Freitext: Florian Werner: Ein Gespenst muss tun, was ein Gespenst tun muss

 
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30.03.2017
 
 
 
 
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Ein Gespenst muss tun, was ein Gespenst tun muss
 
 
Der Immobilieninvestor ist die Spukgestalt des deutschen Wohnungsmarktes. Irgendwann steht er vor der Tür. Ja, und was dann?
VON FLORIAN WERNER

 
 © Florian Werner
 
Ein Gespenst geht um in unserem Haus. Das Gespenst ist Immobilienexperte und hat das Mietshaus – einen typischen Berliner Gründerzeitbau, 1897–98 entworfen und ausgeführt von dem Zimmermannsmeister Max Gosebruch – zum Jahresanfang gekauft. Nun plant das Gespenst, so steht es im Kaufvertrag, „umfängliche Modernisierungs-, Instandsetzungs- und Ausbauarbeiten“. Das ist sein gutes Recht, aber als langjähriger Mieter liest man’s mit Schauder. Schließlich schreibt das Gespenst, diesmal auf seiner Webseite, dass Berlin „eine positive Entwicklung im Bereich der Immobilien noch vor sich“ habe. Das ist nun erkennbar nicht aus der Perspektive eines Mieters gesprochen, der eine bezahlbare Wohnung sucht, sondern aus der eines Investors, der auf möglichst hohe Rendite aus ist. Wenn eine exorbitante Steigerung der Mieten und Immobilienpreise, wie sie die Hauptstadt derzeit erlebt, eine „positive Entwicklung“ ist, dann ist, um mit Shakespeares Hamlet zu sprechen, „etwas faul im Staate Dänemark“. Beziehungsweise Deutschland.

Womit wir wieder bei den Geistern wären.

Wenn ich den Immobilienexperten als Gespenst bezeichne, dann ist das nicht despektierlich gemeint. Es ist insofern zutreffend, als er erschreckende Ähnlichkeiten mit einer solchen Spukgestalt hat: Noch niemand aus unserem Haus hat ihn jemals leibhaftig zu Gesicht bekommen – und dennoch verbreitet er Angst und Schrecken. Eine Internetrecherche ergibt, dass er in den Nullerjahren Vorstand eines Unternehmens war, das später wegen Handels mit Schrottimmobilien vor Gericht stand. Eine weitere Recherche zeigt, dass er über ein so fein gesponnenes Netzwerk von Immobilienfirmen verfügt, dass eine Vogelspinne bei seinem Anblick erblassen würde. Mieter aus anderen Häusern, die in der Vergangenheit von Unternehmen des Investors umfänglich modernisiert und instandgesetzt wurden, wissen Furchteinflößendes zu berichten: von Baumaßnahmen, die weniger der Sanierung des Hauses als vielmehr der Terrorisierung der Bewohner dienten. Von Zimmerdecken, die in darunterliegende Wohnungen stürzten. Von Kindern, die gemobbt wurden, von Vergeltungseinbrüchen bei renitenten Mietern. Schauergeschichten. Oder?

Ich bin kein abergläubischer Mensch, aber als gestern ein zwielichtiger Geselle mit Sonnenbrille stundenlang vor unserem Haus in seinem Auto saß und unser Gebäude zu beobachten schien, notierte ich mir sein Nummernschild; für alle Fälle. Als wenig später zwei fremde Männer wortlos vor unserem Eingang standen und die Namen auf dem Klingelschild studierten, fasste ich die Kinder fester an der Hand, mahnte zur Eile, schickte sie schnell in die Wohnung. Sollte ich die Riegel an unserer Tür verstärken? Bill Murray und seine Geisterjäger rufen? Kruzifix und Knoblauch aufhängen?

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