Weiter Kritik an ungarischer Hochschulpolitik I Preisregen auf der "Gala der deutschen Wissenschaft" I 3 1/2 Fragen an Tanja Gabriele Baudson I Standpunkt Jan-Martin Wiarda: Exzellenzstrategie

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
unser Lieblingsthema, die Exzellenzstrategie, nimmt wieder Fahrt auf. Einen Standpunkt dazu vertritt Jan-Martin Wiarda. Kritik muss sich weiterhin die ungarische Hochschulpolitik gefallen lassen. Auf der "Gala der deutschen Wissenschaft" hat es Preise geregnet. Und Tanja Gabriele Baudson, Mitinitiatorin des deutschen "March for Science", beantwortet unsere 3 1/2 Fragen.
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Deutschland kritisiert Ungarns Hochschulgesetz
Die Bundesregierung übt deutliche Kritik am neuen ungarischen Hochschulgesetz, das die US-geführte, private Zentraleuropäische Universität in Budapest gefährdet. Man betrachte den Budapester Parlamentsbeschluss vom Vortag «mit großer Sorge», sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Mittwoch in Berlin. «Die Wissenschaftsfreiheit ist für uns ein hohes Gut», erklärte Demmer. Deutschland hoffe daher, dass der Lehrbetrieb an der «Central European University» (CEU) weitergeführt werden kann.
Die Gesetzesnovelle in Ungarn beinhaltet Auflagen für internationale Universitäten, die die CEU nicht erfüllt. Die 1991 vom US-Milliardär George Soros gegründete Hochschule sollte nach dem Ende des Kommunismus die Ideen einer offenen und liberalen Gesellschaft verbreiten.
Der CEU-Leiter Michael Ignatieff nannte das Gesetz einen massiven Angriff auf die Universität. Er versicherte aber im Interview mit der ZEIT: «Egal, was geschieht, die Central European University wird auf keinen Fall schließen. Wir machen weiter. Das sollen auch die deutschen Studenten wissen, die sich beworben haben.»
  
 
 
"Professoren, mischt euch ein!" – Der Ruf wird lauter
Nachdem die ZEIT 2015 unter der Überschrift "Wo seid ihr, Professoren?" das Schweigen der deutschen Gelehrten zum aktuellen Weltgeschehen beklagte, fordert nun auch die  FAZ die Hochschullehrer zum "mutige(n) Gebrauch der freimütigen Rede" auf, um die Wissenschaftsfreiheit zu verteidigen. Wir sind gespannt auf das Echo.
  
 
 
Drohnen und Bots im Einsatz an der Uni
KI-Programme (Künstliche Intelligenz), die E-Mails von Studenten beantworten und Drohnen, die prüfen, ob die Dachrinnen an den Uni-Gebäuden sauber sind – darüber berichtet der Guardian. Was uns in der Post-Kreidezeit an den Hochschulen erwartet, wirkt durchaus ein wenig unheimlich.
  
 
 
11 "junge" deutsche Unis unter den besten 200
Man kann zu Hochschulrankings stehen, wie man will, anschauen will man sie ja doch. Die Times Higher Education hat jetzt die neue Rangliste der Top-200 Universitäten veröffentlicht, die jünger als 50 Jahre sind. An der Spitze steht die École Polytechnique Fédérale de Lausanne. Die Universität Ulm landet auf Platz acht, das Karlsruher Institut für Technologie (KIT)  auf Platz neun. Insgesamt schaffen es 11 deutsche Universitäten unter die Top-200.
  
 
 
DHV nimmt zu Berufungsverfahren Stellung
Die Professorengewerkschaft Deutscher Hochschulverband (DHV) plädiert in einer aktuellen Stellungnahme dafür, "bewährte und sinnvolle Standards in Berufungsverfahren beizubehalten." Mit Berufungen nähmen Fakultäten ihr Recht auf Selbstergänzung, -steuerung und -erneuerung wahr. Hochschulleitungen oder andere an Berufungen beteiligte Akteure seien daher nicht befugt, die fachwissenschaftlich getroffene Entscheidung der Fakultät durch eine eigene zu ersetzen. Um dem Prinzip der Bestenauslese Geltung zu verschaffen, sollten Ausschreibungen grundsätzlich öffentlich erfolgen. Abweichungen hiervon seien auf begründungspflichtige Ausnahmen zu begrenzen. Hierzu gehörten Tenure-Track-Positionen, bei denen eine befristete Position nach positiver Evaluation in eine Lebenszeitprofessur umgewandelt werden könne, sogenannte short-list-Verfahren, bei denen die Sichtung der in Betracht zu ziehenden Kandidaten abgekürzt werde, und sogenannte fast-track-Verfahren, in denen die Universität auf ein attraktives externes Angebot durch eine besoldungsrechtliche Höherstufung reagieren könne.
  
   
 
   
   
 
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Preise, Ehrungen und ein Geburtstag
Eine Woche für Feierbiester: Zunächst ein Tusch für Margret Wintermantel! Die DAAD-Präsidentin und Professorin für Sozialpsychologie wurde vor drei Tagen (man mag es kaum glauben) 70 Jahre alt. Die Bundesforschungsministerin Johanna Wanka wurde von der Hochschule Merseburg zur Ehrensenatorin ernannt. Die Mathematik-Professorin war von 1994 bis 2000 Rektorin der Hochschule. Ein Preisregen ging am Montag in München auf der "Gala der deutschen Wissenschaft" auf Studenten, Wissenschaftler, Politiker und Journalisten nieder: Die Auszeichnung "Student/-in des Jahres", vergeben vom DHV und dem DSW, ging an das Bauprojekt "Spinelli Barracks Mannheim" von Architekturstudierenden der TU Kaiserslautern. Michael Saliba (ETH Lausanne) wurde von Academics  – dem von der ZEIT und der Zeitschrift "Forschung & Lehre" getragenen Karriereportal für Wissenschaft & Forschung – als Nachwuchswissenschaftler des Jahres ausgezeichnet. Michael Wolffsohn (Bw-Uni München) wurde vom DHV die Auszeichnung "Hochschullehrer des Jahres" verliehen. Der Preis wird mit Unterstützung des ZEIT-Verlags vergeben. Bereits zum dritten Mal erhielt Lambert T. Koch (Rektor der Uni Wuppertal) vom DHV die Auszeichnung "Rektor des Jahres". Mathias Brodkorb, Finanzminister von Mecklenburg-Vorpommern, erhielt vom DHV die Auszeichnung "Wissenschaftsminster des Jahres". Auf der Gala wurde auch der „Goethe-Medienpreis für wissenschafts- und hochschulpolitischen Journalismus“ verliehen, den die Goethe-Universität Frankfurt am Main zusammen mit der FAZIT-Stiftung in zweijährigem Turnus ausschreibt. Preisträger sind Anant Agarwala von der ZEIT (1. Preis), Christian Schiffer vom Bayerischen Rundfunk (2. Preis) und Oskar Piesga von ZEIT CAMPUS (3. Preis). Ihnen allen unseren herzlichen Glückwunsch!

Das Amerika-Haus NRW hat einen neuen Chef
Benjamin Becker ist seit dem 1. April 2017 neuer Direktor des Amerika-Hauses NRW. Er war zuletzt Referatsleiter bei der Deutsch-Amerikanischen Fulbright-Kommission und verantwortete dort die Sonderprogramme. Zuvor koordinierte er die Öffentlichkeitsarbeit beim amerikanischen Touro College Berlin und den Henry A. Kissinger Prize für die American Academy in Berlin.

Hochschule Coburg mit neuer Präsidentin
Christiane Fritze wurde als neue Präsidentin der Hochschule Coburg in ihr Amt eingeführt. Die Werkstoffwissenschaftlerin ist die erste Frau an der Spitze der Hochschule. Zuvor war sie seit 2008 Vizepräsidentin für Forschung der Hochschule München.

Ober-Makroökonom/in gesucht
Wenn Sie die Wirtschaft gern mit dem Makroskop untersuchen, dann ruft das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin vielleicht nach Ihnen. Gesucht wird dort ein/e Abteilungsleiter/in Makroökonomie; die Stelle soll mit einer Professur an der FU Berlin verbunden werden. Näheres im Stellenmarkt der neuen ZEIT.
   
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Dr. rer. nat. Tanja Gabriele Baudson

Vertretungsprofessorin für Methoden der Empirischen Bildungsforschung an der TU Dortmund;
Mitinitiatorin und -koordinatorin des "March for Science" in Deutschland
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Manchmal muss man einfach machen. Den "March for Science" in Deutschland zu initiieren, erforderte zwei Menschen und einen Twitter-Account. Nun organisieren zahlreiche lokale Gruppen Events in deutschen Städten, weltweit über 400. Uns unterstützen Nobelpreisträger, Organisationen der Wissenschaftsallianz sowie ihre Präsident/innen und viele weitere. Wir wollten den weltpolitischen Ereignissen nicht länger nur besorgt zusehen. Wissenschaft hat dem aktuellen Trend zu "alternativen Fakten" und Populismus etwas entgegenzusetzen: nämlich fundierte Erkenntnisse. Das sollten wir selbstbewusst vertreten und kommunizieren. Wissenschaft ist der Wahrheit besonders verpflichtet; daraus erwächst eine Verantwortung für die Gesellschaft, deren Teil sie ist.

Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
38 Prozent der Menschen meinen laut Wissenschaftsbarometer 2016, man höre zu viel auf die Wissenschaft und zu wenig auf Gefühle; nur 32 Prozent glauben das Gegenteil. Wir haben ein Kommunikationsproblem. Dagegen können und müssen wir etwas tun. Wenn wissenschaftliche Erkenntnisse relativiert oder geleugnet werden, entzieht das dem gesellschaftlichen Diskurs die Basis und der Wissenschaft die Existenzberechtigung – wenn gefühlte Wahrheiten zur politischen Entscheidungsfindung reichen, kann man aufwändige Forschung einsparen. Das ist, glaube ich, vielen Kolleg/innen in dieser Deutlichkeit nicht klar.

Lektüre muss sein. Welche?
Michel de Montaigne, Essais. Kein Thema ist zu gering, um sich nicht doch daran zu versuchen. Paul Feyerabend, Against Method. Aus Gründen.

Und sonst so?
Am 22.4.2017 können alle, denen Wissenschaft wichtig ist, beim "March for Science" ein öffentlichkeitswirksames Statement setzen: für fundierte Erkenntnisse statt "alternativer Fakten" als Diskursgrundlage – und für die Wissenschaft als Instanz, die diese Erkenntnisse in stetem Streben nach Wahrheit hervorbringt. Bitte unterstützen Sie die Initiative physisch, ideell und finanziell: http://marchforscience.de
   
   
 
 
   
 
   
   
 
Standpunkt
 
 
   
   
von Jan-Martin Wiarda
Der neue Geist muss sich noch beweisen
Die Exzellenzstrategie ist nicht die Exzellenzinitiative. Wissenschaftspolitisch eine triviale Feststellung, sobald man über Bewerbungsregeln, über Förderperioden (bei der ExStra länger), oder auch die Lebensdauer des neuen Bund-Länder-Programms (Plan: für immer) redet. In anderer Hinsicht dagegen ist es ein Satz, der – trotz vieler Verdienste der alten Exzellenzinitiative – vor allem eine Hoffnung ausdrückt.
 Gestern hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mitgeteilt, wie viele Antragsskizzen für ExStra-Exzellenzcluster eingegangen sind, 195, und wie diese sich von ihren thematischen Schwerpunkten her auf vier von der DFG definierte Wissenschaftsgebiete verteilen. Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften, Ingenieurwissenschaften und Geistes- bzw. Sozialwissenschaften: Alle vier kommen auf rund ein Viertel. Soweit alles ganz beim Alten. Auch 2010, als die DFG die Antragsskizzen für die zweite Runde der Exini-Cluster vermeldete, stand in der Pressemitteilung, die „großen Wissenschaftsgebiete“ seien „etwa gleich stark vertreten“.
Aber dann. Als die DFG 2012 bekanntgab, wie viele der schlussendlich eingereichten Vollanträge erfolgreich waren, las sich die Statistik anders. Von den insgesamt bewilligten 43 Exzellenzclustern stammten 17 aus den Lebenswissenschaften, 11 aus den Naturwissenschaften, 9 aus den Ingenieurwissenschaften und sechs aus den Geistes- und Sozialwissenschaften. 
Dass Exini und ExStra nur teilweise vergleichbar seien, war auch gestern aus der DFG-Geschäftsstelle zu hören. Das stimmt. Schon deshalb, weil diesmal auch die Alt-Cluster Skizzen abgeben mussten, während Verlängerungsanträge 2012 direkt in die Hauptauswahl durchsegeln konnten.
Doch der Beweis, dass sich die beiden Wettbewerbe nicht nur von den Regeln unterscheiden, sondern auch von ihrem Geist her, der steht noch aus. Man möchte den international besetzten Panels, schon jenen 21, die in den nächsten Monaten die Skizzen nach „wissenschaftlichen Qualitätskriterien“ (DFG-Formulierung) begutachten und die besten zur Vollantragstellung empfehlen, zurufen: Beweist es. Und zwar inhaltlich. Es ist einfach nicht einleuchtend, warum die Lebens- und Naturwissenschaften im Schnitt die höhere wissenschaftliche Qualität haben sollten. Genau hier, in der nach Meinung vieler ungleichen Beurteilung der verschiedenen Wissenschaftsgebiete, lag eine entscheidende Schwäche der alten Exzellenzinitiative – was wiederum ihre Akzeptanz in Teilen der Universitäten schwächte.
Die Exzellenzstrategie ist nicht die Exzellenzinitiative: Ob das wirklich stimmt, erfahren wir im September 2018. Dann nämlich wissen wir, welche Cluster das Rennen machen.
   
   
Sie stehen woanders? Schreiben Sie uns! chancen-brief@zeit.de
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Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Kinder an der Macht Es beginnt am Frühstückstisch und in den Kitas: Heute lernen schon Fünfjährige, wie Demokratie funktioniert. Das verändert die Gesellschaft. Wird die neue Generation so politisch wie keine zuvor?

Ausgerechnet jetzt Für ein Schuljahr nach Amerika – mit Donald Trump als Präsident! Vier Austauschschüler über hitzige Debatten im Unterricht, Streit mit den Gasteltern und die Angst um ihre mexikanischen Freunde »Ein massiver Angriff« Muss eine liberale Uni in Budapest schließen? Fragen an den Rektor Zwei Kapitäne, ein Boot Peter Strohschneider und Johanna Wanka sind die wichtigsten Entscheider der deutschen Wissenschaft – und selten einer Meinung

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
   
   
 
c.t.
 
 
   
 
Quelle: PHDCOMICS
 
 
 
 
 
 
 
 
   
Ein erfolgreiches Wochenfinale wünscht Ihnen

Ihr CHANCEN-Team


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