Mal kurz die Augen schließen und Revue passieren lassen, welche Signale aus der deutschen Politik für die Wahl Ende Mai bislang ausgehen. Das Europäische Parlament wird nämlich in wenigen Wochen gewählt, was ja doch eine Riesensache ist, weil die europäischen Wähler als ein Wahlvolk auftreten, das bestimmen kann, was sich an und innerhalb der europäischen Grenzen künftig abspielen wird. Es ist ja doch sehr auffällig, dafür, dass Großbritannien vielleicht dieses Mal nicht mitwählen wird, wird in den vergangenen Wochen in Deutschland ganz schön akribisch jede Regung aus dem Königreich bezüglich des Brexits durchdiskutiert. Mittlerweile hat man das Gefühl, man kenne die Meinung eines jedes britischen Bürgers und Politikers über Europa – derart erschöpfend wird Bericht erstattet. Was aber denken unsere Leute über Europa? Wie sind die politischen Konzepte um für ein Europa zu kämpfen, das garantiert, dass hier demnächst kein Krieg herrschen wird oder Menschen vertrieben werden? Wahrscheinlich haben nicht alle Bürger in diesem Land die Zahlen auf Anhieb parat. Die Deutschen wählen innerhalb der Europäischen Union die meisten Sitze, weil sie die größte Bevölkerung stellen. Von den derzeit 795 Mandaten im Parlament, wurden 99 Mandate von den Deutschen gewählt. Nur zum Vergleich: Frankreich, das zweitbevölkerungsreichste Unionsland hat 78 Sitze gewählt, Spanien 54, Ungarn 24. Es ist also nicht übertrieben, wenn man bemerkt, dass von Deutschland eine besondere Gefahr für die Wahl ausgeht. Oder eine große Chance. Je nachdem, von welcher politischen Position aus man es betrachtet. Auch Steve Bannons Ankündigung aus den USA vom vergangenen Juli wurde mittlerweile möglicherweise vergessen. Trumps ehemaliger Berater gab freimütig zu, dass er sich aktiv in den Europäischen Wahlkampf einmischen werde. Sein Ziel sei, seine Bewegung The Movement auf europäisch-parlamentarischer Ebene parteipolitisch zu verzahnen und den ganzen rechten Flügel, der von rechts-reaktionär bis rechtsextrem geht, und sich auf drei Fraktionen im Europäischen Parlament verteilt, zu unterstützen. Dazu wollte er die rechtsextremen Strömungen innerhalb der EU zusammenführen, damit sie künftig das zerstören, was wir demokratischen Europäer immer die "europäische Idee" nennen. Ein Pulli ist ein Pulli An diesem Dienstag kam dann die Meldung, auf die man seit Monaten mit ziemlich bangem Gefühl wartet: Die deutsche AfD und die italienische Lega wollen nach der Wahl im Europaparlament gemeinsam eine Fraktion bilden, die Europäische Allianz der Menschen und Nationen, kurz EAPN. Ob und inwieweit dies mithilfe von Bannon geschieht, weiß man zu diesem Zeitpunkt noch nicht, aber es ist mal wieder einer dieser Momente, in denen man denkt: Donnerwetter, es tritt ja alles immer so ein, wie sie es ankündigen. Mit "die" meint man die Rechtsradikalen, die Antidemokraten, die Antieuropäer – kann sich jeder selbst aussuchen, welches Synonym er für die Faschisten wählt. Die finnischen und Dänischen Rechtsextremen machen bei EAPN ebenfalls mit. Die österreichische FPÖ und die französische Rassemblement National fehlen bislang zwar, aber die Schwelle mitzumachen ist extrem niedrig. Man will die Festung Europa errichten, ohne Migration, und so weiter und so weiter, man kennt es ja alles. Die Gründung der Fraktion ist ja erst ein Schritt, allerdings ein wichtiger. Also, welches Signal geht von den deutschen Parteien aus? Jetzt mal abgesehen von Katarina Barleys Auftritt im "EUnify"-Hoodie – das ist der Kapuzenpulli mit der europäischen Flagge, die normalerweise aus zwölf Sternen besteht, in dieser Variante aber eine Leerstelle hat. Was so viel bedeuten soll wie "die Einheit Europas ist gefährdet", "Bekenntnis zu Europa"; es ist halt ein Pulli, was will man da groß interpretieren? Wolfgang Ischinger trug den Hoodie auf der Münchner Sicherheitskonferenz auch schon. Politische Statements auf T-Shirts sind ähnlich wirksam wie Starschnitte in Lebensgröße aus der Bravo. Mit viel Einbildung und Fantasie kann sich so etwas wie echt anfühlen. Ansonsten möchte die SPD-Europakandidatin ein "Europa für die Menschen", was sehr nett von der deutschen Justizministerin ist. Ihr zweites Ziel ist das Stopfen der "Steuerschlupflöcher" und zwölf Euro Mindestlohn europaweit, verbunden mit einer Grußbotschaft an die CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer, die ein Europa der Banken wolle. Das ist ein wenig die "eat this, bitch"-Variante, die man aus der Rap-Battle-Szene kennt, man textet den imaginären Gegner an. Man hält fest, der größte Feind Europas aus Sicht Katarina Barleys ist die CDU. Kein Witz, die Süddeutsche Zeitung zitiert sie so: "Ich glaube fest daran, dass die Hetzer und Ewiggestrigen nicht durchkommen." Bedroht sei Europa aber auch von "den Lauen", das sind aus ihrer Sicht jene, die nicht engagiert genug für Europa einträten. Da nennt sie gleich darauf Kramp-Karrenbauer. Aus der CSU besteht der konkreteste Wunsch für das künftige Europa darin, dass der CSU-Chef Markus Söder möchte, dass Manfred Weber EU-Kommissionspräsident werden soll. Mit viel Wohlwollen könnte man diesen Wunsch als Vision durchgehen lassen. Ansonsten setze man sich für ein Europa ein, "das uns stark macht und zusammenhält", so ein Zitat des CSU-Generalsekretärs Markus Blume. Manchmal weiß man echt nicht, ob sie über einen Kontinent sprechen oder eine erschlaffte Rückenmuskulatur.
Uploadfilter, Steuergerechtigkeit, Posten besetzen. Das ist alles. Die rechtsextremen Parteien und Strömungen sind stark, sie besetzen Leerstellen, sie trauen sich vor, unsere letzten beiden verbliebenen Volksparteien aber wissen dem nichts anderes entgegenzusetzen als starkes Europa hoch und starkes Europa runter. Als ob man mit bloßer Beschwörungskraft die Demokratie geheilt bekommt. Was genau bedeutet denn Europa? Wie steht man in der Frage der Millionen Fliehenden? Wie steht man zum Kapitalismus? Wie zu den Menschenrechten? Gerade geht es um die Frage, ob man deutsche Firmen verpflichtet, bei ihren Produktionsbedingungen die Einhaltung der Menschenrechte zu garantieren. Das wäre doch ein politisches Thema, das ganz Europa, ach was, die ganze Welt betrifft. Ach, man kann es auch abkürzen: Es ist echt ein Elend.
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