EUA-Sonderrunde zu KI l Anja Karliczek auf Tauchgang im Sturm | 7 Stunden Lehre | Dr. acad. Sommer über den Liebling der Chefin

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
heute schauen wir nach Paris, wo Europas Hochschulrektoren zur EUA-Jahresversammlung zusammenkommen. Immer einsamer wird es um Anja Karliczek, und doch halten selbst einflussreiche Kritiker die Füße still (Das ist wichtig). Der DHV beendet seinen Verbandstag mit markigen Forderungen nach einem Lehrdeputat von 7 Stunden. Christine Prußky freut sich über Tim und Struppi im politikwissenschaftlichen Proseminar (Fußnote), und Dr. acad. Sommer beschäftigt sich mit Golden Boys am Lehrstuhl.
   
 
 
 
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Sonderrunde zur Künstlichen Intelligenz und Digitalisierung
Nachdem sich Europas Staatschefs gestern zum Brexit-Gipfel in Brüssel trafen, kommen die Spitzen der europäischen Hochschulen heute in Paris zusammen. Die rund 850 Mitglieder zählende EUA bittet zur Jahrestagung. Bis morgen diskutieren die Unichefs vor allem über Innovationspolitik (PDF). Ganz am Ende der Tagung am morgigen Nachmittag ist eine Sonderrunde zur Künstlichen Intelligenz geplant. Bundeskanzlerin Angela Merkel will Deutschland und Europa ja bekanntlich zum weltweit „führenden Standort“ in KI ausbauen. Drei Milliarden Euro sollen bis 2025 vom Bund in KI-Forschungsprojekte fließen. Der Plan steht seit vergangenem November, doch die Umsetzung und Finanzierung ist noch nicht in trockenen Tüchern. Jörg Dräger und Ralph Müller-Eiselt von der Bertelsmann-Stiftung halten den Druck aufrecht und setzen im bundesdeutschen Digitalisierungsstreben noch eins drauf. Im CHANCEN-Teil der aktuellen ZEIT (Nr. 16/2019, S. 64) fordern sie eine Digitalzentrale.
  
 
 
Auf Tauchgang im Sturm: Anja Karliczek
Es ist reichlich einsam geworden um Anja Karliczek. Die amtierende Bundesforschungsministerin gilt als Fehlbesetzung, und doch halten ihre Kritiker still. Woran liegt das? Ferdinand Otto und Anna-Lena Scholz haben sich umgehört und ausführliche Gespräche mit 17 Personen aus Wissenschaft, Parlamenten und dem Ministerium geführt. Die Quintessenz der Recherche: Manche schweigen, weil sie der Ministerin „den Rücken stärken wollen“. Andere, weil sie Kollateralschäden befürchten (ZEIT 16/2019, S. 63). Anja Karliczek selbst stand für ein Gespräch nicht zur Verfügung. Das bestätigt ein Muster: Je stärker die Ministerin unter Druck gerät, desto weiter zieht sie sich zurück. Seit Montag hat Karliczek allerdings einen neuen Chef-Sprecher. Ulrich Scharlack wechselt von der Leitung der CDU/CSU-Fraktions-Pressestelle ins BMBF (siehe Personalien). Einen unabwendbaren Termin hatte Karliczek zudem am gestrigen Mittwoch zu absolvieren. Im Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technik stand die BAföG-Novelle auf der Tagesordnung. Karliczek muss die Reform verteidigen. Sie ist die bislang einzige Novelle aus dem ihrem Haus, und sie kostet das BMBF eine Stange Geld: rund 1,2 Milliarden Euro. Obwohl der Bund etwa 200.000 Euro mehr als ursprünglich geplant ausgibt, hagelt es Kritik. Zu spät gekommen und zu klein geraten seien die Aufwüchse, monieren Studierenden-Vertreter. Karliczeks Replik im Ausschuss wirkt wie gestanzt: "Die Erhöhung des BAföGs ist auch ein Signal in die Mitte der Gesellschaft. Wir wollen die Chancengerechtigkeit erhöhen" (Heute im Bundestag).
  
 
 
Bernhard Kempen fordert: Uniprofs sollen nur noch 7 Stunden lehren
Der Präsident des Hochschulverbands Bernhard Kempen weiß natürlich sehr genau, was der geschundenen Uniprofessorenseele gut tut. Anerkennung, Wertschätzung und – ganz wichtig – immer wieder eine Prise Hoffnung auf bessere Arbeitsbedingungen. „Die Aufgaben in Forschung, Lehre, Selbstverwaltung, Krankenversorgung und Prüfung haben für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an deutschen Universtäten in den letzten Jahren spürbar zugenommen“, erklärte Kempen also zum Wochenbeginn beim DHV-Verbandstag in Berlin (Pressemitteilung). Seine Schlussfolgerung: Die Länder sollten das derzeitige Regel-Lehrdeputat für Uniprofs von neun auf acht und längerfristig auf sieben Semesterwochenstunden reduzieren. Juniorprofessoren sollten künftig nicht mehr als vier Stunden lehren. Zeitgleich mahnte Kempen „eine auskömmliche Grundfinanzierung“ der Hochschulen und „zusätzliche Professuren“ an. Konkrete Zahlen dazu nannte der DHV nicht. Im Umgang mit Mobbing und sexueller Belästigung im Wissenschaftsbetrieb müssten zentrale Clearingstellen an Hochschulen geschaffen werden. „Angesichts des Potentials, eine berufliche oder studentische Karriere zerstören zu können, sei ein ungeordnetes Nebeneinander von Zuständigkeiten unprofessionell und rechtsstaatswidrig“, teilte der DHV am Mittwoch mit (Pressemitteilung).
  
   
   
   
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Hans-Hennig von Grünberg plant Neustart
Nach neun Jahren an der Spitze der Hochschule Niederrhein steht Hans-Hennig von Grünberg für keine weitere Amtszeit mehr zur Verfügung. Der 53-jährige Hochschulmanager sucht eine neue Herausforderung. „Es waren wunderbare Jahre hier, aber man muss sich von Zeit zu Zeit neu erfinden“, erklärte von Grünberg seine Entscheidung (Rheinische Post). Von Grünbergs Amtszeit endet im Februar 2020. Seine weiteren Pläne sind unbekannt. Im vergangenen Herbst hatte er bei den Präsidenten-Wahlen an der Berliner HTW kandidiert. Er unterlag im zweiten Wahlgang HTW-Professor Carsten Busch (Tagesspiegel), der seit diesem Monat im Amt ist (siehe unten; Personalien). Für seine erfolgreiche Führungsarbeit an der Hochschule Niederrhein war von Grünberg 2017 als Hochschulmanager des Jahres ausgezeichnet worden (ZEIT 47/2017). Als Vorsitzender der Hochschulallianz für den Mittelstand tritt er bundesweit für Wissenstransfer von Fachhochschulen ein.
  
 
Ulrich Scharlack ist Chef-Sprecher im BMBF
Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) hat einen neuen Sprecher. Ulrich Scharlack, bislang Sprecher der CDU/CSU-Fraktion  im Bundestag, leitet seit diesem Mittwoch die BMBF-Pressestelle. Die Aufgabe hatte bislang Sibylle Quenett inne, die 2015 von Karliczeks Vorgängerin Johanna Wanka ausgewählt worden war.

Eurodoc wählt Eva Hnatkova zur Präsidentin
Eva Hnatkova aus Tschechien steht jetzt an der Spitze des europäischen Promovierendenverbands Eurodoc. Die Ingenieurwissenschaftlerin promoviert an der Tomas Bata University in Zlin.

Jens Andreas Meinen wird Universitätskanzler in Duisburg-Essen
Die Universität Duisburg-Essen hat sich entschieden. Der 50-jährige Verwaltungswirt und Diplom-Kaufmann Jens Andreas Meinen soll im Sommer Kanzler und damit Nachfolger von Rainer Ambrosy werden, der sich nach 15 Jahren in den Ruhestand verabschiedet. Meinen war in den vergangenen sechs Jahren Kanzler der FH Münster.
 
HTW Berlin mit neuem Präsidium
Der Informatiker Carsten Busch ist seit diesem Monat als Präsident der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft im Amt. Busch folgt auf Klaus Semlinger, der in den Ruhestand ging. Einen Wechsel gab es auch bei den Vizepräsidenten. Die Philologin Stefanie Molthagen-Schnöring ist als Vizepräsidentin für Forschung zuständig, und der Wirtschaftsmathematiker Tilo Wendler kümmert sich an der HTW als Vizepräsident um die Lehre.
  
 
Vorstand der Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft im Amt bestätigt
Dieter Bathen und Uwe Schneidewind führen als wissenschaftliche Vorstände für weitere fünf Jahre die Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft. Die beiden Wissenschaftler wurden zum Monatsanfang in dem Ehrenamt bestätigt. Die JRF wurde im Jahr 2014 als gemeinnützige Dachorganisation gegründet. Sie vereint 14 Institute, die vom Bundesland Nordrhein-Westfalen gefördert werden.
 
Job: Neustart an der Hochschule Konstanz
Bundesweit machte die Hochschule Konstanz zuletzt eher negative Schlagzeilen. In der sogenannten „Zulagenaffäre“ hatten dutzende Professoren ungerechtfertigt Zuschläge bekommen. Auch der Präsident der Hochschule, Carsten Manz, erhielt eine unrechtmäßige Einmalzahlung über 3689 Euro (Südwestpresse). Jetzt steht die Hochschule vor einem personellen Neuanfang. Der Präsidentenposten ist ausgeschrieben, und Carsten Manz verzichtet auf eine zweite Amtszeit (Südkurier). Weitere Informationen findet sich im Stellenmarkt der ZEIT.
  
   
 
 
   
 
 
   
 
 
 
 
Dr. acad. Sommer
 
 
   
 
   
Liebling der Chefin
In unsere Arbeitsgruppe ist gerade eine Doktorandin dazugekommen, die mit der Chefin sofort auf einer Wellenlänge war. Das ist natürlich schön für sie, aber der Rest von uns ist plötzlich zur zweiten Riege deklassiert geworden. Und wir finden, dass sie eigentlich keine eigenen Ideen hat, sondern der Chefin nur nach dem Mund redet. Wie können wir verhindern, dass die Stimmung in der Gruppe jetzt völlig kippt?
 
Liebe/r X,
worum geht es hier im Kern? Eigentlich ist die Antwort simpel: um Anerkennung. Verständlicherweise möchte jedes Mitglied Ihrer Arbeitsgruppe Wertschätzung erfahren für seine Arbeit, seine Ideen und seine wissenschaftliche Leistung. Leider wird in der Wissenschaft damit ziemlich gegeizt, so dass es schnell auffällt, wenn jemand wie Ihre neue Kollegin ungewöhnlich viel Anerkennung erhält – vor allem, wenn keiner so richtig weiß, womit sie das verdient hat. Skandal!
(Extra für dieses Phänomen wurde in den PhD Comics übrigens die Figur des „Golden Boy“ geschaffen. Wie Sie sehen, sind Sie also nicht allein.)
Kann man es Ihrer Kollegin zum Vorwurf machen, dass sie das neue „Golden Girl“ ist? Biedert sie sich nur an, oder hat sie einfach einen natürlichen Draht zur Chefin? Harmonieren ihre Ideen wirklich so gut oder ist das pure Nachplapperei? Aus der Ferne lassen sich all diese Fragen nicht beurteilen – aber wissen Sie was? Das alles ist völlig zweitrangig. Viel wichtiger ist, dass Sie und Ihre Kolleg/innen sich darauf konzentrieren, was Sie selbst können und leisten. Wenn die Chefin so stark mit Wertschätzung geizt (oder, noch schlimmer: so ungleich in der Gruppe verteilt), dann sollten Sie Ihr eigenes Selbstbewusstsein nicht ausgerechnet an ihr festmachen. Wenn Sie hungrig sind, gehen Sie ja auch nicht in einen Supermarkt mit fast leeren Regalen, sondern dorthin, wo Sie satt werden.
Wenn Sie als Gruppe ansonsten gut harmonieren und letztendlich alle unter der mangelnden Anerkennung leiden: Warum treffen Sie sich nicht mal zu einem „Wertschätzungs-Dinner“? Bestellen Sie eine Runde Pizza, trinken Sie ein Glas Wein, und dann gehen Sie reihum und kommentieren gemeinsam die Stärken und besonderen Leistungen jeder einzelnen Person. (Ob Sie die ungeliebte Doktorandin mitnehmen oder nicht, bleibt Ihnen überlassen…) Wenn Sie wollen, können Sie ja sogar eine informelle Projektbesprechung draus machen – Hauptsache, die Wertschätzung steht im Vordergrund. Klingt nach Gruppentherapie? Klar! Aber tief drinnen sind ja schließlich auch Wissenschaftler empfindliche Seelen. Ganz besonders in dritten PhD-Jahr.
 
Dr. Uli Rockenbauch ist Persönlicher Referent der Geschäftsführerin der Helmholtz-Gemeinschaft und berät die Scientific Community im ZEIT CHANCEN Brief als "Dr. acad. Sommer“.
   
 
   
 
   
Auch eine Frage an Dr. acad. Sommer? Schreiben Sie an chancen-brief@zeit.de, twittern Sie unter #ChancenBrief – oder hinterlassen Sie uns in diesem Kontaktformular anonym eine Frage!
   
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
   
   
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Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Wer sagt es ihr? Bildungsministerin Anja Karliczek hat einen großen Etat, macht aber wenig daraus. Längst gilt sie als Fehlbesetzung – doch ihre Kritiker halten still. Sie haben ihre Gründe
 
Wir Ahnungslosen Künstliche Intelligenz wird unsere Gesellschaft verändern. Umso wichtiger ist es, dass möglichst viele verstehen, wie sie funktioniert. Der Staat muss dafür eine Digitalzentrale schaffen „Wir schaffen es nicht, in dieser radikal neuen Welt eine radikal neue Bildung zu leben“ Privatschulen haben mehr Freiheiten als staatliche Schulen. Macht sie das zum Vorreiten für ein besseres Bildungssystem? Gespräch mit dem Schulgründer und ehemaligen VW-Vorstandschef Carl H. Hahn Hoch hinaus Alba Berlin schickt Jugendtrainer an Kitas und Schulen. Was hat der Basketballverein davon? Work-Love-Balance: Ich will absagen Während seiner Elternzeit will Rudi Novotny ein Buch schreiben. Kann man lernen, seine Träume zu planen?

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
 
 
 
Fußnote
 
 
   
 
   
Tim und Struppi
Ich habe Politikwissenschaft an der Münchner LMU studiert und bereute: bis gestern nichts. Wenn ich jetzt auf einmal doch neidvoll zur Freien Universität Berlin blicke, dann liegt das an Philipp Lepenies, genauer: an dessen Tim-und-Struppi-Proseminar. Wie die Kollegen der Tagesspiegel-Checkpoint-Redaktion gestern berichteten, werden am Beispiel des Klassikers der globalen Comic-Kultur in diesem Sommersemester die ganz großen politiktheoretischen Themen analysiert. Machtpolitik, Kolonialismus und Postkolonialismus, Rassismus, Tierethik, politische Rhetorik, Armut, Gender und Feminismus – die Bände von Tim und Struppi bieten eine Steilvorlage, die Lepenies für seine Lehre nutzt. Was für eine bezaubernde Idee!
 
Christine Prußky
   
 
   
 
 
   
Schön, wenn die Abende länger werden.

Ihr CHANCEN-Team


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