Freitext: Tijan Sila: Können Skater schreiben?

 
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04.05.2017
 
 
 
 
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Können Skater schreiben?
 
 
Hemingway boxte, Camus war Torwart, Murakami läuft. Schriftsteller verwandeln Sport in Mythos. Aber wie verändert sich Schreiben durch die Sportart, die ein Autor wählt?
VON TIJAN SILA

 
©Matteo Paganelli/unsplash.com (https://unsplash.com/@matteopaga)
 
Leibesertüchtigungsroutinen scheinen bedeutsamer, wenn sie von AutorInnen ausgeübt werden. Haben diese einen Sport mit Leidenschaft betrieben, dann wissen wir davon: Thom Jones, Lord Byron und Hemingway boxten. John Irving und Ken Kesey rangen. Joyce Carol Oates, Stephen King, Haruki Murakami und Don DeLillo sind oder waren Läufer. Camus und Nabokov waren Torhüter. Giorgio Bassani, David Foster Wallace und Martin Amis spiel(t)en Tennis – Nabokov übrigens auch, er trainierte sogar andere darin, außerdem boxte er aktiv, das heißt als Wettkämpfer.
 
Und Ernst Jünger? Er hat bis kurz vor seinem Tod jeden Tag mit Seilspringen begonnen.
 
Im Kontrast scheinen Sportbiografien von Politikern weniger bedeutsam: Dass Obama ziemlich gut Basketball spielen kann, interessierte erst, als es zum Wahlkampfmittel wurde; und Joschka Fischer hat zwar ein Buch über das Laufen geschrieben, aber dieses glich im besten Sinne einem der Gespräche, die man mit Sportsfreunden führt – Analyse des Trainingsplans, Beschreibung der Routen, Darlegung der Ursachen für die Gewichtszunahme. In Joschkas Fall waren das sehr viele (!) Kalorien und starker Wandel des Lebensstils ­– seine „linksradikalen siebziger Jahre in der Frankfurter Sponti Szene und im Häuserkampf verlangten ein hohes Maß an körperlicher Fitness“ von ihm, dann wurde er jedoch ein richtiger Politiker und musste weniger herumrennen; auch da er einen Fahrer hatte, nehme ich an.
 
Ein Grund, wieso Schriftstellersport interessanter ist als Politikersport, ist an das Entschlüsseln der Autorenpersönlichkeiten geknüpft – wer sind sie, wie sind sie? Politiker sind in ihrer Rolle gezwungen, diese Fragen andauernd selbst zu stellen und zu beantworten, Schriftsteller dürfen rätselhaft erscheinen. Aus diesem Grunde gibt es in der einleitenden Liste nur eine Schriftstellerin, und aus diesem Grunde habe ich in diesem Absatz das Binnen-I aufgegeben: Schriftstellersport scheint nur interessant zu sein, solange er von Männern ausgeübt wird. Das Interesse an der Person hinter der Autorenmaske ist stets an Rollenerwartungen geknüpft und Schriftsteller sind altmodischen Vorstellungen viriler Männlichkeit keineswegs entwachsen – sonst gäbe es nicht immer noch so viel Aufheben um kampfsportelnde Autoren, sonst würde niemand Sloterdijk nach der Zeit fragen, die er brauchte, um auf dem Rennrad den Mont Ventoux zu erklimmen. Ein echter Mann muss körperliche Leistungen liefern können, selbst wenn seine hauptsächliche Beschäftigung im Sitzen stattfindet. Der Körper ist immer noch ein Panzer.


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