Studieren ohne Abitur | Wissenschaft, militärisch | Gastkommentar Marcel Knöchelmann: Replik zu Plan S | Sanierungsstau

 
Wenn dieser Newsletter nicht richtig angezeigt wird, klicken Sie bitte hier.
 
   
 
Liebe Leserinnen und Leser,
die Alliteration gehört nicht zu den subtilsten aller rhetorischen Stilmittel. Subtil aber wollen die Gewerkschaften auch nicht sein und nennen ihre Kampagne daher: „Frist ist Frust“. Am morgigen Freitag, 13 Uhr, rufen GEW, Verdi & Co zu einem Protest vor dem BMBF auf, wo die Staatssekretäre der Länder über den Hochschulpakt beraten. „Der Termin eignet sich auch für Fotojournalisten“, heißt es in der Pressemitteilung, es werden also wohl Plakate erwartet. – Wer sich in die Ziselierungen der Open Access-Transformation begeben möchte, lese den Gastkommentar: Marcel Knöchelmann (University College London) schreibt eine Replik auf den Plan S-Kommentar von Dieter Meschede, Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (Ausgabe vom 21.03.). Und in der Fußnote sitzt eine eingesperrte Redakteurin.
   
 
 
 
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Wissenschaft, militärisch
Dieser Tage wird diskutiert, ob die Bundeswehr etwas im Klassenzimmer zu suchen hat (ZEIT 7/2019; Rheinische Post). Naheliegende Frage: Wie funktioniert eigentlich Wissenschaft an den Universitäten der Bundeswehr? Merith Niehuss leitetet letztere in München – im Interview mit der neuen Forschung & Lehre spricht sie über Quotenfrauen, Dual Career und die Konkurrenz von Exzellenz-Universitäten. Lesenswert!
  
 
 
Immer mehr Studierende ohne Abitur 
Sie sind an den Hochschulen eine kleine Gruppe, die gleichwohl immer mehr werden: Studierende ohne (Fach-)Hochschulreife. Inzwischen, so meldet das CHE, sind 60.000 Personen für einen Studiengang immatrikuliert, die sich aufgrund ihrer vorherigen Berufserfahrung qualifiziert haben. Zwischen 2007 und 2017 hat sich diese Zahl vervierfacht. Am meisten Studierende ohne Abitur oder Fachhochschulreife gibt es in Hamburg, Bremen und NRW (denn hier steht die Fernuni Hagen). Der Großteil wählt einen Studiengang aus den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften; 800 (von insgesamt 109.000) studieren Medizin. (SpOn)
  
 
 
Türkei: No Party to this Crime
Drei Jahre ist es her, dass türkische Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mit ihrer Petition „We will not be a party to this crime“ gegen ihre Regierung protestiert haben. Zahlreiche Entlassungen und Verhaftungen folgten. Die Lage ist weiterhin dramatisch; aktuell droht der Istanbuler Politikwissenschaftlerin Füsun Üstel der Vollzug einer fünzehnmonatigen Haftstrafe. Die HRK äußerte ihren Protest, ebenso die französische und europäische Rektorenkonferenz. Über den Stand der Wissenschaftsfreiheit wurde vor kurzem auch beim ZEIT Forum Wissenschaft diskutiert; die Sendung kann man hier beim Deutschlandfunk nachhören.
  
   
   
   
Anzeige
 
   
   
   
 
 
   
 
 
 
 
Personen
 
 
   
  
Junge Akademie
Die Junge Akademie hat ein neues Präsidium gewählt; dazu gehören: Ulrike Endesfelder (MPI  terrestrische Mikrobiologie), Lukas Haffert (Uni Zürich), Christian Hof (TU München), Ricarda Winkelmann (PIK) und Philipp Kanske (TU Dresden) – letzterer wird auch als neuer Sprecher fungieren. Die Junge Akadmie wurde im Jahr 2000 als weltweit erste Akademie für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gegründet.
 
Dipl.-Ing. Kefer
Der deutsche „Dipl.-Ing“ ist immer noch eine Marke mit hohem Wert – und der Verein Deutscher Ingenieure hat 140.000 von ihnen als Mitglieder. Deren neuer Präsident Volker Kefer suchte auf der Hannover Messe jetzt erstmals die größere Öffentlichkeit. Die FAZ hat ihn portraitiert.
 
Uni Mainz
An der Universität Mainz bleibt alles beim Alten – der Präsident Georg Krausch, der die Uni seit 2007 leitet, geht mit diesem Monat in seine dritte Amtszeit.
 
#Wisskomm I: Communicator-Preis
Wer nicht recht weiß, wie gelungene Wissenschaftskommunikation geht, kann sich einges bei all jenen abgucken, die von DFG und Stifterverband jährlich mit dem Communicator-Preis geehrt werden. In diesem Jahr geht die mit 50.000 Euro dotierte Auszeichnung an die Informatikerin Katharina Zweig (TU Kaiserslautern), die etwa die Plattform Algorithm Watch gegründet hat.
 
#Wisskomm II: Arches-Preis
Die Bildungsforscherin Nina Kolleck (FU Berlin; siehe auch ZEIT 40/2018) wurde gemeinsam mit Miri Yemini (Tel Aviv University) für mit dem Arches-Preis ausgezeichnet, mit dem das BMBF die deutsch-israelische Zusammenarbeit in Wissenschaft und Forschung würdigt. Die beiden Forscherinnen haben in einem Projekt untersucht, wie sich Schulen, NGOs und Stiftungen wechselseitig beeinflussen.
 
Job: Josef K.
Der Verein Uni-Assist ist so etwas wie ein Nadelöhr, durch das alle ausländischen Studierenden hindurch müssen, denn hier werden ihre Bewerbungsunterlagen vorgeprüft, bevor sie an die Unis weitergeleitet werden. Klingt gut – allerdings kann es Uni-Assist in Sachen Bürokratie mit einem Kafka-Roman aufnehmen. Gesucht wird jetzt im ZEIT Stellenmarkt eine neue Geschäftsführung zur Leitung der Berliner Geschäftsstelle. Wer gut mit Akten, Paragrafen und Datenbanken kann, sollte sich bewerben.
  
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
   
   
Anzeige
 
   
   
   
 
 
   
 
 
   
 
 
 
 
Gastkommentar
 
 
   
von Marcel Knöchelmann
   
 
   
Plan S, falsch gedacht – eine Replik
Im ZEIT CHANCEN Brief vom 21. März 2019 kommentierte Dieter Meschede, Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, die progressive Open Access-Initiative Plan S. Dabei ist gerade seine Forderung, diese Initiative vom „Ende her zu denken“, tief verwurzelt im konservativen Dünkel einer etablierten Klasse. Der Entwicklung hin zu frei zugänglichen Wissenschaftspublikationen – von Herrn Meschede selbst grundsätzlich gutgeheißen – wird hier mit Annahmen begegnet, die falsch sind und zugleich den überfälligen Wandel verhindern.
Falschannahme 1: „Autoren zahlen eine Gebühr“
Dass Autorinnen eine Gebühr bezahlen, um Open Access publizieren zu können, ist grundsätzlich falsch. Open Access bedeutet, dass Artikel online frei zugänglich – sowohl lesbar wie auch wiederverwertbar – sind. Modelle reichen hier von kollaborativer Finanzierung der gesamten Fachzeitschrift bis hin zu Publikationsstrukturen, die von Bibliotheken, Instituten oder Wissenschaftlerinnen selbst getragen werden. Publikationsgebührenfinanziertes Open Access ist nur ein Modell, wobei die überteuerten Preise vieler sogenannter High Impact-Journals keine Norm sind.
Falschannahme 2: „Die hektische Umstellung auf Open Access nach Plan S bedroht etablierte und qualitätssichernde Publikations-Strukturen ohne Not und stellt sie in Frage“
Hektisch wirkt diese Umstellung nur, weil sich das Publikationssystem in weiten Teilen auf seinen etablierten Strukturen ausgeruht hat; dies einerseits, weil Verlage damit hohe Gewinne erwirtschaften, und andererseits, weil Wissenschaftlerinnen durch ihr Verhalten gegebene Mechanismen verstetigen. Die „Publikationsstrukturen“ halten kaum als die qualitätssichernde Instanz her, als die sie angepriesen werden. Viel mehr wird Peer Review als ein maßgeblicher Filter zur Aufrechterhaltung des High Impact-Geltungsbewusstseins eingesetzt. Die disziplinär etablierten Qualitätskriterien werden genau dort auf die aktuelle Forschung angewandt, wo sie akzeptiert werden: bei Wissenschaftlerinnen selbst.
Falschannahme 3: „Diese Journale haben jedoch großen Einfluss auf die Karrierewege.“
Wie begutachtet man die wissenschaftliche Arbeit insbesondere jüngerer Wissenschaftlerinnen? Wer sich hierfür auf Publikationsmarken oder deren Metriken wie den Journal Impact Factor stützt, lagerte sein eigenes Urteil aus an jene (oft unbekannte), die darüber geurteilt haben, ob die wissenschaftliche Arbeit (aufgrund zum Teil  unbekannter Kriterien) würdig war, unter jener Marke publiziert zu werden – ein hervorragendes Beispiel für die Reifikation tradierter Geltungsmechanismen und falschen Ehrfurchtsglaubens. Nur: wer getraute sich denn auf den radikalen Weg zu den Grenzen der Ozeane hinaus, wenn die Etablierten immerzu warnend behaupteten, die Welt sei eine Scheibe?
 
Marcel Knöchelmann ist Doktorand am University College London und forscht zu Wissenschaftssoziologie und Publikationsverhalten in den Geisteswissenschaften. Er ist Gründungsmitglied des Netzwerks für Wissenschaftspolitik in der SPD
   
 
   
 
 
   
 
 
 
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Die beste Zeit, ein Mann zu sein Die Männlichkeit sei in der Krise, heißt es. Dabei gab es nie mehr Freiheit, sich neu zu erfinden – nicht nur als Vater. Ein Essay von Rudi Novotny
 
„Selbstkritik gilt als Schwäche“
Die Ex-Familienministerin Christine Bergmann über Männer in der Politik Arbeiten im Öffentlichen Dienst Die machen den Staat Ein Stempel für die Liebe Wer entscheidet, ob eine Ehe echt ist? Für die Mitarbeiter der Ausländerbehörde ist dieser Job ein Grenzgang In neuer Mission Wirken Hochschulen gut in die Gesellschaft hinein?


Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
 
 
 
Fußnote
 
 
   
 
   
Ich bin eingesperrt. In meinem Büro. Zum Glück hat es eine Tür. Mein Blick aber, der sonst auf einen freien Himmel und eine glitzernde Elbphilharmonie fällt, ist seit vorgestern ganz trüb geworden. Vor dem Fenster ein Gerüst und eine Plane. Sanierung des ZEIT-Pressehauses. Muss wohl. Das gilt übrigens auch für die Hochschulen des Landes. Der Sanierungsstau vieler Labore und Hörsäle, sagte mir neulich ein Bau-Experte, sei wahnwitzig groß. „Man könnte fast jeder Uni eine Milliarde geben.“ Vieles aber verfalle so vor sich hin. Manches werde einfach neu gebaut. Vor meinem Fenster tropft grauer Bauschlamm herunter. „Sieht ja traurig aus“, sagt mein Kollege. Hoffentlich ist bald Frühling. Dann kann ich raus auf unsere Dachterrasse.
Anna-Lena Scholz
   
 
   
 
 
   
Saniert euch!

Ihr CHANCEN-Team


PS: Gefällt Ihnen der CHANCEN Brief, dann leiten Sie ihn gern weiter. Haben Sie ihn weitergeleitet bekommen, melden Sie sich ganz einfach und unverbindlich an – unter www.zeit.de/chancen-brief. Dann schicken wir Ihnen den Newsletter, solange Sie wollen, immer montags und donnerstags zu.
 
 
 
 
   
Anzeige
Jobs im ZEIT Stellenmarkt
Jetzt Branche auswählen und Suche starten: