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Lieber Dr. acad. Sommer, meine Professur läuft in einem Jahr aus – aber ich habe noch viel zu viele Ideen, um jetzt schon in den Ruhestand zu gehen. Jetzt bietet sich für mich gerade die Möglichkeit, noch ein Drei-Jahres-Projekt an Land zu ziehen. Wie gehe ich taktisch geschickt vor, dass mich die Uni noch eine Weile duldet?
Aha – ein Überzeugungstäter! Schön zu sehen, dass Sie sich Ihre Freude am Forschen bewahrt haben. Trotzdem ein kleiner Dämpfer vorab: Gut möglich, dass die Uni Ihnen kein OK für Ihr Vorhaben gibt. Das ist dann allerdings keine persönliche Entscheidung gegen Sie – sondern eine Entscheidung für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Denn Ihr Fachbereich muss sich ziemlich verbiegen, um Ihnen dieses Projekt noch zu ermöglichen: Sie brauchen ja schließlich weiterhin ein Büro, ein Drittmittelkonto und einen Arbeitsplatz für Ihren womöglich letzten Doktoranden; außerdem müssen Sie aus formalen Gründen wahrscheinlich auch Ihre Professur noch behalten. All diese Ressourcen sollten eigentlich schon nächstes Jahr auf den Nachwuchs übergehen, den Sie ja selbst ausgebildet haben und der nun nachrücken möchte. Sie stehen also gerade vor einem radikalen Rollenwechsel: Nach einer langen, erfolgreichen Forscherkarriere müssen Sie jetzt plötzlich hoffen, dass man Ihnen nicht den Stuhl unterm Hintern wegzieht. Zugegeben: ganz schön grausam für einen Silberrücken. Da hilft nur Souveränität und Offenheit. Sie sollten die Rolle des Bittstellers ruhig annehmen, damit sich eine Kompromisslösung finden lässt. Sie haben wahrscheinlich selbst schon ein paar Kniffe im Kopf: Von „Drittmittelkonto ja, Büro nein“ bis hin zu „Kollegin XY beantragt die Gelder, ich spiele hier nur den Projektleiter“. In jedem Fall sollten Sie alle weiteren Schritte mit der Hochschule gemeinsam gehen – keinesfalls gegen sie oder an Ihren direkten Kollegen vorbei. Fachbereichsverwaltungen reagieren meist sehr allergisch auf Bemerkungen wie „Alles kein Problem, ich habe das schon mit meinem Kollegen abgesprochen“. Sonst endet Ihre Laufbahn womöglich in Zank und Streit, und so einen Abschied haben Sie nicht verdient. Vermeiden Sie am besten auch Feigenblätter à la: „Dieses Projekt wäre für die Uni strategisch besonders wichtig."“ Ein ehrliches „Ich hätte große Freude an diesem letzten Projekt“ bringt Sie hier deutlich weiter – und dann haben Sie sich auch volle Punktzahl fürs Fair-Play verdient.
Dr. Uli Rockenbauch ist Persönlicher Referent der Geschäftsführerin der Helmholtz-Gemeinschaft und berät die Scientific Community im ZEIT CHANCEN Brief als "Dr. acad. Sommer". | |
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