Neben Emily Laquer saßen Thomas Eberhardt-Köster von Attac und Christoph Bautz von Campact mit am Tisch. Nur die Autonomen wollten nicht. Genug Konfliktstoff gab es trotzdem: Während die einen G20 stürzen wollen, finden es die anderen wichtig, dass die Staatenlenker miteinander reden – und gehen dennoch auf die Straße. Warum sich die extreme Linke nicht als Minderheit sieht, wann ziviler Ungehorsam legitim ist und was man sonst noch vorhat, darum geht es in dem sehr lesenswerten Gespräch in der aktuellen Ausgabe der ZEIT:Hamburg. (Heute am Kiosk oder hier digital.)
EuGH-Urteil: Hamburg schludert beim Kraftwerk Moorburg Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Flussneunauge, schwömmen in bester Laichlaune den Elbstrom hinauf, verpassten aber bei Geesthacht die Fischaufstiegstreppe. In Moorburg dann erfasste Sie plötzlich heftiger Sog, Sie würden samt Elbwasser ins Wasserkühlsystem des Kohlekraftwerks hineingeschlürft und – zack und tschüss – zu Fischfrikassee verhackstückt. Nicht schön? Nicht schön, findet auch der Europäische Gerichtshof. In seinem Urteil zur Causa Moorburg stellte er am Mittwoch fest: Hamburg hat bei der Baugenehmigung für das Kraftwerk nicht genug die Umwelt geachtet. Nun steht eine neue Verträglichkeitsprüfung an, vermutet Umweltsenator Jens Kerstan. Hat Hamburg nun dem deutschen Staat eine Geldstrafe eingebrockt? Ob und wenn ja, wie hoch sie ist, das ist laut Bundesumweltministerium noch unklar. Klar ist dagegen die Ansage an den Hamburger Senat: »Das Urteil zeigt einmal mehr, dass sich Schludereien bei der naturschutzrechtlichen Prüfung von Großprojekten nicht ansatzweise auszahlen.« Jens Kerstans Behörde kündigte eilig Maßnahmen an: »Das Kraftwerk kann in der Folge zunächst nur mit dem Kühlturm weiterbetrieben werden.« Für den Kraftwerkbetreiber Vattenfall eine kostspielige Lösung; wie Sprecherin Kristina Hillmer erläutert, braucht der Kühlturm – im Gegensatz zur Durchlaufkühlung mit Elbwasser – selbst Strom. Der BUND Hamburg dagegen feiert den Richterspruch. »Wir erhoffen uns natürlich Rückenwind für unsere Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht«, sagt Sprecher Paul Schmid. In diesem Prozess gegen Konzern und Stadt will der Verband erwirken, dass der Kühlturm dauerhaft betrieben und das Elbwasser samt Einwohnerschaft künftig in Ruhe gelassen wird. |
|
|