Lächerliche TheologieWann hat das angefangen, dass Studenten wie Kinder behandelt werden? Ist mal wieder die Bologna-Reform schuld? Vielleicht. Mit Schrecken denke ich an Professoren zurück, die uns »Studis« nannten, oder an unangenehm-kuschelige Gruppenarbeiten, bei denen die Aufgaben einfach nur banal waren. Das neue »Kommentierte Vorlesungsverzeichnis« der katholischen Fakultät meiner Alma Mater Tübingen weckt schaurige Erinnerungen an mein Theologiestudium. Halten sich dort auf der Titelseite doch tatsächlich acht Comicfiguren an der Hand, lachen, führen ein Tänzchen auf – und recken dabei ein Transparent in die Höhe, auf dem steht: »KindergartenVoll-Versammlung«.
Ich bin fassungslos. Kann das das offizielle Aushängeschild der Fakultät sein, an der einst Größen wie Guardini, Ratzinger und auch Küng lehrten? Welches Bild vermittelt das jemandem, der Theologie studieren will? Und was sagt das über die Absolventen, also auch über mich?
Ich schicke einem Freund das Bild via WhatsApp. Der amüsiert sich: »Ist doch bestimmt ironisch gemeint!« Doch für mich ist das Titelbild ein Symptom, das auf eine Krankheit deutet: Wer soll uns Theologen denn noch ernst nehmen, wenn wir es selbst gar nicht mehr tun? Wenn wir uns (und unsere Lehrer) als Kinder definieren, die nicht wissen, was gut ist und was böse, was richtig ist und was falsch. Gerade das ist doch unser Kerngeschäft!
Dabei hat sich doch schon in genug Köpfen das falsche Bild vom weltfremden, sensiblen Öko-Theologen festgesetzt, der nicht über seinen Stuhlkreis (selbstverständlich mit gestalteter Mitte) hinausdenken will. Natürlich ausgestattet mit Birkenstocks (aber selbstredend nicht die hippe Variante) und Funktionskleidung in allen Farben des Regenbogens. Wir sind aber keine grünen Ökozausel! Warum machen wir uns selbst so klein? Das wird dem Theologiestudium nicht gerecht! Natürlich gibt es auch in der Theologie genug junge Menschen, die nicht erwachsen werden wollen oder für ein Studium eigentlich ungeeignet sind. Doch im Kern ist es eine ernsthafte, eine anspruchsvolle Wissenschaft, angesiedelt zwischen Philosophie, Geschichte, Recht, Pädagogik, Archäologie und alten Sprachen wie Griechisch und Latein.
Ein befreundeter älterer Priester fällt mir ein, der in der Nachkriegszeit bei Romano Guardini studierte. Guardini forderte absolute Disziplin. »Hat einer auch nur gehüstelt, musste er den Hörsaal verlassen«, erzählte mir mein Freund einmal. Diese Strenge ist heute nicht mehr einzufordern – ein wenig mehr Ernsthaftigkeit stünde dem akademischen Selbstbewusstsein aber sehr gut zu Gesicht. Damit auch andere verstehen: Theologie ist keine peinliche Privatsache, auch kein schwülstiger Wohlfühl-, sondern ein vernünftiger Sehnsuchtsort.
Alina Oehler (26) ist katholische Theologin und Publizistin. Ihr Kommentar erschien zuerst in der ZEIT-Beilage Christ & Welt #18 vom 27. April 2017.