Gute Nachrichten zu §52a | KMK-Strategie zu digitaler Bildung | 3½ Fragen an Nina Fechler | Standpunkt Jan-Martin Wiarda: Keine Visionen, nirgends

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
kein Tag (und kein CHANCEN Brief) vergeht ohne das Superschlagwort „Digitalisierung“. Ein Containerwort, das mit differenziertem Diskurs gefüllt werden muss. In diesem Zusammenhang ist, auf Initiative der ZEIT-Stiftung, eine Charta der digitalen Grundrechte entstanden, die in dieser Woche in Brüssel dem EU-Parlament übergeben wurde. Hier können Sie darüber mitdiskutieren. – Eine Anmerkung zu großen Schlagworten hat heute auch Jan-Martin Wiarda im Standpunkt, wo er die jüngsten Resolutionen des Philosophischen Fakultätentages kommentiert. Im Fragebogen findet Nina Fechler vom MPI für Kolloid- und Grenzflächenforschung: öfters mal prüfen, ob auch Oma versteht, was man gerade so erforscht.
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Warum das §52a- und DEAL-Chaos eine gute Nachricht ist
Noch 24 Mal schlafen! Dann ist der 1. Januar 2017. Und dann müssen Sie, sofern Ihre Hochschule dem neuen Rahmenvertrag mit der VG Wort beigetreten ist, Ihre Seminartexte einzeln abrechnen (Bürokratiealarm!). Oder, falls Ihre Universität den Beitritt verweigert, papierne Handapparate basteln (Kopierstau!). Und wenn Ihre Institution mit Blick auf die bundesweiten Lizenzverhandlungen „DEAL“ schon ihren Elsevier-Vertrag gekündigt hat, müssen Sie auf Journal-Entzug gehen (Cold Turkey!). Warum all das sehr gute Nachrichten sind, schreibt Leonhard Dobusch (Universität Innsbruck) auf netzpolitik.org.
  
 
 
KMK: Strategiepapier zur „Bildung in der digitalen Welt“
Die KMK veröffentlicht heute ein Strategiepapier zur „Bildung in der digitalen Welt“. Drin steht, was in Schulen und Hochschulen in den nächsten Jahren passieren soll. Benannt werden darin u.a. vermeintliche Selbstverständlichkeiten (Breitbandanschluss, WLan!) und das Ziel, digitale Kompetenzen im Curriculum zu verankern. Die Studierenden sollen „in die Lage versetzt werden, selbstständig mit neuen Techniken umzugehen, diese sinnvoll einzusetzen und kritisch zu reflektieren.“ Der Einsatz digitaler Medien solle einen „Mehrwert“ haben, und zwar „in der Individualisierung, Flexibilisierung und Verbesserung der Reichweite der Lehrangebote, z.B. in Formen des Blended Learning. Sie sollen barrierefrei zugänglich und nutzbar sein und der Diversität der Studierenden Rechnung tragen.“ Damit das klappt, seien „Service- und Supportangebote für Lehrende“ essentiell. Und weil Digitalisierung ein echtes Querschnittsthema ist, kann man auch gleich eine Strategie draus machen, sie folglich in den Leitungsebenen ganz oben aufhängen – die KMK schreibt: „Digitalisierung bietet Chancen für eine hochschulspezifische Profilschärfung. Die Hochschulen sollten eine digitale Agenda entwickeln, um die Möglichkeiten der Digitalisierung auf ihr eigenes Profil zuzuschneiden.“
  
 
 
#fwk16: Wissenschaft für alle? Aber wie?
In Bielefeld tagte diese Woche die Wissenschaftskommunikationsintelligenzija: beim 9. Forum Wissenschaftskommunikation. „Wissenschaft für alle?!“ lautete der Themenschwerpunkt. Wer nicht dabei sein konnte, kann sich auf Twitter unter dem Hashtag #fwk16 einen Eindruck verschaffen; bei Wissenschaft im Dialog gibt es außerdem einen Storify. Die Professionalisierung und Neugier der Wissenschaftskommunikation in jüngster Zeit ist beachtlich. Bleibt die Frage: Halten auch die Forscherinnen und Forscher selbst dabei mit?
  
 
 
Spaltet Bildung die Gesellschaft?
Es ist PISA-Woche (ZEIT ONLINE), und alle Bildungsjournalisten und -journalistinnen haben, eifrig berichtend, Schweißperlen auf der Stirn. Natürlich flankiert das Thema auch die Wissenschaft – Stichwort wachsende Studienanfängerzahlen, Bedeutung der Lehramtsausbildung, etc. (In diesem Zusammenhang auch interessant: Die Stellungahme einer Forschergruppe der PH Heidelberg zu Bildungsstudien.) In der neuen ZEIT kommentiert Manuel J. Hartung die Frage, ob dank Studierendenrekord (2,8 Millionen!) Bildung die Gesellschaft spalte: „In den USA, in Großbritannien, in Österreich sind Klüfte aufgerissen zwischen Akademikern und Nichtakademikern; die einen waren für Clinton, EU und Van der Bellen, die anderen für Trump, Brexit und Hofer. Eine solche Spaltung qua Bildung darf ein Land nicht wollen.“ Die Debatte, wie Bildung eine Gesellschaft zusammenführt, wollen wir in der ZEIT im nächsten Jahr intensiv führen – natürlich mit Ihnen. Schreiben Sie uns, wenn Sie dazu etwas zu sagen haben.
  
 
 
Studie: Rückläufige Finanzierung pro Student/in, Bundesmittel steigen
Zu den 2,8 Millionen Studierenden seien noch schnell frische Zahlen nachgeliefert – sie stammen aus einer Studie, die das Institut für Hochschulforschung der Universität Halle-Wittenberg im Auftrag der Boeckler-Stiftung durchgeführt hat. Ergebnis: Trotz steigender Finanzierung der Hochschulen sind die realen Mittel pro Student/in rückläufig. So flossen im Jahr 2013 insgesamt 33,5 Milliarden Euro ins Hochschulsystem – davon sind 18,3 Milliarden Euro Grundmittel (seit 2004 plus 29 Prozent). Weil im selben Zeitraum jedoch auch die Studierendenzahl um 28 Prozent gestiegen ist, wachsen die Ausgaben pro Student/in nur um einen Prozent (plus 55 Euro auf 7.323 Euro). Berücksichtigt man Inflation und steigende Personalkosten, sinken die Ausgaben sogar um 12 Prozent. Besonders spendabel ist der Bund: Fast die Hälfte des Grundmittelanstiegs geht auf Hochschulpaktmittel zurück; und auch in DFG, BaföG, DAAD und ExIni flossen Bundeseuros – im Jahr 2013 rund 9,5 Milliarden Euro (= 28 Prozent der Gesamtfinanzierung des Hochschulsystems). Übrigens: das finanzielle Engagement der Länder variiert beträchtlich. Die Zuwächse der Grundfinanzierung waren am höchsten in Hamburg (plus 85 Prozent), Baden-Württemberg (plus 51 Prozent) und Hessen (plus 50 Prozent), und am geringsten in Sachsen (plus sechs Prozent), Thüringen (plus 18 Prozent) und Bremen (plus 19 Prozent). Ein Minus um neun Prozent verzeichnet Berlin.
  
 
 
 
   
   
   
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Andreas Keller weiter im Vorstand der EGBW
Die Europäischen Gewerkschaftskomitees für Bildung und Wissenschaft (EGBW) haben gestern auf ihrer Konferenz in Belgrad erneut Andreas Keller zum Vizepräsidenten gewählt. Keller übt das Amt seit 2012 aus; er ist stellvertretender Vorsitzender der GEW. Zur EGBW-Präsidentin wurde die Britin Christine Blower gewählt. Dem EGBW gehören 131 Mitgliedsorganisationen mit rund elf Millionen Mitgliedern in 48 Ländern an.
 
Hochschullehrer des Jahres
Michael Wolffsohn wird vom Deutschen Hochschulverband als „Hochschullehrer des Jahres“ ausgezeichnet. Wolffsohn ist emeritierter Professor für Neuere Geschichte an der Universität der Bundeswehr München; als „herausragender Wissenschaftler, Publizist  und Querdenker“ wird er geehrt für die Restaurierung des interkulturellen Wohnprojekts „Gartenstadt Atlantic“. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert und wird am 3. April bei der DHV-Wissenschaftsgala in München verliehen. Ebendort wird auch der Physiker Michael Saliba als „Nachwuchswissenschaftler des Jahres“ ausgezeichnet – dieser Preis wird von academics verliehen, dem Wissenschafts-Karriereportal von ZEIT und „Forschung & Lehre“.
 
Heute: Leibniz-Preise!
Immer im Dezember steigt der Puls der Scientific Community, denn da verkündet die DFG die Gewinnerinnen und Gewinner des Leibniz-Preises. Heute um 13 Uhr ist es so weit, wir empfehlen dann einen Besuch auf www.dfg.de… 
 
Job: Kommunikation für BMBF und MDC
Twitter, Facebook, #WissKomm – Sie wissen, wie der Social Media-Hase läuft? Bestens. Dann (voll analog) die ZEIT kaufen, Stellenanzeiger angucken, voilà: das BMBF sucht eine Social Media-Redakteurin (m/w), die den Auftritt des Ministeriums in den Sozialen Medien konzipiert und weiterentwickelt. – Und falls Sie Kommunikationsgenie sind und ihr Herz zugleich für Biomedizinische Forschungsthemen schlägt, dann bewerben Sie sich doch am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, dort wird ein neuer Leiter (m/w) der Kommunikationsabteilung gesucht. (Vorgänger Josef Zens ist ans GFZ Potsdam gewechselt – wie übrigens vor kurzem auch der Tagesspiegel-Wissenschaftsjournalist Ralf Nestler.)
   
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Dr. Nina Fechler

Gruppenleitung und Wissenschaftskoordination am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung Potsdam
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Die wissenschaftlichen und technischen Fortschritte rasen schneller denn je. Gut, oder?! Doch wohin gehen „wir“? Und da beginnt die Problematik, denn die Informationen sind keineswegs für jeden verfügbar, oft entstehen sie in einer kleinen Gruppe und verschwinden dort auch wieder: „wir“, das sind zumeist die internen Hallen der Wissenschaft, Forschungsprojekte, Paper, Fachkonferenzen… „Wir“ finden und erfinden Dinge, aber der Weg zu denen, die einmal davon profitieren könnten, die potentielle Anwender sind, die Öffentlichkeit, ist oft kein (fester) Bestandteil. Das erzeugt Misstrauen – Innovation vorbei an der Gesellschaft –, Ablehnung und macht das Feld wohl bereits für das Studium weniger attraktiv. Das Innovationspotential von Gruppen, die verschiedenste Blickwinkel vereinen, ist enorm, also warum nicht von Beginn an sehen „ob auch die Oma versteht, was man macht“? Nicht erst im Nachhinein feststellen, dass man sich viel zu sehr im Fachjargon verrannt hat! Citizen-Science, Crowdsourcing, interdisziplinäre Plattformen, um einige Ideen zu nennen, unter Einbezug der Öffentlichkeit und der Medien, dazu Vermittlung entsprechender Kompetenzen bereits im Studium, sind einen Versuch wert!
 
Die aktuell größte Fehlinvestition der Wissenschaftslandschaft?
Umgerechnet wohl die Zeit, die sowohl Wissenschaft als auch Verwaltung aufwenden, um die jeweiligen Eigenheiten, bürokratischen Anforderungen und das sonstige Kleingedruckte bei der Drittmittelförderung zu finden; aufs Neue bei jedem Programm.
 
Lektüre muss sein. Welche?
Tageszeitung, Gründerszene.de, ZEIT Campus & Chancen Brief, NY Times: What Google Learned From Its Quest to Build the Perfect Team, Blog & Buch von Markus Albers
 
Und sonst so?
Selbst jede Marathonvorbereitung beinhaltet Pausen, sonst geht es nicht. Also ein gemütliches Frühstück, Kochen mit Freunden... Vergesst die Balance nicht!
   
   
 
 
   
 
   
   
 
Standpunkt
 
 
   
   
von Jan-Martin Wiarda
Keine Visionen, nirgends
Jetzt wissen wir immerhin, wogegen der Philosophische Fakultätentag so alles ist. Drei Resolutionen hat die Vertretung von 130 (universitären) geistes- und sozialwissenschaftlichen Fakultäten und Fachbereichen Ende November verabschiedet. Die erste gegen die externe Akkreditierung von Studiengängen. Die zweite gegen die Vergabe des Promotionsrechts an Fachhochschulen. Die dritte gegen die Inklusion als fester Bestandteil der Lehrerbildung. 
Natürlich werden sich die Vertreter des Fakultätentages gegen eine so zugespitzte Interpretation verwahren. Schließlich haben sie betont, sie hätten gar nichts gegen die Qualitätssicherung an sich, sondern nur gegen die „gegenwärtig praktizierten Formen“. Beim Promotionsrecht sorgen sie sich lediglich um die wissenschaftlichen Standards. Und bei der Inklusion sagen sie: Macht doch, aber nicht auf Kosten der fachwissenschaftlichen Inhalte. 
Das eigentlich Beklagenswerte ist die Haltung hinter den drei Resolutionen. Man wehrt sich mit staatstragenden Schlagwörtern („Autonomie der Fakultäten“, Universitäten als „Zentren des wissenschaftlichen Forschens und Lernens“, „Eingriff in die wissenschaftliche Freiheit“) gegen den Veränderungsdruck von außen, ist „in großer Sorge“, fordert „mit Nachdruck“ und ruft nebenher noch die Hochschullehrer auf, ja nicht mitzumachen bei den Akkreditierungsverfahren – obwohl man ja gerade den mangelnden Einfluss der Wissenschaft beklagt.  
Die inhaltliche Auseinandersetzung mit den kritisierten Sachverhalten ist – vorsichtig formuliert – mangelhaft: Nein, eine vernünftige Qualitätssicherung ist nichts, was sich von selbst einstellt, wenn man die Fakultäten einfach mal machen lässt. Bei den wissenschaftlichen Standards ist Sorge berechtigt, aber auch angesichts zahlreicher Uni-Fachbereiche, die unter der Latte hindurchlaufen. Und wer beim Thema Inklusion allein die Wissenschaftsfreiheit gefährdet sieht, vernachlässigt dabei ganz andere Grundrechte: die auf Bildung und Teilhabe.  
Kurzum: Der Philosophische Fakultätentag hat eine Chance verpasst, seiner Verantwortung als Repräsentant zentraler universitärer Fächer gerecht zu werden. Zu der Verantwortung gehört, nicht nur zu sagen, wogegen man ist, sondern vor allem eigene, positive Visionen aufzuzeigen, wie die Geistes- und Sozialwissenschaften ihrer Rolle für und in der Hochschule des 21. Jahrhunderts gerecht werden können.
   
   
Sie stehen woanders? Schreiben Sie uns! chancen-brief@zeit.de
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Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
»Wir klagen auf hohem Niveau« Der Pisa-Schock ist überwunden. Die deutschen Schüler können mehr als der internationale Durchschnitt. Und nun? Ein Gespräch mit den Bildungsexperten Kristina Reiss und Olaf Köller
 
Was ist Pisa? Wie die weltweit größte Vergleichsstudie zu Schülerleistungen funktioniert –und was die Tester wissen wollen Es werden immer mehr! Die Zahl der Abiturienten wächst, die der Studenten auch. Was bedeutet das für Schule und Studium? Vor einer neuen Bildungskatastrophe muss sich niemand fürchten, sagt Hamburgs Schulsenator Ties Rabe Spaltet Bildung die Gesellschaft? Ja und nein, kommentiert Manuel J. Hartung »Wir vergraben uns in unseren Vorurteilen« Amerikanische Schüler und Studenten erkennen im Internet nicht, ob Informationen wahr oder falsch sind. Ein Gespräch mit Sam Wineburg über den digitalen Mob und die Bedeutung besserer Bildung Karriere oder Beziehung? In der Rushhour des Lebens wird es ernst. Rudi Novotny kriegt das zu spüren. Diese Woche: Ich bin unverheiratet und liebe ungeregelt

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
   
   
 
c.t.
 
 
   
 
Life in academia, nacherzählt mit Lego-Püppchen
– auf http://legogradstudent.tumblr.com.
 
 
 
 
 
 
 
 
   
Haben Sie einen munteren Wochenausklang, und vergessen Sie das Plätzchenessen nicht!

Ihr CHANCEN-Team


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