Fünf vor 8:00: Jobs, Jobs, Jobs - Die Morgenkolumne heute von Theo Sommer

 
Wenn dieser Newsletter nicht richtig angezeigt wird, klicken Sie bitte hier.

 
 FÜNF VOR 8:00
23.05.2017
 
 
 
 


 
Jobs, Jobs, Jobs
 
Trumps Beweggründe, mit den Saudis zu handeln und Iran zu verteufeln, sind nicht schwer zu erkennen. Geht das so weiter, müssen Europäer ihm die Gefolgschaft verweigern.
VON THEO SOMMER

Es ist schon mehr als komisch: Donald Trump, der voriges Jahr im Wahlkampf keinen guten Faden am Islam gelassen hat und als Präsident unverzüglich einen Einreisestopp für Muslime verhängen wollte, unternimmt seine erste Auslandsreise nach Saudi-Arabien – in das Land, aus dem 15 der 19 Flugzeugattentäter des 11. September 2001 stammten und dessen extreme Wahabi-Version des Islam Dschihadisten von Al Qaida und den Taliban bis zum Islamischen Staat inspiriert.
 
Mit diesem Saudi-Arabien, einem autoritär-monarchischen Staat mit Sklavenhalter-Charakteristik, hat Donald Trump einen Vertrag über Rüstungslieferungen im Wert von zunächst 110 Milliarden Dollar abgeschlossen. In den nächsten zehn Jahren wollen die Saudis sogar für gigantische 350 Milliarden amerikanische Waffen kaufen. Der Eindruck ist unabweisbar: Der Geschäftsmann Donald Trump ist als Präsident käuflich. Auch Obama hatte den Saudis Waffen verkauft, aber er ließ sich nicht von ihnen vereinnahmen. Dafür versprachen die Saudis, mindestens 40 Milliarden in den USA zu investieren.
 
Dann rief Trump die Vertreter von 50 muslimischen Nationen am Sonntag dazu auf, gemeinsam gegen den Terrorismus vorzugehen und dem iranischen Einfluss in der Region entgegenzutreten. Kein Wort darüber, dass die Saudis in den Medresen der Welt den Ungeist verbreiten, der den Boden des dschihadistischen Terrorismus bildet.
 
Trumps Beweggründe sind nicht schwer zu erkennen. Den einen hat er in seiner einsilbigen Sprache im Angesicht des saudischen Königs dreifach skandiert: "Jobs, Jobs, Jobs." Der andere entspringt seinem offensichtlich unwiderstehlichen Drang, alles anders zu machen als sein Vorgänger Barack Obama – am liebsten das Gegenteil. Dies gilt in besonderem Maße für die gegenüber dem Iran zu verfolgende Politik.
 
Obama suchte den Ausgleich mit dem Teheran der Ayatollahs (deren Menschenrechtspraxis zugegebenermaßen nicht viel glorreicher aussieht als die saudische), um sie von ihrem Atomwaffenprogramm abzubringen. Dies gelang ihm 2015 mit dem Nuklearabkommen, das Trump – mit Sicherheit ohne eine einzige der 159 Seiten gelesen zu haben – "eines der schlimmsten je unterzeichneten Abkommen" nannte. Er kündigte an, es wieder rückgängig zu machen. Eine neuerliche Auseinandersetzung mit Teheran würde freilich seine "oberste Priorität" komplizieren, den Kampf gegen den Islamischen Staat.
 
Wo Barack Obama versuchte, auf das Ringen der sunnitischen Saudis mit dem schiitischen Iran um die regionale Vorherrschaft dämpfend einzuwirken, stellt sich Trump eindeutig hinter die Hegemonialbestrebungen Riads. Und er tut dies ausgerechnet in einem Augenblick, in dem der moderate Architekt der iranischen Entspannungspolitik, Präsident Hassan Ruhani, einen großartigen Wahlsieg erfochten hatte und seine Anhänger in den Straßen des Landes den Anbruch einer neuen Zeit feierten. Ruhani vereinigte fast 23 Millionen Stimmen auf sich, insgesamt 57 Prozent. Sein erzkonservativer Hauptherausforderer, der Richter Ebrahim Raisi, brachte es nur auf 15,5 Millionen Stimmen oder 38,3 Prozent.
 
In der Iran-Politik darf Europa Trump keine freie Hand lassen
 
Ruhanis Widersacher im Klerus, in der Justiz, in den staatlichen Medien und vor allem in den Revolutionsgarden werden ihm das Leben nicht leicht machen. Mit allen Mitteln werden sie versuchen, überfällige gesellschaftliche Reformen und eine weitere Öffnung nach Westen zu blockieren. Trumps Parteinahme für die Saudis und sein Drängen auf Konfrontation spielen ihnen dabei in die Hände. Druck von außen, etwa die Aufkündigung des Atomabkommens oder auch nur die Verhängung weiterer amerikanischer Sanktionen werden ihre Machtbastionen nur festigen. Die Aufforderung zum Wettrüsten, auf die Trumps Mega-Waffendeal hinausläuft, werden sie indes gern annehmen.
 
Obama begriff den Nuklearvertrag als Auftakt zu einer Normalisierung mit einem sich liberalisierenden Iran. Trump hingegen, um die New York Times zu zitieren, sei darauf aus, "Iran zu dämonisieren und die Bedrohung falsch darzustellen, die von ihm ausgeht". Der Leitartikler des Blattes setzte hinzu: "Dies könnte zu einer unnötigen und riskanten Konfrontation führen."
 
Inzwischen ist Trump, vorläufig wenigstens, von seinem Vorhaben abgerückt, das Atomabkommen zu zerreißen oder neu zu verhandeln. Doch herrscht in Washington das Trump-übliche Chaos. Außenminister Rex Tillerson erklärte der Presse, das Abkommen habe das Ziel nicht erreicht, ein nicht-nukleares Iran zu schaffen. Es würde bis zum Atomstaat nur länger dauern. Verteidigungsminister James Mattis jedoch versicherte, der Deal "steht noch", und Iran scheine seine Verpflichtungen zu erfüllen.
 
Sollten sich in Washington doch noch die Hardliner durchsetzen, die weitere Sanktionen über Iran verhängen oder die Revolutionsgarden auf die Liste terroristischer Organisationen setzen wollen, müssten die Europäer Trump auf jeden Fall die Gefolgschaft verweigern. "Wo sind denn die Arbeitsplätze, die ausländischen Investitionen, die Ruhani erwartet hat?", fragen gerade dessen Wähler. Europa darf sie nicht länger enttäuschen. Bisher haben sich europäische Unternehmer nicht recht getraut, sich im Iran massiv zu engagieren. Sie befürchteten, von den Amerikanern belangt zu werden, wenn sie gegen die sogenannte "Sekundärsanktionen" verstoßen. Die hält Washington noch immer größtenteils aufrecht wegen Irans Unterstützung von Assad in Syrien, der Hisbollah im Libanon und der Hamas in Palästina. Solche Zurückhaltung muss aufhören. Philip Gordon, der Nahost-Experte des New Yorker Council on Foreign Relations, kann sich sogar vorstellen, dass die Europäische Union es europäischen Unternehmen untersagt, sich an die US-Sekundarsanktionen zu halten.
 
Niemand wird Trump daran hindern, Waffen an Saudi-Arabien zu liefern, obwohl amerikanisches Kriegsgerät im iranisch-saudischen Stellvertreterkrieg im Jemen bereits genug Unheil anrichtet. Aber in der Iran-Politik darf Europa dem Präsidenten keine freie Hand lassen. Europa muss, wie Cornelius Adebahr zu Recht verlangt, den vermittelnden "European way of diplomacy" durchsetzen: unverdrossenes, geduldiges, beharrliches Verhandeln und Bereitschaft zur aktiven Kooperation anstatt sturer und verblendeter Konfrontation. Was Donald Trump in Riad über den Iran von sich gab, klag fast wie eine Kriegserklärung; zumindest war eine schrille Forderung nach "regime change" herauszuhören. Europa darf ihm da nicht folgen.


 
WEITERFÜHRENDE LINKS
THE ECONOMIST  What could possibly go wrong?
FOREIGN AFFAIRS  A Vision of Trump at War
NEW YORK TIMES  Asking for Trouble on Iran
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG  Sieg der Vernunft
ADEBAHR, CORNELIUS (2017)  „Europe and Iran: The Nuclear Deal and Beyond“, Routledge.



SERIE
 
 
 
 
FÜNF VOR 8:00
 
Die Morgenkolumne auf ZEIT ONLINE
 
Fünf vor 8:00 ist die Morgenkolumne von ZEIT ONLINE. An jedem Werktag kommentieren abwechselnd unter anderem Michael Thumann, Martin Klingst, Alice Bota, Matthias Naß, Jochen Bittner und Theo Sommer.