Freitext: Jochen Schmidt: Und plötzlich steht da Eva

 
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07.04.2017
 
 
 
 
Freitext


Und plötzlich steht da Eva
 
 
Die Sehnsucht nach dem Paradies ist groß. Aber wo soll man es in unserer vollends vermessenen Welt noch finden? Das Geheimnis: Manchmal liegt es näher, als man denkt.
VON JOCHEN SCHMIDT

 
[M] ZEIT ONLINE/Bengelsdorf/photocase (https://www.photocase.de/Bengelsdorf)
 
Bei Dante, nicht dem sympathischen brasilianischen Fußballspieler, sondern beim größten italienischen Dichter, liegt das irdische Paradies auf dem Gipfel des Läuterungsberges. Dieser besteht aus der Erdmasse, die beim Höllensturz Luzifers auf der anderen Seite des Kraters herausgedrückt wurde. Der Krater geht von der Erdoberfläche bis zum Erdmittelpunkt, wo Luzifer kopfüber feststeckt. Nachdem Dante auf seiner beschwerlichen Reise zunächst die Höllenkreise hinabgestiegen ist und anschließend den Läuterungsberg erklommen und das irdische Paradies erreicht hat, geht es weiter durch die neun himmlischen Sphären, immer näher zu Gott, der sich im Empyreum befindet, wo Dante die himmlische Rose erblickt, eine etwas unklare Erscheinung.
 
Der dritte Teil der Göttlichen Komödie, Paradiso, gilt gemeinhin als langweiliger als die anderen, in Inferno und Purgtorio ist „mehr los“, z.B. trifft Dante dort einen Mann, der seinen eigenen Kopf in der Hand trägt und als Laterne benutzt, damals ging man ja noch davon aus, dass die Augen tatsächlich leuchteten. Aber die Reise führt nun mal zum Paradies und zu Gott und damit auch vom Anschaulichen zum Abstrakten, vom Horrorfilm zur Sphärenmusik, da verliert man als Autor unterwegs schon mal ein paar Leser.
 
Früher war man ja durchaus der Meinung, das Paradies irgendwo auf der Erde noch finden zu können, auf mittelalterlichen Karten ist es manchmal eingezeichnet, z.B. zwischen Euphrat und Tigris. Der Begriff Paradies kommt aus dem Avestischen, einer altiranischen Sprache, und steht für von einem Wall umgebenes Land, also das Gegenteil von Wildnis. Die Griechen bezogen sich mit diesem Wort auf Gärten mit Wildtieren, die sich persische Könige leisteten.
 
Wie müssen wir uns heute das Paradies vorstellen? Wie wir aus der Bibel wissen, ist der Garten Eden, wie das Paradies auf Hebräisch heißt, ein Ort für junge, kinderlose Paare, die keine Äpfel essen dürfen. Wenn man ein älteres Paar mit Kindern ist, das sich jeden Morgen einen faden Supermarkt-Apfel in die pampigen Haferflocken schnippelt, kommt einem das schon plausibel vor. Wir wüssten heute gar nicht mehr, wo wir auf der vollständig erkundeten Erde noch nach dem irdischen Paradies suchen sollten, aber wir sehnen uns natürlich danach. Frühere Generationen waren am Baum des Lebens interessiert, der dort wächst und jedem, der von ihm isst, ewiges Leben verschafft. Heute kann die Sehnsucht nach dem Paradies ganz unterschiedlichen Ausdruck finden, wie mir bewusst wurde, als ich anfing, auf Reisen irdische Paradiese zu fotografieren.

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