Wenn Wohnungen wie Kartoffeln wären, dann wäre alles ganz einfach. Denn was würde passieren, wenn der Preis für Kartoffeln steigt? Die Bauern würden einfach mehr Kartoffeln anpflanzen. Die Kartoffelhändler müssten die Preise senken, um ihre Ware loszuwerden – das Problem wäre gelöst. Genauso wäre also zu erwarten, dass bei steigenden Mieten mehr Häuser und Wohnungen gebaut werden und die Mieten dann irgendwann wieder sinken. Für einen staatlichen Eingriff gäbe es in einem solchen Szenario keinen Grund, die unsichtbare Hand des Marktes würde die Sache regeln. Wohnungen unterscheiden sich aber ökonomisch betrachtet von Kartoffeln – und zwar aus folgenden Gründen: | • | | Stadtwohnungen lassen sich anders als Kartoffeln nicht einfach so vermehren. Das liegt daran, dass für den Bau einer Wohnung ein Baugrundstück nötig und das Angebot an innerstädtischen Baugrundstücken notwendigerweise begrenzt ist. Zwar ist es durchaus möglich, auf den bestehenden Flächen mehr Wohnraum zu schaffen, etwa indem vermehrt in die Höhe gebaut wird. Doch auch diese Nachverdichtung stößt irgendwann an ihre Grenzen, wenn die Städte lebenswert bleiben sollen. Wenn aber das durch die Aussicht auf steigende Renditen angelockte Kapital der Investoren auf ein Gut trifft, das sich nicht vermehren lässt, dann steigt schlimmstenfalls nur der Preis dieses Guts. In diesem Fall: die Mieten. | | • | | Kartoffeln wachsen innerhalb von ein paar Monaten heran. Wenn also die Preise steigen, reagiert das Angebot vergleichsweise schnell. Ein größeres Immobilienprojekt aber ist mit Vorbereitungen und Genehmigungen oft eine Sache von mehreren Jahren. Es dauert also, bis die Preissignale zu mehr Neubauten führen – vor allem wenn wie derzeit die Baufirmen weitgehend ausgelastet sind und oftmals keine zusätzlichen Aufträge annehmen können. | Aus diesem Grund wird es auch keine rein marktwirtschaftliche Lösung der Wohnungskrise in den deutschen Großstädten geben, gegen die Menschen am Wochenende überall in Deutschland auf die Straßen gegangen sind. Bauämter besser besetzen Das bedeutet nicht, dass der Markt überhaupt nicht funktionieren würde. Die Zahl der Baugenehmigungen steigt seit Jahren kontinuierlich an, im Jahr 2017 wurden fast doppelt so viele neue Wohnungen genehmigt wie zehn Jahre zuvor. Er würde noch besser funktionieren, wenn die Bauämter besser besetzt wären und schneller arbeiten könnten, wenn die Genehmigungsverfahren vereinfacht würden und wenn Bauprojekte nicht mehr so leicht durch Bürgerbegehren gestoppt werden könnten. Es ist ein Skandal, dass in einer Stadt wie Berlin das Tempelhofer Feld – eine innerstädtische Fläche, auf der mehr als tausend neue Wohnungen entstehen können – nicht bebaut wird, weil ein paar Anwohner dort gerne spazieren gehen.
Aber der Marktmechanismus allein wird auf absehbare Zeit nicht für ausreichend bezahlbare Wohnungen in den Städten sorgen. Deshalb sind staatliche Eingriffe nicht nur legitim, sondern unter Umständen sogar äußerst sinnvoll. Man muss dazu die Wohnungsbesitzer nicht gleich enteignen, wie es jetzt in Berlin gefordert wird. Aber wenn die These stimmt, dass sich Wohnraum nicht ohne Weiteres vermehren lässt, dann könnte die Wohnungsnot dadurch gelindert werden, dass der Staat darauf achtet, dass die Baukapazitäten einigermaßen sozialverträglich genutzt werden können. Anders gesagt: dass nicht nur Luxuswohnungen gebaut werden. Wie das geht? Indem beispielsweise die Erteilung einer Baugenehmigung daran geknüpft wird, dass ein bestimmter Anteil an Sozialwohnungen gebaut wird oder indem die öffentlichen Wohnungsgesellschaften die freien Flächen vermehrt selbst bebauen. Einer der Kardinalfehler der deutschen Wohnungspolitik besteht darin, dass die Kommunen ihre Grundstücke an Investoren verkauft haben, statt sie selbst zu bewirtschaften. Mietkontrollen auf Zeit Auch strengere Mietkontrollen wären hilfreich. Die meisten Ökonomen lehnen sie ab – mit dem Argument, dass dann weniger neue Wohnungen gebaut würden. Das trifft aber nicht zu, wenn die Kontrollen nur für den Wohnungsbestand gelten und wieder aufgehoben werden, wenn sich die Lage wieder entspannt. Es geht ja nicht darum, die Marktgesetze dauerhaft außer Kraft zu setzen – sondern mit einer krisenhaften Zuspitzung am Wohnungsmarkt fertig zu werden. Für den aus seinem Stadtteil vertriebenen Mieter ist es ein schwacher Trost, wenn er sich seine Wohnung in fünf oder zehn Jahren wieder leisten kann, weil bis dahin mehr gebaut worden ist. Das halten soziale Bindungen wahrscheinlich nicht aus. Es wäre also gut, wenn in der Wohnungsdiskussion ein wenig Realismus Einzug hielte: Der Markt löst viele Probleme, aber nicht alle. Ihn zu verherrlichen ist genauso falsch wie ihn zu verdammen. Die Alternative ist klar: Deutsche Großstädte würden zur Spielwiese der Spitzenverdiener. |
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