Fünf vor 8:00: Trump ist unfähig, zu regieren - Die Morgenkolumne heute von Matthias Naß

 
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 FÜNF VOR 8:00
17.05.2017
 
 
 
 


 
Trump ist unfähig, zu regieren
 
Unter ihm kommt die politische Kultur auf den Hund: Warum es hochgefährlich wäre, sich an den skandalösen Regierungsstil dieses Präsidenten zu gewöhnen.
VON MATTHIAS NASS

Wenn die Niedertracht zur Normalität wird, dann kann es wirklich gefährlich werden. Und wenn dann auch noch die Unfähigkeit hinzukommt, wichtigste Staatsgeheimnisse zu bewahren, dann brennt es lichterloh.
 
So langsam hatte man begonnen, sich an den täglichen Irrsinn im Weißen Haus zu gewöhnen. Wer hat das nicht bei sich selbst beobachtet? Als sich nach hundert Tagen Donald Trump die Welt immer noch drehte, beruhigte man sich: Vielleicht alles doch nicht so schlimm. Bloß keine Hysterie.
 
Dann entließ Trump FBI-Direktor James Comey. Und als hätte sich eine Hornisse auf die Frühstücksmarmelade gesetzt, war man plötzlich hellwach. Trump selbst hatte uns Arglose aus dem Schlummer gerissen. Und wir wussten sofort wieder: Diese Präsidentschaft bedroht wirklich die amerikanische Demokratie.
 
Die Entlassung als solche ist nicht das Skandalon. Es sind die Lügengespinste, mit der sie begründet wurden. Es ist die unverfrorene Drohung, die Trump per Tweet nachschob: "James Comey sollte besser hoffen, dass es keine 'Tonaufnahmen' von unseren Gesprächen gibt, bevor er mit Durchstechereien an die Presse beginnt."
 
Den Bogen überspannt
 
"Das ist die Sprache der Camorra", entsetzte sich der in seiner Zuneigung zu Amerika schwer zu beirrende Springer-Chef Mathias Döpfner in der Welt am Sonntag. In der Tat, so spricht die Mafia. Und dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man liest, was Vertraute Comeys über ein Abendessen berichten, zu dem Trump den FBI-Chef sieben Tage nach seinem Amtsantritt ins Weiße Haus bat. Mehrmals, so erzählte es Comey nach dem Dinner, habe der Präsident von ihm persönliche "Loyalität" gefordert. Die aber habe er Trump nicht versprechen können, allenfalls "Ehrlichkeit".
 
Donald Trump, so zeigt sich wieder, hat keinen Sinn für den Dienst am öffentlichen Wohl, für die Verpflichtung hoher Beamter allein auf die Verfassung und auf die Gesetze. Er fordert Gefolgschaft, ja Unterwerfung. Wer sich mit ihm einlässt, ist im Zweifel rasch verloren. So wie seine Pressesprecher, die er erst nicht richtig informiert und dann in aller Öffentlichkeit desavouiert.
 
Man hatte sich an einiges gewöhnt. Trump hatte Richter, die ihm Grenzen setzten, als "sogenannte Richter" denunziert. Hatte Journalisten, die nach der Wahrheit forschten, als Produzenten von "fake news" verleumdet.
 
Jetzt aber könnte er den Bogen überspannt haben. Man spürt es daran, dass der Widerspruch lauter wird. Nein, James Comey habe im FBI keineswegs die Unterstützung der Mitarbeiter verloren, sagt der amtierende FBI-Direktor vor dem Kongress. Nein, Comey habe sich untadelig verhalten, erklärt der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Senat, der Republikaner Richard Burr, und verkündet: Die Untersuchung von Verbindungen zwischen dem Trump-Lager und dem Kreml gehen weiter.
 
Das Weiße Haus außer Kontrolle
 
Es liegt ein Hauch von Watergate in der Luft. Oder ist alles noch schlimmer? Um noch einmal Mathias Döpfner zu zitieren: "Watergate war harmloser. Denn was gerade in Washington passiert, ist ein öffentlich zelebrierter Staats-Coup von oben." Die hoch seriöse Neue Zürcher Zeitung sieht in der Absetzung Comeys "ein weiteres Omen dafür, dass Washington in eine eigentliche Staatskrise schlittern könnte".
 
Staatskrise! Als die NZZ dies schrieb, war noch gar nicht bekannt, dass Donald Trump bei einem Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow und Russlands Botschafter in Washington, Sergej Kislyak, offenbar hochgeheime Informationen eines befreundeten Nachrichtendienstes über Terrorpläne des "Islamischen Staates" ausgeplaudert hat.
 
Am schlimmsten daran: Die Russen können daraus Rückschlüsse ziehen auf die Quellen und auf die Methoden, mit denen diese Informationen gewonnen wurden. Dies ist ein absoluter Tabubruch unter Geheimdiensten, weil dadurch Quellen versiegen und Informanten in Lebensgefahr gebracht werden können.
 
Entsprechend groß ist das Entsetzen in Washington. "Das Weiße Haus muss etwas tun, um sich selbst unter Kontrolle zu bringen", sagt Senator Bob Corker, Republikaner aus Tennessee und Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses. 
 
Opportunistische Republikaner
 
Wird die amerikanische Demokratie den Trump'schen Stresstest bestehen? Am Ende wohl schon. Aber erst einmal muss die Führung der Republikanischen Partei wieder zur Besinnung kommen. Erst hat sie den Kandidaten Trump nicht verhindert, dann hat sie im Wahlkampf versagt, am Ende hat sie sich dem Wahlsieger an den Hals geschmissen.
 
Es könnte sein, dass die Wähler bei den nächsten midterm elections im Herbst 2018 die Republikaner für ihren Opportunismus und ihre Unfähigkeit abstrafen. Schon jetzt unterstützen nur noch 36 Prozent die Amtsführung Donald Trumps. Bei einer Umfrage der Quinnipiac Universität sagten 54 Prozent der Befragten, sie wünschten sich eine demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus.
 
Zahlen, die bei den Republikanern den Blick dafür schärfen könnten, welches Chaos Trump in der amerikanischen Politik anrichtet. Inzwischen muss man sich die Frage stellen, was schlimmer ist: Trumps Niedertracht oder seine Unfähigkeit?
 
Eines lässt sich kaum bestreiten: Unter ihm kommt die politische Kultur auf den Hund, mit Folgen weit über die Vereinigten Staaten hinaus. Deshalb darf es keine Gewöhnung an seine Art des Regierens geben. Niedertracht und Unfähigkeit dürfen nicht zur neuen Normalität werden.


 
WEITERFÜHRENDE LINKS
FINANCIAL TIMES 
12. Mai 2017: Trump's 'frontal assault' on US institutions
NEW YORK TIMES  13. Mai 2017: Trump sought vow of loyalty
DER SPIEGEL 13. Mai 2017: You’re fired
WELT AM SONNTAG 14. Mai 2017: Die Empörungserschöpfung



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Fünf vor 8:00 ist die Morgenkolumne von ZEIT ONLINE. An jedem Werktag kommentieren abwechselnd unter anderem Michael Thumann, Theo Sommer, Alice Bota, Matthias Naß, Martin Klingst und Jochen Bittner.