Gastkommentar Elsevier: Wir wollen eine Lösung | Die Krise der Klugen | Globaler Bildungshunger | 3½ Fragen an Frank Wissing

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
die Verhandlungen um die Bundeslizenzen für Zeitschriften – DEAL – wachsen sich zum reinsten Wissenschaftskrimi aus. Im Tagesspiegel lesen Sie den aktuellen Stand der Dinge – und in unserem heutigen Gastkommentar nimmt Hannfried von Hindenburg vom Verlagsgigant Elsevier Stellung, er sagt: Wir schaffen das! Und Frank Wissing ist nicht nur Generalsekretär des Medizinischen Fakultätentags, sondern auch – wie man heute im Fragebogen nachlesen kann – ein Citizen Science.
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Die Krise der Klugen
In den USA wird Stimmung gegen die Wissenschaft gemacht, und die Forscherinnen und Forscher gehen dagegen auf die Straße. Und in Deutschland? Hätten sie auch Anlass zum Protest, meint Manuel J. Hartung: „Rechtspopulisten machen sich über Experten lustig, in den sozialen Medien werden Tatsachen verdreht. So politisch wie heute war die Welt lange nicht.“ Was aber machen die deutschen Profs? Bedenken in Feuilletons und Blogs sich selbst (so etwa jüngst die Germanistik: Spiegel, FAZ, NZZ, DLF, ZfL). „Wenn Professoren in eigener Sache redselig sind, in den großen Sachen aber sprechunfähig, ist das dramatisch. Dieses Politikdefizit ist das Signum der Krise, in der sich Teile der academia befinden: einer Krise der Klugen. Sie entzündet sich an der Frage, ob Universitäten in ihrer randständigen Echokammer bleiben oder Zentren gesellschaftlicher Vergewisserung werden wollen.“ Die Geistes‐ und Sozialwissenschaften müssen sich entscheiden, findet Hartung. Wie weiter? Seite 1 der neuen ZEIT
  
 
 
Studie I: Globaler Bildungshunger
Noch ein Thema aus der aktuellen ZEIT: Die Studie „Responding to Massification“, die im Auftrag der Körber-Stiftung am Boston College entstanden ist. Das Ziel: Eine Datengrundlage liefern für das Treffen von Hochschulpräsidenten und -präsidentinnen Anfang Juni in Hamburg, beim Transnational University Leaders Council. Der Begriff „Massification“ bringt es schon auf den Punkt: Rund um den Globus explodiert die Zahl der Studierenden. 200 Millionen junge Menschen sind an 22.000 Hochschulen immatrikuliert. Allein in China studieren inzwischen knapp 40 Prozent aller 18- bis 22-Jährigen – 1978 waren es noch 1,5 Prozent. Unübersehbarer Trend: Es mangelt an (staatlicher) Steuerung und einer klaren Differenzierung der Hochschullandschaft. Sie expandiert, fängt aber die unterschiedlichen Bedürfnisse der immer diverseren Studierenden nicht adäquat auf. Nur zwei bis fünf Prozent aller Hochschulen sind forschungsstarke Kaderschmieden; das Gros der Einrichtungen bildet für den Arbeitsmarkt aus. Profitorientierte Hochschulen schießen aus dem Boden; ein regulierendes Qualitätsmonitoring hinkt hinterher. Als »anarchisch« bezeichnet Studienleiter Philip G. Altbach die globale Lage. Die Zukunft akademischer Bildung, heißt es in der Studie, liege in enormen Bemühungen, ein kohärentes und hochwertiges System zu gestalten. Das aber brauche dreierlei: politischen Willen, Zeit und Geld.
  
 
 
Studie II: Wie bastle ich mir eine gute Privathochschule?
Die Privathochschulen boomen – weltweit und auch in Deutschland (siehe obige Meldung). Aber wie macht man das – eine rundum ordentliche Hochschule zu gründen, die den Bedürfnissen vor allem der atypischen Studierenden (zweiter Bildungsweg, mit Kindern, aus dem Ausland) entspricht? Das CHE hat Antworten: „Die fünf Erfolgsfaktoren der privaten Hochschulen“ heißt eine gestern vorgestellte Publikation. Selbige lauten wie folgt: Marktorientierung, Praxisorientierung, Zielorientierung, Studierendenorientierung, Bedarfsorientierung. Hier im Ganzen als pdf.
  
 
 
Kritik einfach wegklagen
Wissenschaftliche Publikationen werden nicht mit Geld, sondern mit Aufmerksamkeit belohnt. Und dabei gilt durchaus das alte Wort: There's no such thing as bad publicity. Wessen Dissertation auf der Rezensionsplattform H-Soz-Kult besprochen wird, darf sich also freuen. Der Historiker Julien Reitzenstein allerdings sah das anders und hat gegen eine Besprechung seiner Studie „Himmlers Forscher“ (Schöningh) einen Unterlasssungsbeschluss erwirkt, der besagt, dass einzelne „kritische“ Sätze nicht mehr geschrieben wurden. Die Redaktion entfernte die Besprechung mit Hinweis auf mangelnde Kapazitäten für einen Rechtsstreit in der Sache, und merkte an: „Der richtige Weg, die Streitfragen zu klären, wäre unseres Erachtens, in die öffentliche Arena der wissenschaftlichen Diskussion zurückzukehren.“ Allerdings stimmt, was die Historikerin Birte Förster (TU Darmstadt) über den Vorgang gestern in der FAZ schrieb: „Mehr Prominenz ist für eine Rezension kaum zu erreichen.“
  
 
 
Na, neidisch?
Seien Sie ehrlich: Wenn die Kollegin einen Ruf bekommt (und Sie nicht), oder wenn der Kollege seine spitzenmäßige Publikation feiert (während Sie noch im Manuskript herumfuhrwerken), dann empfinden Sie: Neid. So what?, sagt Jay Daniel Thompson von der University of Melbourne im Chronicle – und erklärt, wie man das nagende Gefühl lernt, anzunehmen. 
  
 
 
 
   
   
   
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Personen
 
 
   
   
Rektor des Jahres
Lambert T. Koch, Rektor der Universität Wuppertal, wird vom Deutschen Hochschulverband zum dritten Mal als „Rektor des Jahres“ ausgezeichnet; ermittelt wurde der Preisträger in einer Online-Umfrage unter den 30.000 DHV-Mitgliedern. Die nachfolgenden Plätze belegen: Stephan Dabbert (Uni Hohenheim), Helmut J. Schmidt (TU Kaiserslautern), Joachim Hornegger (Uni Erlangen-Nürnberg), Ulrich Radtke (Uni Duisburg-Essen). Die Auszeichnung wird am 3. April bei der DHV-"Gala der Deutschen Wissenschaft" in München verliehen.

Wintermantel im Saarland
Heimspiel für Margret Wintermantel: Die DAAD-Präsidentin und ehemalige Präsidentin der Universität des Saarlandes (2000 bis 2006) kehrt an ebendiese zurück: und zwar in der Rolle als Vorsitzende des Hochschulrates.

Ernst-Otto Czempiel
Ernst-Otto Czempiel ist tot. Der Politikwissenschaftler war maßgeblicher Treiber der deutschen Friedensforschung; 1970 gründete er die Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt (HSFK).

Job: Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft sucht zum 1. Dezember eine Nachfolgerin (m/w) für Generalsekretärin Christiane Neumann, Jahrgang 1953. Gesucht wird eine Persönlichkeit mit »ausgewiesener administrativer, kaufmännischer, juristischer und wissenschaftspolitischer Expertise«, wie es in der neuen Ausgabe des Stellenmarkts der ZEIT heißt. Amtsvorgängerin Neumann war vor der Berufung zur Generalsekretärin unter anderem Geschäftsführerin des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung, der Hertie School of Governance und des Wissenschaftszentrums Berlin. Bewerbungen gehen mit dem Vermerk »persönlich« an den Präsidenten der Leibniz-Gemeinschaft, Matthias Kleiner, in 10115 Berlin, Chausseestraße 111.
   
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Dr. Frank Wissing

Generalsekretär Medizinischer Fakultätentag der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Ich bin noch recht neu in meinem Job und lerne den Berliner Politikbetrieb gerade erst kennen. Ich bin sehr positiv überrascht von dem Engagement und der Detailtiefe, mit dem die Parlamentarier auch in komplexe biomedizinische Forschungsthemen eintauchen. Chapeau!

Welches wissenschaftspolitisches Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Der Förderalismus in Deutschland muss nicht so kleinteilig sein. Ob in Forschung oder Studium – Grenzen, und seien sie nur zwischen Bundesländern, sind hinderlich und schränken die Mobilität von Menschen, Ideen, Daten und Geldern ein. Fünf bis sechs große Bundesländer reichen, um die politische Stabilität, die man sich vom Förderalismus erhofft, zu erhalten. Wahrscheinlich bleibt dann am Ende sogar noch Geld übrig. Bis es soweit ist, würde ich mir eine Harmonisierung – keine Aufweichung! – des Datenschutzes zwischen den einzelnen Bundesländern wünschen. Jedes Bundesland macht es anders, das ist ein echtes Hemmnis für die bundesweite Auswertung von personenbezogenen Daten für die Forschung.

Lektüre muss sein. Welche?
Entdeckerromane sind ein absolutes Muss: „Wassermusik“ von T.C. Boyle oder kürzlich erst gelesen: „Die letzten Entdecker“ von Naomi J. Williams. Die grandiose Darstellung eines Scheiterns!

Und sonst so?
Als Laie beteilige ich mich gern an Programmen zur Kartierung von Vogelarten. Solche Programme gibt es auch in Deutschland schon seit Jahrzehnten. Schön, dass das unter dem modernen Schlagwort „Citizen Science“ nun als geradezu revolutionär wahrgenommen wird…
   
   
 
 
   
 
 
   
   
   
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Gastkommentar
 
 
   
   
von Hannfried von Hindenburg
   
   
Wir wollen eine Lösung
Analysen von Elsevier, der information analytics Firma in Wissenschaft und Gesundheit, zeigen: Wissenschaftler und Universitäten, die intensiv über Grenzen hinweg zusammenarbeiten, erzielen meist höhere Qualität, ihre wissenschaftlichen Arbeiten werden öfter zitiert. Weil daher der Zugang zu Fachliteratur so wichtig ist, sind wir bei Elsevier gerne auf die Anfrage der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) eingegangen, erstmals in Deutschland einen landesweiten Vertrag für das wissenschaftliche Publikationswesen zu entwickeln. Die Aufgabe: für fast 600 Institutionen vollständigen Zugang zu allen unseren Fachartikeln, die seit 1995 publiziert wurden, bereitstellen. Im Vergleich zu heute würde sich damit die Anzahl der Einrichtungen verdoppeln und die abgedeckte Zeitspanne für die Mehrzahl der Institutionen vervierfachen. Die HRK und Elsevier stehen also vor der Herkulesaufgabe, die unterschiedlichen Aufgaben des Publizierens von Inhalten und den Zugang zu diesen Publikationen für die nahezu gesamte deutsche Forschung zu regeln.
Das HRK-Ziel, dies bis zum Jahresende 2016 zu lösen, war von vornherein ambitioniert. Einige Forschungsinstitutionen kündigten ihre Verträge mit Elsevier in der Erwartung, dass ab Januar 2017 eine neue Vereinbarung abgeschlossen sein würde. Kein Zugang zu neuster Literatur schadet vor allem den betroffenen Forschern und dem wissenschaftlichen Austausch. Schließlich geht es um die Neugestaltung der Wissensvermittlung im digitalen Zeitalter, und die lässt sich nicht übers Knie brechen: Die Schweizer nehmen sich bis 2024 Zeit, um eine solch fundamentale Transformation zu bewerkstelligen.
Wir wollen, dass Forscher hier in Deutschland weiterhin zur Weltspitze gehören. Deswegen gewähren wir auch trotz Kündigung allen betroffenen Institutionen Zugang zu unseren Artikeln. Als weltweit zweitgrößter Open-Access-Verlag unterstützen wir selbstverständlich auch die Open-Access-Bemühungen der Bundesregierung. Am Ende unserer Nationallizenz-Verhandlungen letztes Jahr in den Niederlanden und Großbritannien stand für alle Beteiligten fest: Hier wurde nicht nur ein Vertrag abgeschlossen, sondern Zukunft geschaffen. Die Herausforderungen haben wir gemeinsam gemeistert. Wir sind sicher, dass dies auch hier gelingt. Elsevier sitzt weiterhin am Tisch. Das schulden wir den Forschern und Forscherinnen, aber auch der deutschen Wissenschaft insgesamt.

Hannfried von Hindenburg ist Senior Vice President Global Communications bei Elsevier
   
   
 
 
   
 
   
   
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Die Bundesbrüder Burschenschaften wie die Berliner Gothia bilden das akademische Rückgrat der Neuen Rechten. Warum sie Zulauf haben

Bist du Mitglied? Der Journalist Takis Würger hat zwei Jahre in Cambridge studiert – und ließ sich dort zu seinem ersten Roman inspirieren. Ein Vorabdruck aus „Der Club“ „Als seien sie die Könige der Welt“ Die geheimen Studentenclubs aus dem Roman gibt es wirklich. Wie geht es da zu? Ein Gespräch mit dem Autor Takis Würger Studie: Gigantischer Wissenshunger Die Hochschulen wachsen weltweit – und unkontrolliert Guten Morgen, Frau Lehrerin! An einigen Berliner Grundschulen lernen Migrantenkinder jetzt Arabisch. Dient das der Integration?

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
   
   
 
c.t.
 
 
   
 
Was machen eigentlich die Burschenschaften dieser Tage so?, haben wir uns neulich in der Ressortkonferenz gefragt. Und unseren Autor Daniel Erk losgeschickt, mal zu recherchieren. Und siehe da: Abgerockte Verbindungshäuser, wie die Gothia in Berlin, blühen wieder auf – und begreifen sich als akademisches Rückgrat der neuen Rechten. Nachzulesen in der neuen ZEIT, S. 59.
 
 
 
 
 
 
 
 
   
Einen inspirierenden Wochenausklang wünscht Ihnen

Ihr CHANCEN-Team


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