Asyl für die CEU? | Professorinnenprogramm verlängert | 3½ Fragen an Hartmut Löwen | Dr. acad. Sommer: Das letzte Projekt

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
wer mit Leib und Seele forscht, ein Leben lang, für den ist der Ruhestand keine Option. Aber wie verklickert man seiner Hochschule, dass man die eigene Professur nicht räumen will? Und was bedeutet das Festhalten an der Arbeit eigentlich für den Nachwuchs? Dr. acad. Sommer weiß Rat. Und der Düsseldorfer Physiker Hartmut Löwen erklärt Ihnen ein Naturgesetz. 
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Studieren im Viererpack
Neue Woche, neues Semester. Erstmal was Herzerwärmendes. Und zwar dieser Artikel aus der New York Times über Vierlinge, die sich gleichzeitig an unterschiedlichen Universitäten des Landes beworben haben. Yale und Harvard haben schon zugesagt, wie auch eine Reihe anderer Unis. Wir empfehlen insbesondere die Lektüre der gemeinsam komponierten Bewerbungsessays!
  
 
 
Ein Geschwisterchen für die DFG?
Am 14. Mai ist Landtagswahl in NRW. Dazu melden sich jetzt die Fachhochschulen des Landes zu Wort, genauer: die FH-Landesrektorenkonferenz. In einem Positionspapier mahnen sie eine auskömmliche Grundfinanzierung an: „Es muss Schluss sein mit der Töpfchenwirtschaft immer neuer zeitlich begrenzter Programme und Projekte“, sagte Marcus Baumann, Rektor der FH Aachen. Die NRW-FHs äußern den Wunsch nach einer „systematischen Förderung anwendungsorientierter Forschung und des Transfers in Deutschland“ – konkret: es bedürfe der Gründung einer „Deutschen Transfergemeinschaft“. Eine DTG, als praxisorientierter Zwilling der DFG. Warum eigentlich nicht?
  
 
 
Nächste Runde für das Professorinnenprogramm
Neulich hatte Johanna Wanka im Gespräch mit der ZEIT schon angekündigt, dass sie das Professorinnenprogramm gerne fortsetzen würde. Gesagt, getan: die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK) hat am Freitag in großer Einigkeit für die Verlängerung des Programms votiert. 
  
 
 
Zukunft der CEU in Berlin?
Die Central European University (CEU) in Budapest verliert ihre Existenzgrundlage (ZEIT; Tagesspiegel; FAZ). Viele Länder reagieren mit Solidarität – und Übernahme- bzw. Asylangeboten. So Prag, Vilnius, Wien – und Berlin. FU-Präsident Peter-André Alt will darüber heute mit CEU-Präsident Michael Ignatieff beraten; dem Tagesspiegel sagte er: „Wir wollen ausloten, welche bestmögliche Unterstützung wir der Universität geben können“. Die FU biete sich mit ihrer freiheitlichen Tradition an, so Alt; unterkommen könnte die CEU etwa im leerstehende Gebäude des ehemaligen Bundesgesundheitsamts Unter den Eichen. Sebastian Turner, Herausgeber des Tagesspiegels, kommentierte ebendort: Wenn der Druck auf die Wissenschaft in Ungarn weiter steige, dann sei "die Stunde Berlins" gekommen: "Dann muss die Heimatstadt der Freien Universität der ungarischen Hochschule Asyl gewähren. (...)  Der Regierende Wissenschaftssenator hat die Befugnisse, das Budget und die Bauten, um den aufständigen Ungarn die Freiheit im Exil zu ermöglichen. Und Berlins Universitäten, Professoren und Studenten haben allen Grund zur Solidarität."
  
 
 
Scheinwissenschaft
„Campusköpfe“ heißt eine Artikelserie der Ruhr-Universität Bochum, in der Mitglieder der Uni, von der Professorin bis zum Organisten, vorgestellt werden. Schöne Sache. Kritik gab es jetzt allerdings am jüngsten Beitrag: einem Gespräch mit einer Sekretärin, deren Hobby die Astrologie ist. Die Uni biete der Scheinwissenschaft ein Forum und lasse kritische Distanz vermissen, schrieb der Astronom Florian Freistetter auf ScienceBlogs; auch auf Twitter gab es Kritik. Die Universität reagierte mit einer Stellungnahme, die inzwischen in das Interview eingefügt wurde: man wolle „die Scheinwissenschaft der Astrologie auf keinen Fall als Wissenschaft legitimieren“ und habe mit der „Schärfe der Rückmeldungen“ nicht gerechnet.
  
 
 
 
   
 
 
   
 
   
   
 
Die Zahl
 
 
   
40

Durchschnittsalter der Heisenberg-Professorinnen und -Professoren zum Zeitpunkt der Bewilligung des Antrags.
 
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Prof. Dr. Hartmut Löwen

Professor am Institut für Theoretische Physik der Universität Düsseldorf
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
In der Schule lernt man das dritte Gesetz von Newton: Actio ist gleich reactio, bzw.: Die Kraft ist der Gegenkraft gleich. Dies gilt für die mikroskopischen fundamentalen Naturgesetze. In einer internationalen Zusammenarbeit wiesen wir im Experiment und in theoretischen Modellrechnungen nach, dass dieses grundlegende Gesetz im Nichtgleichgewicht für mikrometergroße Teilchen verletzt werden kann. In dem Fall passiert völlig Unerwartetes: Systeme heizen sich automatisch auf, oder Teilchen werden aktiv und riesige Armeen von Partikeln schwärmen spontan aus: neue Naturgesetze führen zu neuen Phänomenen.

Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Unsere Gesellschaft braucht eine neue, non-profit-orientierte Grundbegeisterung für die Naturwissenschaften. Das fängt im Schulunterricht an und setzt sich dann an der Hochschule in Vorlesungen fort. Echte Begeisterung und starke Motivation kann man nicht mit Geld kaufen, sie muss authentisch sein. Und: Begeisterung ist eine Grundvoraussetzung für wissenschaftliche Kreativität, wir brauchen unkonventionelle Ideen in der physikalischen Grundlagenforschung.

Lektüre muss sein. Welche?
Jeden Morgen gehe ich systematisch Dutzende von wissenschaftlichen Arbeiten durch, die in meinem Forschungsgebiet, der kondensierten Materie, am Vortrag auf dem Preprint-Server cond-mat arXiv.org gelegt wurden. Das ist nötig, weil das Forschungstempo in meinem Bereich der aktiven weichen Materie enorm ist und man über neue Entwicklungen rechtzeitig informiert sein muss. Ausserdem lese ich regelmäßig die Bibel.

Und sonst so?
Hochwertige Forschung braucht Freiräume. Jede zusätzliche Regel, und mag sie noch so gut gemeint sein, ist eine zusätzliche Nebenbedingung, welche das Optimum an Output reduziert. 
   
   
 
 
   
 
 
   
 
   
   
 
Dr. acad. Sommer
 
 
   
   
Lieber Dr. acad. Sommer,
meine Professur läuft in einem Jahr aus – aber ich habe noch viel zu viele Ideen, um jetzt schon in den Ruhestand zu gehen. Jetzt bietet sich für mich gerade die Möglichkeit, noch ein Drei-Jahres-Projekt an Land zu ziehen. Wie gehe ich taktisch geschickt vor, dass mich die Uni noch eine Weile duldet?


Aha – ein Überzeugungstäter! Schön zu sehen, dass Sie sich Ihre Freude am Forschen bewahrt haben.
Trotzdem ein kleiner Dämpfer vorab: Gut möglich, dass die Uni Ihnen kein OK für Ihr Vorhaben gibt. Das ist dann allerdings keine persönliche Entscheidung gegen Sie – sondern eine Entscheidung für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Denn Ihr Fachbereich muss sich ziemlich verbiegen, um Ihnen dieses Projekt noch zu ermöglichen: Sie brauchen ja schließlich weiterhin ein Büro, ein Drittmittelkonto und einen Arbeitsplatz für Ihren womöglich letzten Doktoranden; außerdem müssen Sie aus formalen Gründen wahrscheinlich auch Ihre Professur noch behalten. All diese Ressourcen sollten eigentlich schon nächstes Jahr auf den Nachwuchs übergehen, den Sie ja selbst ausgebildet haben und der nun nachrücken möchte.
Sie stehen also gerade vor einem radikalen Rollenwechsel: Nach einer langen, erfolgreichen Forscherkarriere müssen Sie jetzt plötzlich hoffen, dass man Ihnen nicht den Stuhl unterm Hintern wegzieht. Zugegeben: ganz schön grausam für einen Silberrücken.
Da hilft nur Souveränität und Offenheit. Sie sollten die Rolle des Bittstellers ruhig annehmen, damit sich eine Kompromisslösung finden lässt. Sie haben wahrscheinlich selbst schon ein paar Kniffe im Kopf: Von „Drittmittelkonto ja, Büro nein“ bis hin zu „Kollegin XY beantragt die Gelder, ich spiele hier nur den Projektleiter“. In jedem Fall sollten Sie alle weiteren Schritte mit der Hochschule gemeinsam gehen – keinesfalls gegen sie oder an Ihren direkten Kollegen vorbei. Fachbereichsverwaltungen reagieren meist sehr allergisch auf Bemerkungen wie „Alles kein Problem, ich habe das schon mit meinem Kollegen abgesprochen“. Sonst endet Ihre Laufbahn womöglich in Zank und Streit, und so einen Abschied haben Sie nicht verdient. Vermeiden Sie am besten auch Feigenblätter à la: „Dieses Projekt wäre für die Uni strategisch besonders wichtig."“ Ein ehrliches „Ich hätte große Freude an diesem letzten Projekt“ bringt Sie hier deutlich weiter – und dann haben Sie sich auch volle Punktzahl fürs Fair-Play verdient.

Dr. Uli Rockenbauch ist Persönlicher Referent der Geschäftsführerin der Helmholtz-Gemeinschaft und berät die Scientific Community im ZEIT CHANCEN Brief als "Dr. acad. Sommer".
   
   
Auch eine Frage an Dr. acad. Sommer? Schreiben Sie an chancen-brief@zeit.de, twittern Sie unter #ChancenBrief – oder hinterlassen Sie uns in diesem Kontaktformular anonym Ihre Frage!
   
 
 
   
 
   
   
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
   
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Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
 
   
 
   
   
 
c.t.
 
 
   
 
Mama, hilf!

Quelle: Twitter / Saskia Sell, @_scs
 
 
 
 
 
 
 
 
 
   
Eine Woche voller studentischer Glanzleistungen wünscht Ihnen

Ihr CHANCEN-Team

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